Finanzmärkte ohne internationale Verkehrsschilder?

by Dirk Elsner on 25. Februar 2010

Die öffentliche Debatte (Übersicht hier) um die neue Finanzordnung unterliegt in diesen Zeiten erheblichen Schwankungen. Sehr intensiv diskutieren vor allem Fachleute verschiedenste Vorschläge zur Bankenregulierung (siehe dazu Mindmap für eine neue Finanzordnung). Ganze Bibliotheken lassen sich mit Büchern, Fachaufsätzen und Gutachten zu diesem Thema füllen.

Wie auch immer die neue, vermutlich international wieder sehr fragmentierte Finanzordnung aussehen wird, es wird so sein wie immer in den vergangenen Jahrhunderten. Der Wettlauf zwischen Ursachen von Finanz- und Wirtschaftskrisen und der daraus erwachsener Regulierung wird nie zu Ende sein: Unternehmen, Banken, staatliche Institutionen und andere Akteure werden sich wieder mit dieser Regulierung anfreunden bis es zum nächsten Showdown kommt. Ganz eindrucksvoll haben das Akerlof und Shiller in dem Buch Animal Spirits im Abschnitt über vergangene Finanz- und Wirtschaftskrisen dokumentiert.

Vergangene Woche hat der Blick Log in dem Beitrag “Wem die Regulierung im Finanzsektor wirklich nutzt” eine etwas andere Sicht auf die Regulierung geworfen. Ein Leser hat diesen Beitrag mit einem Zitat von Dani Rodrik, Professor of Political Economy an der Harvard University, kommentiert:

„In einer Welt getrennter politischer Souveränität und unterschiedlicher nationaler Präferenzen ist die Bemühung um internationale Harmonisierung ein Rezept für schwache und ineffektive Regeln. Das ist ein Grund, warum internationale Banker internationale Koordination lieben“

Das Zitat ist in dem Beitrag “Eine Argumentation gegen die internationale Finanzkoordination” zu finden, in dem sich Rodrik mit der Diskussion um die US-Regulierung auseinandersetzt.  Er schreibt u.a.:

“Globale Koordination klingt gut, wie auch globale Regierungsführung. Aber die Realität ist einfach, dass sie die strengen, für die jeweilige Volkswirtschaft und die politischen Erfordernisse maßgeschneiderten Regulierungen nicht liefern kann, die die Finanzmärkte in Folge der schlimmsten Finanzturbulenzen, die die Weltwirtschaft seit der Weltwirtschaftskrise erlebt hat, dringend benötigen.”

Rodrik plädiert dafür, auf die internationale Koordination der Regulierung zu verzichten und diese den nationalen Gesetzgebern zu überlassen:

“Wenn die USA die Größe von Banken beschränken und strengere Kapitalanforderungen einführen wollen, dann sollten sie dies auch tun können. Wenn Europa seine eigenen Regeln für Ratingagenturen und Hedgefunds einführen will, dann sollte es das einfach tun.”

Und für das grenzüberschreitende Geschäft sollte es nach Rodrik nur eine Regel geben und die klingt bestechend einfach:

“Die Regel müsste sein: wenn Du auf meinen Markt willst, musst Du meine Vorschriften einhalten.”

Diesen Vorschlag muss man einfach mal auf sich wirken lassen. Daneben bleibe ich bei meiner Auffassung, dass diejenigen die die Regulierung beherrschen, und das sind in der Regel die großen Institute, es sich bequem eingerichtet haben. Die durch neue, Regulierung entstehenden Markteintrittsbarrieren stören sie nicht, denn sie vertreiben schwächere Wettbewerber und halten neue Spieler vom Markt fern.

Vielleicht denkt man noch einen Schritt revolutionärer, wenn man an das Ergebnis eines in der FAS geschilderten Experiments des verstorbenen Verkehrsplaner Hans Monderman denkt:

“Der Niederländer war … der rebellischen Ansicht, dass alle Verkehrsregeln und -schilder samt Ampeln abgeschafft gehören, weil sie sämtliche Aufmerksamkeit beanspruchen, die für das sichere Steuern eines Autos notwendig ist. Lediglich zwei Dinge seien zu beachten: Dass sich alle Fahrzeuge auf der rechten Straßenseite bewegen. Und dass an Kreuzungen weiterhin rechts vor links gilt. Die EU finanzierte auf Mondermans Anregungen hin ein ganzes Bündel von Projekten in ausgewählten europäischen Kleinststädten, bei denen nicht nur Ampeln und Schilder entfernt, sondern obendrein Kinderspielplätze und störende Hindernisse mitten auf die Fahrbahn gesetzt wurden, so dass kaum noch zwei Autos und ein Fahrrad nebeneinander fahren konnten. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen überraschte alle, bis auf Monderman.

Tom Vanderbilt, der den Forscher noch auf einigen seiner Missionen begleiten konnte, beschreibt, wie Autofahrer, Radler und Fußgänger einander plötzlich wieder Aufmerksamkeit schenkten, weil es ihnen nun schlicht an anderen Anhaltspunkten fehlte. Leider funktioniert Mondermans Prinzip bislang nur, wenn sich die Verkehrsteilnehmer mit einer Geschwindigkeit von weniger als dreißig Kilometern pro Stunde fortbewegen. Das entspricht im Übrigen dem Tempo einer rasenden Ameise, wenn man ihre Dimensionen auf die eines durchschnittlich großen Pkws hochrechnet.”

Dieses Beispiel aus der Verkehrswissenschaft ist recht erstaunlich und könnte für die Finanzmärkte ein Denkanstoß sein, darüber nachzudenken, was passiert, wenn man versucht, mit einem Minimum an Regeln auszukommen. Leider wird aus diesem Gedanken nichts werden, denn er passt nicht in die Zeit und ist politisch nicht opportun. Volk und Experten schreien nach neuen Regeln, um die Märkte zu bändigen. Daraus entstehen dann so sinnfreie Vorschriften, wie die Pflichtprotokollierung von Beratungsgesprächen. Sie werden die neuen Regeln bekommen bis die nächste Krise kommt. Anschließend wissen die Fachleute wieder, was falsch gelaufen ist und wie man es künftig besser machen kann. Shiller und Akerlof können dann in ihrer zweiten Auflage darüber berichten.

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