Meldungen der letzten Wochen bestätigen die hohe Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung. Sie reichen von „Konjunktureller Rückschlag wahrscheinlich“ über „Dem Mittelstand geht die Puste aus“ bis „Wie kräftig wird der Wirtschaftsaufschwung?“. Während Fachleute darüber rätseln, ob der Konjunkturverlauf einem V, W oder gar einem U gleichen wird, haben Unternehmen ganz praktische Probleme, nämlich bei der Finanzierung ihrer Investitionen oder Betriebsmittel.
Die Ungewissheit über die zukünftige Entwicklung erschwert derzeit erheblich Unternehmensplanungen und Gespräche mit Banken und anderen Kapitalgebern. Gerade erst gestern zitierte das Handelsblatt Ergebnisse einer DIHK-Umfrage, nach der sich die Finanzierungsprobleme in der deutschen Wirtschaft verschärfen. Dazu kommen häufig verschlechterte und das Rating belastende Unternehmenssituationen bei gleichzeitig steigenden Anforderungen der Finanzierer, deren Risikoappetit deutlich zurückgegangen ist.
Dazu verletzten immer mehr mittelständische Unternehmen aufgrund negativer Planabweichungen die mit ihren Geldgebern vereinbarten Covenants und müssen mit höheren Zinsen, zusätzlichen Sicherheitenanforderungen oder gar einer Kreditkündigung rechnen.
Die Praxis zeigt dennoch, dass viele Unternehmen durchaus gut gerüstet sind gegen die konjunkturellen Schwankungen. Längst nicht allen Unternehmen geht es wirklich schlecht. Dennoch bereitet es häufig Schwierigkeiten, Kapitalgeber zu überzeugen. Deren aktuelle Zurückhaltung und Skepsis liegt oft darin begründet, dass Unsicherheiten kaum entsprechenden Niederschlag in Planungsunterlagen finden. Reichten früher Jahresabschluss, betriebswirtschaftliche Auswertung und eine Ergebnisvorschau, verlangen Kapitalgeber vor einer Zusage solide Planungsdaten, idealerweise mit Risikodarstellung und Alternativplänen im Fall negativer Planabweichungen. Andernfalls erhöhen sie im besten Fall die Risikoprämien, meist verlangen sie zusätzliche Sicherheiten oder verweigern ganz die Mittel, wie die aktuelle Diskussion um die Kreditklemme zeigt (siehe zur Finanzierungsklemme diese Seite) .
Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, dass viele Unternehmen immer noch hadern mit der Herausgabe einer Unternehmens- und Finanzplanung. Dabei ist unbedingt empfehlenswert, sich aktiv diesen Anforderungen zu stellen. Gerade gut aufgestellte Unternehmen können bei Kapitalgebern nämlich hervorragend punkten, wenn sie schlüssige Planungen vorlegen und diese um Risikokomponenten erweitern. Sie erhöhen damit ihre Chancen auf neue Mittel und die Senkung ihrer Kapitalkosten.
Wie das Risiko in die Planung integrieren?
Für die Planungspraxis ist dies vergleichsweise leicht umzusetzen und weniger aufwendig als eine best-, worst- und realistic-case-Planung. Deren methodischer Fehler liegt übrigens darin, dass für den worst-case-Fall die wichtigsten Parameter schlechter und für den best-case-Fall besser angenommen werden. Schon intuitiv wird klar, dass dies unrealistisch ist, denn die meisten Eingangsgrößen einer Planung variieren unabhängig bzw. mit niedriger Korrelation voneinander. Daher glaubt auch niemand, dass diese Extremergebnisse erreicht werden, sondern man hofft, irgendwo dazwischen zu liegen. In der Praxis liegen realisierte Ergebnisse aber manchmal sogar außerhalb der worst-best-Range.
Die bestehende Unternehmensplanung lässt sich leicht erweitern, um die Simulation verschiedenster Szenarien über die Variation wichtiger Input-Parameter. So kann nämlich ermittelt werden, wie bei Variationen wichtiger Eingangsparameter mögliche Zielergebnisse aussehen.
In der Praxis sind solche Kalkulationen meist daran gescheitert, dass der Aufwand für solche Simulationen zu hoch war. Mittlerweile erlauben Tools, die Unternehmensplanung systematisch in ihren Szenariosimulationen zu unterstützen. Ohne diese Unterstützung ist es nicht möglich, in vertretbarer Zeit die Auswirkungen verschiedener Schwankungen der Eingangswerte auf das Zielergebnis zu ermitteln und dies auch entsprechend zu dokumentieren.
Einfache Erweiterung der bestehenden Planung
Ich setze dazu seit einiger Monaten ein Werkzeug ein, mit dem auf Basis einer bestehenden Planung zunächst die wichtigsten Einflussgrößen identifiziert und deren quantitativen Auswirkungen auf zentrale Zielgrößen (etwa EBIT oder Cashflow) ermittelt werden. Nebenbei ergibt sich daraus ein Qualitätscheck der Planung. Wenn man etwa feststellt, dass die so identifizierten Einflussfaktoren nicht mit den Erfahrungen und Einschätzungen des Managements übereinstimmen, dann gilt es, das Planungsmodell kritisch zu hinterfragen.
Hat man die wichtigsten Einflussfaktoren (=Stellhebel) identifiziert, dann kann man sich auf diese konzentrieren. In einem weiteren Schritt hinterlegt man toolgestützt für diese Stellhebel andere Werte. Dabei können Extremwerte oder Verteilungsannahmen definiert werden.
Anschließend werden auf dieser Basis Szenarien mit Hilfe der Monte-Carlo-Methode simuliert. Als Ergebnis erhält man eine Verteilung der Zielwerte (z. B. EBITDA, Cashflow) mit ihren aggregierten Wahrscheinlichkeitsverteilungen. So ermittelt man z. B., mit welcher Wahrscheinlichkeit ein bestimmter Cashflow auf Basis der Planung mindestens erreicht oder unterschritten wird. Über diesen Weg lassen sich sogar Insolvenzwahrscheinlichkeiten ermitteln.
Dieses Vorgehen trägt auch der Kritik Rechnung an rein statistischen Verfahren zur Ermittlung der Ausfallwahrscheinlichkeit. Die Analyse basiert nicht auf statistischen Korrelationen von Eigenschaften etwa des Unternehmens, des Managements oder der Märkte, sondern auf den tatsächlichen Erwartungen, wie sie ihren Niederschlag in der Planung gefunden haben.
Nicht Mathematik, sondern Inhalte stehen im Fokus
Mit der Monte-Carlo-Simulation lassen sich zigtausende künftige Szenarien it-gestützt simulieren. Das charmante an dem Prozess ist, dass sich Unternehmen auf die Annahmen (=Stellhebel) und Inhalte konzentrieren können und nicht auf die Berechnung, wobei diese kein Hexenwerk ist, wie ein Blick in entsprechende Fachliteratur zeigt.
Es steht nicht komplexe Mathematik im Vordergrund, sondern die systematische Auseinandersetzung mit den betriebswirtschaftlichen Risiken. Ist die Planung richtig erstellt, dann schaut man sich nämlich die Faktoren der Planung an, die den höchsten Risikobeitrag zum Zielergebnis besteuern und kann fragen, mit welchen Maßnahmen sich Schwankungen und die Wirkungen auf das Zielergebnis reduzieren lassen. Das können naturgemäß verschiedenste Maßnahmen sein, die im Kontext der jeweiligen Unternehmenssituation zu betrachten sind.
Zeigen die Simulationsrechnungen z. B. auch nach Berücksichtigung entsprechender Maßnahmen, dass etwa mit einer Wahrscheinlichkeit von 20 % im nächsten Jahr ein Liquiditätsengpass droht, dann kann sich ein Unternehmen je nach Risikoneigung entsprechend vorbereiten oder bewusst dieses Risiko in Kauf nehmen.
Banker beeindrucken und eigene Risiken besser managen
Für ein mittelständisches Kunden habe ich jüngst eine solche Darstellung erstellt und zusammen mit dem Inhaber dem Kreditentscheider präsentiert. Die Verblüffung war hoch. Dies allein war natürlich nicht für die positive Kreditentscheidung ausschlaggebend. Aber das Unternehmen hatte in diesem Zusammenhang z.B. auch glaubhaft dokumentieren können, dass es sich mit Marktrisiken strukturiert auseinandergesetzt hat. Das haben Kapitalgeber, die sich immer weniger auf in Fließtext gegossene “Bauchgefühle” verlassen mögen, nie mehr geschätzt als in diesen Zeiten.
__________________________________________________
* Dieser Artikel ist eine leicht modifizierte Fassung eines Textes, den ich für meinen Arbeitgeber, die Innovecs GmbH unter dem Titel: Neue Qualität für die Finanzplanung: Mit Szenario-Simulation Risikorobustheit zeigen und gegen Kreditklemme stemmen veröffentlicht habe.
Comments on this entry are closed.
{ 3 trackbacks }