„Die Deutsche Wirtschaft wächst wieder,“ ist heute im Handelsblatt zu lesen. Das klingt gut, ist es aber nicht, denn man muss auch lesen, was in den Schlagzeilen augeblendet wird: „Im Vorjahresvergleich sank das BIP um 7,1 Prozent, kalenderbereinigt allerdings nur um 5,9 Prozent.“ Daher ist die Freude über diese Entwicklung in der Wirtschaftspraxis gedämpft.
Als ich vorgestern den Bericht im Handelsblatt über die Furcht im Mittelstand las, bemerkte ich, dass ich in den letzten Wochen den Mittelstand in meinem Blog etwas vernachlässigt habe. Dabei habe ich beinahe täglich mit mittelständischen Unternehmen in der Beratungspraxis zu tun, kenne viel Nöte aus erster Hand und hatte vergangene Woche sogar das Vergnügen bei einem Kunden den Besuch einer Bundestagsabgeordneten erleben zu dürfen.
In der Tat interessiert sich die Politik wieder für den Mittelstand, was aber der besuchte Unternehmer und ich dem Wahlkampf zuschreiben. Die Themen, die wir mit Ulrike Flach diskutierten, waren die Themen, die ich auch hier im Blog intensiv behandelt habe: Finanzierungsklemme, staatliche Maßnahmen, das gefühlt einseitiges Engagement der Politik für Großunternehmen, bürokratische Hemmnisse im KfW-Förderprozess zwischen Kunden, Banken und KfW und die Eigenkapitalproblematik. Eine neue Sicht hat mir Frau Flach nicht vermitteln können. Ich begrüße es aber, wenn sich die Politik für die Nöte des Mittelstands interessiert und sie vielleicht die eine oder andere Anregungen mitnehmen konnte.
Zurück zum Artikel im Handelsblatt, der etwas reißerisch aufgemacht ist mit “Jeder siebte Mittelständler fürchtet Pleite”. Natürlich fehlt mir das Instrument repräsentativer Umfragen, aber ich habe nicht den Eindruck, dass 15% der mittelständischen Unternehmen die Pleite fürchten. Eng ist es allerdings tatsächlich bei vielen Unternehmen. Auf jeden Fall ist es enger als es aktuelle Meldungen über die Wirtschaftslage suggerieren. Ein mutmaßliches Ende der Rezession bedeutet ja nur, dass es wieder Wachstum gibt, allerdings von einem Niveau aus, auf das die Kostenstrukturen vieler Unternehmen noch nicht ausgerichtet sind.
Ich denke jedoch, der Artikel im Handelsblatt über zwei Umfragen gibt die tatsächliche Lage besser wieder als die sogar mir schon zu freundlichen Meldungen über wirtschaftliche Erholungstendenzen. Solche Berichte sind zwar notwendig zur Verbesserung der “Animal Spirits”, sie bilden aber den täglichen Kampf der Unternehmen nicht realistisch ab.
Die Themen des Mittelstands sind weiterhin Finanzierungsklemme (wahlweise Beschaffung von frischen Fremd- und Eigenkapital), Working Capital-Management und Kostenmanagement. In Abhängigkeit von den Auswirkungen bleibt dem Management mehr oder weniger Spielraum zum Handeln.
Wer allerdings noch ausreichend Spielraum hat, sollte einmal ein paar Risikoszenarien mit seinen Liquiditätsplanungen durchspielen, um zu schauen, wie eigentlich seine Liquiditätslage in sechs oder 12 Monaten aussehen könnte. Ich teste gerade ein entsprechendes Tool, mit dem sich ganz normale Erfolgs- und Liquiditätsplanungen auch für mittelständische Unternehmen einem Stresstest unterziehen lassen. Manche Szenarien sind nicht gerade ermutigend, wenn man das Programm ein paar zentrale Parameter variieren lässt. Stellt man also Unterdeckungen fest bei bestimmten Marktentwicklungen, dann tut man gut daran, einen Plan B oder C in der Schublade zu haben. Aber dazu in einem anderen Beitrag mehr.
Was des einen Leid ist, ist des anderen Freud. Vorgestern war ich bei unserem IT-Dienstleister DTS-Systeme, um mal zu hören, welche Ansätze denn im IT-Umfeld aktuell gefragt sind. Schlagworte wie Adaptive Computing, Virtualisierung, Cloud Computing , Druckoutputoptimierung, Outsourcing etc. sind Schlagworte, die zwar nicht neu sind, nun aber viel stärker ins Bewusstsein mittelständischer Unternehmen rücken, die ihre Kosten senken wollen, ohne freilich die eigene Leistungsfähigkeit einzuschränken.
Der Geschäftsführer von DTS Systeme, Ulrich Möller, berichtete, dass vielen Unternehmen die Potentiale gar nicht bewusst sind, die sich durch entsprechende IT-Optimierung eröffnen können. Das klingt zwar wie eine Werbebotschaft, unterstreicht aber auch den Umdenkungsprozess der IT-Häuser, die nicht einfach nur Hard-, Software und Dienstleistungen verkaufen sondern Lösungen bieten für bestimmte Unternehmsbedarfe und -prozesse. Dazu gehört nach meiner Auffassung auch, dass IT-Häuser versuchen, die oben genannten Schlagworte für den CEO und CFO in eine betriebswirtschaftliche Sprache übersetzen. Noch dürfte sich nicht überall herumgesprochen haben, welche Vorteile Cloud Computing und Virtualisierung bringen.
Weitere Berichte zum Mittelstand
FTD: Mittelstand schöpft Konjunkturhoffnung
SZ: Optimistisch – aber nicht mehr lange
Spon: Jeder siebte Mittelständler fürchtet um seine Existenz
DW: Bessere Stimmung im Mittelstand
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