Wie Volkswirte und Analysten mit Vorhersage die Entscheidungen in Unternehmen beeinflussen

by Dirk Elsner on 8. März 2009

Eine Frage, die ich mir häufiger in diesen Tagen stelle, ist die nach den Einflüssen der düsteren Prognosen und Medienmeldungen auf die Entscheidungen in Unternehmen. Im Gegensatz zu vielen Analysten, die häufig den Eindruck vermitteln, die volkswirtschaftlichen Makrodaten seien unabhängig von den Mikroentscheidungsprozesse von Unternehmen und Verbrauchern, bin ich von der Abhängigkeit der Größen überzeugt. Natürlich wissen das auch die Volkswirte und Analysten. Gleichwohl scheinen sie ihre Prognosen so zu treffen, als gebe es die Abhängigkeiten zwischen den Größen nicht.

Doch ich will hier nicht mein Wehklagen über sich selbst erfüllenden Prognosen fortsetzen, sondern schauen, welche Faktoren eigentlich die Entscheidungsprozesse in einem Unternehmen beeinflussen (können). Dazu habe ich aus meinem Skript zum anwendungsorientierten Management eine allgemeine formale Darstellung der Erfolgsfunktion eines Unternehmens herausgesucht, die zeigen soll, welche relevanten Faktoren die Unternehmensziele beeinflussen. Die Sicht auf die Komplexität der Unternehmenspraxis wird nämlich erleichert, wenn man eine Alltagsweisheit berücksichtigt, nämlich dass der erwartete Erfolg eines Unternehmens in der Realität von zahlreichen Faktoren abhängt.

Die Erfolgsfunktion eines Unternehmens könnte z.B. so aussehen

E(ZU) = f(G,S,M,H(mifi),F,I,P,O,F,X,C,W,R,U,e)

mit  E(ZU) als Erwartungswert für den Grad der Erreichung der Unternehmensziele und  f(..) der Funktion, die die Wirkungsprozesse aller Erfolgsdeterminanten auf die Erreichung der Ziele beschreibt sowie Z den Merkmalen der Unternehmensziele, wie z.B. den Gewinn und weitere Zielsetzungen.

Diese Erfolgsfunktion zeigt die vielen Abhängigkeiten, die Einfluss auf den Unternehmenserfolg nehmen können. Die Determinanten sind dabei untereinander nicht unabhängig und könnten wiederum durch Funktionen beschrieben werden. Über die Wirkungsstärke und -richtung der verschiedenen Einflussfaktoren gibt es wiederum unzählige Theorien und Hypothesen, die ich hier nicht darstellen kann. Ich belasse es einzig bei der Aufzählung der Faktoren, die die Ergebnisse in welcher Form auch immer beeinflussen (zur Legende der Faktoren siehe unten).

Die Informationen über erwartete Änderungen von Marktdaten aller Art, wie z.B. Konjunkturentwicklung, Inflationserwartungen, Zinsentwicklungen fließen hier in den Faktor M ein. Negative Prognosen führen dazu, dass das die Unternehmensziele sich ebenfalls verringern, wenn alle anderen Daten konstant bleiben. Mathematisch sollte das so aussehen.

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Aber lassen wir die Mathematik mal weg. Denn die Funktion zeigt auch, dass negative Prognosen durch andere Parameter kompensiert werden könnten, zumindest theoretisch. So könnte Unternehmen die Unternehmensstrategie S neu ausrichten, die Produktpalette bzw. deren Preise P ändern oder ihre Organisationsstruktur O so ändern, dass Kosten eingespart werden.  Bedauerlichweise können aber negative Erwartungen der Volkswirte auch dazu führen, dass weitere Faktoren negativ werden. So verschlechtern sich die Finanzierungsbedingungen F oder das Nachfrageverhalten der Kunden C. Da Wettbewerber W ebenfalls unter Druck geraten, kommen auch von dieser Seite Störungen, weil z.B. der Preiskampf härter wird.

Da Entscheidungen in der Managementpraxis nie auf Basis vollkommener Informationen und der Kenntnis aller Wirkungsfaktoren getroffen werden können, orientieren sich die in Unternehmen handelnden Personen an verschiedenen Hilfsindikatoren. So können z.B. die Informationen über Marktentwicklungen (hier M) dazu führen, dass die Unternehmensleitung Einflüsse auf verschiedene Komponenten erwartet, wie z.B. die Finanzierungsbedingungen (hier F) und das Verhalten der Kunden  (hier C).

Dies formale Darstellung zeigt, dass z.B. eine Zinssenkung, mit der die Finanzierungsbedingungen F verbessert werden, schnell verpuffen kann, wenn andere Merkmale sich negativ entwickeln. Der entscheidende Faktor, der aber in den Parametern selbst nur indirekt vorkommt und letztlich in der unbekannten Funktionsgleichung abgebildet wird, ist die Psychologie der Marktteilnehmer. In seiner “General Theory” hatte Keynes postuliert, “dass ein großer Teil unserer positiven Tätigkeiten mehr von spontanem Optimismus als von einer mathematischen Erwartung abhängt”. Dies hielt Keynes für eine zentrale Triebfeder der Wirtschaft: “Wenn die animalischen Instinkte abgedämpft werden und der plötzliche Optimismus stockt, wird somit das Unternehmertum schwinden und sterben – obschon die Angst vor Verlusten keine vernünftigere Grundlage gehabt haben mag als vorher die Hoffnung auf Gewinn.” “Die Wellen von Optimismus und Pessimismus verursachen große Veränderungen der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage”, schreiben Shiller und Akerlof.

Hier haben weder Politik noch Wissenschaft eine Formel gefunden, einfach einen Schalter umzulegen, um Optimismus anzuknipsen. Umgekehrt funktioniert der Mechanismus allerdings sehr gut. Durch negative Aussagen lässt sich der Optimismus schnell ausknipsen.

G = Merkmale der Corporate Governance-Struktur, also auch der Einflussnahme verschiedener Stakeholder auf die Unternehmensziele und -strategie

S = Merkmale der Unternehmensstrategie

H = Matrix der Merkmale der Menschen im Unternehmen, die die Leistungserstellung managen und durchführen oder sie beeinflussen mit ihren jeweiligen individuellen Motivationsfaktoren mi und individuellen Fertigkeiten fi, berücksichtigt sind hier auch die Beziehungen zwischen diesen Menschen (Human Factor). Einen herausragenderen Einfluss dürften hier das Top-Management und insbesondere der CEO haben.

F = Merkmale der Finanzierungsbedingungen eines Unternehmens über Geld- und Kapitalmärkte sowie das Angebotsverhalten der Finanzierungsinstitute (Banken, Leasinggesellschaften, Kreditversicherungen etc.)

I = Merkmale der zur Leistungserstellung benötigten Inputfaktoren, wie Material, zugelieferte Dienstleistungen mit Verfügbarkeiten, Qualitäten und Preise (incl. der Personalkosten)

P = Merkmale der Produkte und Dienstleistungen, die ein Unternehmen erstellt und zu erstellen plant; darin berücksichtigt sind technische Funktionalität und die Qualität der Produkte

O = Merkmale der Organisationsstruktur

F = Merkmale der Führungs- und Informationskultur im Unternehmen

X = Merkmale des externen Marketing-Mix

C = Merkmale der (potentiellen) Kunden insbesondere ihrer Bedürfnisstruktur, Preiselastizität und ihres Nachfrageverhaltens (Customer Behavior)

W = Merkmale des Verhalten der Wettbewerber um Kunden und Ressourcen

R = Merkmale der von Menschen insbesondere durch die Politik gesetzten institutionellen Rahmenbedingungen wie Recht, Infrastruktur, Technologie, Finanzmärkte, Moral, Ethnologie etc.

M = Informationen über erwartete Änderungen von Marktdaten aller Art, wie z.B. Konjunkturentwicklung, Inflationserwartungen, Zinsentwicklungen

U = Merkmale der nicht von Menschen beeinflussbaren physikalischen Umwelt wie Klima, Geografie etc.

e = Term für die bisher nicht explizit erfasste Merkmale Merkmal wird als ein Sammelbegriff für die gegenwärtigen und zukünftigen Ausprägungen von Eigenschaften, Verhaltensweisen, Charakteristika, Handlungen u. ä. der Merkmalsträger verstanden.

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