1 Jahr Obama: Note 1- vom Blick Log (mit Antrittsrede)

by Dirk Elsner on 19. Januar 2010

Unglaublich, wie die Zeit verfliegt. Vor genau einem Jahr sehnte die ganze Welt die Amtseinführung von Barack Obama herbei. Und morgen jährt sich seine Präsidentschaft zum ersten Mal. Schon vor Wochen waren die ersten Jahresbilanzen zu lesen. Die klingen erwartungsgemäß nicht mehr so euphorisch, wie die hochgesteckten Erwartungen zu Beginn seiner Amtszeit.

Meine persönlichen Erwartungen, die ich geschickterweise gar nicht erst ausformuliert habe, hat er dagegen voll erfüllt. Bereits unmittelbare nach seiner Wahl schrieb ich:

“Auf Barack Obama lasten sehr hohe Erwartungen. Die Wunschzettel an den künftigen Präsidenten dürften, wenn man sie hintereinander aufschreiben würde, mindestens den Textumfang aller Reden von Obama während des “epischen” Wahlkampfes erreichen. Klar, dass auch aus europäischer Sicht die Wirtschaftspolitik zu den zentralen Themen gehört. Immobilienkrise, Bankenkrise, einbrechende Konjunktur, steigende Arbeitslosenzahlen, Rückgang des privaten Verbrauchs und noch mehr Themen stehen auf der langen Agenda.

Alle Erwartungen wird er nicht erfüllen können. Die Aussagen aus seinem Wahlprogramm und seinen Reden lassen sich auch nicht annähernd mit diesen Erwartungen abgleichen.”

Obama hat eine sehr pragmatische Politik betrieben und dabei weniger Rücksichten auf persönliche Eitelkeiten genommen. Stark finde ich seine Eigenschaft, Fehler einzuräumen (dazu zuletzt hier). Kein Mensch ist fehlerfrei, nur tun viele so. Obama hat dies nicht nötig und hat einen neuen, sehr erfrischenden Stil auch in die internationale Politik gebracht.

Natürlich findet man viele Dinge zum Herumnörgeln. Aber die Nörgler kritisieren meist aus einer sofageschützten Überheblichkeit und übersehen die unglaublich vielfältigen Interessen, die ein Staatschef zu berücksichtigen hat. Und wie schwer es Obama allein aus rechtstechnischen Gründen hat, hat dieser Beitrag gezeigt.

Selbst im Umgang mit der Wall Street hat Obama den richtigen Weg getroffen. Er ist nicht rein populistischen Versuchungen erlegen, sondern hat im Spätwinter 2009 mit Zuckerbrot und Peitsche gemeinsam mit seinem Finanzminister und seinem Beraterteam die Trendwende eingeleitet. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten ist es seiner Administration gelungen, die Vertrauenskrise zu beenden und damit weltweit positive Signale zu setzen, von denen alle Länder und Branchen profitieren. Ob die Krise damit abschließend überwunden ist, lässt sich zwar derzeit nicht sagen. Wirkliche Handlungsalternativen dazu hat im vergangenen Jahr jedoch niemand aufzeigen können.

Allerdings will ich hier nicht blauäugig wirken, denn das systematische Vorgehen gegen die Finanzkrise in den ersten Monaten seiner Amtszeit ist mittlerweile einem populistisch angehauchtem Aktionismus gewichen. So verzögert sich in den USA wie in nahezu allen Ländern die Reform der Finanzmärkte. Außerdem hat er es verpasst, die vorgeschlagene Bankensteuer in einen sachgerechten Regulierungsrahmen einzubinden.

Dennoch, der Berg an Themen, den sich Obama mit seinem Team vorgenommen hat, ist gewaltig. Und es war von vornherein klar, dass dies nicht gleichzeitig zu managen ist, vor allem, wenn man an die problematischen Verhältnisse im Kongress denkt (siehe dazu Obamas Probleme mit dem Gesetz). Daher orientiert sich meine Bewertung auch nicht an einem utopischen Maßstab, sondern an realen Verhältnissen

Klar, Obama konnte nicht alle in ihn gesetzte Erwartungen erfüllen. Das wäre aber ohnehin logisch unmöglich, weil es viele gegenläufige Erwartungen gegeben hat, deren gleichzeitige Erfüllung ausgeschlossen ist. So kann etwa die Konjunktur nicht mit staatlichen Programmen angekurbelt werden und gleichzeitig das Staatsdefizit reduziert werden.

Das Minus gibt es für Obamas einzig schwachen Auftritt bei einem sehr wichtigen Thema, nämlich bei der Klimakonferenz in Kopenhagen. Er enttäuschte, weil er allein durch seine späte Anreise und frühe Abreise die nachgeordnete Priorität dieser Veranstaltung dokumentierte. Sein Aufruf zum Handeln wirkt so ausgesprochen unglaubwürdig (Dokumentation: Obamas Klima-Appell in Auszügen).

Ich denke, die Welt kann sehr zufrieden sein mit der Arbeit des US-Präsidenten. Von denjenigen, die sich nach einem Jahr enttäuscht oder desillusioniert zeigen, hätte ich gern einmal gewusst, wie sie es angepackt hätten. Auch Obama kann schließlich nicht zaubern.

Die Rede zum Amtsantritt von Barack Obama Rede in voller Länge gibt es hier.

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