Zukunftsorientierte Idee: Handelsblatt plant Prognosebörse

by Dirk Elsner on 22. Oktober 2009

Über den Relaunch des Handelsblatts hatte ich bereits in “Handelsblatt reloaded” geschrieben. Nun hat Online-Chef Sven Scheffler in der vergangenen Woche ein weiteres Highlight zum Neustart von Zeitung und Website angekündigt: Eine Prognosebörse. Prognosebörse EIX heißt das neue Baby, EIX steht für Economic Indicators eXchange.

Diese Nachricht finde ich noch spannender als den Relaunch, zumal es einen solchen Versuch meines Wissen bisher in Deutschland in dieser Form nicht gegeben hat. Zwar werden Prognosebörsen bzw. Vorhersagemärkte immer mal wieder für einzelne Ereignisse, wie etwa für Wahlen eingesetzt, jedoch nicht für volkswirtschaftliche Prognosen in Deutschland.

Aber gerade bei den Prognosen zur Bundestagswahl haben die Vorhersagebörsen besser abgeschnitten als die traditionellen Forschungsinstitute (siehe dazu Auswertung in Wahlbörsen schlagen Forschungsinstitute). In einem ausführlichen Beitrag (mit vielen Quellen) hatte der Blick Log “Vorhersagebörsen als relevante Prognoseinstrumente” bereits im vergangenen Jahr dargestellt. In diesen Märkten werden Erwartungen auf bestimmte klar definierte Ereignisse wie an einer Börse gehandelt. Wie der Aktienkurs die Meinung der Marktteilnehmer über den Wert eines Unternehmens widerspiegelt, zeigt der Preis auf einem Vorhersagemarkt die Erwartungen der Marktteilnehmer auf das Eintreten eines bestimmten Ereignisses. Im Prinzip ist dies also die durchschnittliche Meinung darüber, was die durchschnittliche Meinung ist.

Nach Auffassung von Fachleuten ist die Qualität der Prognosen von von drei wesentlichen Faktoren abhängt:

  1. Die Marktteilnehmer müssen echtes Geld investieren. Nur dann haben die Marktteilnehmer einen echten Anreiz, “überlegene” Informationen auch wirklich zu nutzen. Forscher von 19 amerikanischen Hochschulen hatten dazu in der Mai-Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science (Zugang nur für Abonnenten) gefordert, die rechtlichen Hürden für Prediction Markets zu senken.
  2. Die Höhe des Wetteinsatzes sollte nicht begrenzt sein. Preise in Vorhersagemärkten repräsentieren nicht nur den Durchschnitt von Meinungen, sondern haben noch eine zusätzliche Korrekturfunktion, wenn die meisten Mitspieler mit ihren Prognosen daneben liegen.  Teilnehmer, die es besser wissen als andere, könnten bei entsprechend günstigen Quoten hohe Summen auf ihren Favoriten setzen und so dafür sorgen, dass sich der Kurs an die tatsächliche Sachlage besser anpasst. Dazu dürfen die Einsätze aber nicht wie beim IEM begrenzt sein.
  3. Es muss eine ausreichende Anzahl von Marktteilnehmern zum Handel bereit sein. Sind zu wenig Marktteilnehmer bei einer Vorhersage aktiv und liegen die Angebotspreise weit von den Nachragepreisen entfernt, dann kommt kein Handel zustande und man erhält keinen Preis für eine Vorhersage. Dies war z.B. der Fall für die Rezessionsprognosen für Deutschland. Das höchste Kaufangebot lag heute bei 10$, das beste Verkaufsangebot bei 60$. Daraus lässt sich keine realistische Prognose ableiten.

Das Handelsblatt dürfte allerdings kaum eine Prognosebörse starten, auf der mit echte Geldeinsätzen gehandelt wird. Allerdings haben dies die Prognosebörsen für die Bundestagswahl auch nicht gemacht und trotzdem passable Vorhersagen erzielt. Gleichwohl darf man auf die weiteren Details der Prognosebörse EIX gespannt sein. Die teilnehmenden Partner lassen jedenfalls einen professionellen Ansatz erkennen. Es sind neben dem Handelsblatt das Forschungszentrum Informatik, das Karlsruhe Institute of Technology und das Institut der deutschen Wirtschaft Köln.

Die US-Website Intrate bietet übrigens ein großes Bündel von Handelsmöglichkeiten gegen echte Dollars. Dort werden derzeit z.B. die Erwartungen darauf gehandelt, dass die US 2010 erneut in eine Rezession gehen. Der entsprechende Chart sieht so aus:

Price for US Economy in Recession (*see contract rules for definition*) at intrade.com

Der aktuelle Preis von 36,2 kann als erwartete Wahrscheinlichkeit interpretiert werden. Im Klartext bedeutet dies, die Marktteilnehmer bei Intrade erwarten mit einer Wahrscheinlichkeit von 36,2% eine Rezession in den USA im Jahr 2010.

Ich bin jedenfalls sehr gespannt auf diesen Markt und hoffe natürlich auf schicke Charts, die sich in Blogs einbetten lassen.

enigma Oktober 22, 2009 um 05:20 Uhr

„Im Prinzip ist dies also die durchschnittliche Meinung darüber, was die durchschnittliche Meinung ist.“

Damit ist zwar noch nicht gesagt, welches Moment irgendeiner Wahrscheinlichkeitsverteilung bessere Voraussagen macht, aber damit hast Du trotzdem einen Brecher formuliert.

Diese Meta-Wahrscheinlichkeitsverteilung, die aus beliebigen Prognosen von Wirtschaftsinstituten, Scharlatanen und den üblichen Verdächtigen wie Nobelpreisträgern (nee, es geht nur um das statistische Monte-Carlo Set, oder andere Sets) besteht, kann mal wirklich versuchen, aus offiziell verlauteten klassischen Wirtschaftsmodellen eine halbwegs verläßliche Prognose zusammenzuschustern.

Es wäre den Versuch wert, aus der Kollektion der unsubstantiierten Voraussagen eine Schätzung abzuleiten, die im Durchschnitt eine bessere Voraussage abgibt. (Unsubstantiiert heißt, daß Wirtschaftliche Prognosen aus Modellen abgeleitet sind, die aus formellen VGR Gleichungen mit Phillips-Kurve und Quanti-Theorie abgeleitet sind.) Und egal, was da prognostiziert wird, eine (mit eigenen Wahrscheinlichkeitsparametern) gewürzte Prognose dürfte bessere Ergebnisse liefern, als alles das, was offiziell und politisch beeinflußt so zur Verlautbarung kommt.

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