G20-Finanzminister-Treffen überflüssig: Die neue Finanzordnung wird scheitern

by Dirk Elsner on 23. April 2010

Heute treffen sich die Finanzminister der G20, um über die neue Finanzordnung nachzudenken. Ich weiß allerdings nicht, warum Politiker und Aufsichtsbehörden in der Welt überhaupt noch über die Finanzregulierung diskutieren, denn ich halte sie mittlerweile für gescheitert. Offenbar soll die Empörung bei Medien und Bevölkerung noch im Saum gehalten werden. Dabei gibt es mittlerweile mehr als deutliche Zeugnisse für ihr Hinscheiden.

Die noch vor einem Jahr demonstrierte Entschlossenheit, eine neue Finanzarchitektur zu entwickeln, ist längst einem Klein-Klein der Tagespolitik gewichen. In einem Brief schreiben die EU-Finanzminister etwa an die Gruppe der 20 größten Industrie- und Schwellenländer: „Wir sind bereit … die Machbarkeit von global koordinierten Prinzipien zu prüfen, um eine Beteiligung des Finanzssektors an von ihm selbst verursachten negativen externen Effekten sicherzustellen.“ Handlungsdruck klingt anders.

Im Tagesgeschäft zwischen Politik und Finanzmärkte wird die neue Ordnung sehr zur Freude der Lobbyisten zerrieben. So etwa wurde gerade der Konsultationsprozess zu den neuen Eigenkapitalrichtlinien und zur Liquiditätsausstattung (im Volksmund Basel III genannt) abgeschlossen. 252 Briefe sind beim Basel Committee of Banking Supervisors eingegangen. Ohne im Detail auf das Werk einzugehen (hier über diese Seite nachzulesen), es potenziert noch einmal die bereits durch Basel II geschaffene Komplexität, die viele Banken operativ kaum noch werden umsetzen können. Außerdem wird das Regelwerk nicht von allen Staaten anerkannt, woraus Wettbewerbsnachteile befürchtet werden.

Ein weiteres Beispiel sind die umstrittenen neuen EU-Regeln für Hedge-Fonds und Private Equity ("Alternativen Investmentfonds-Managern" (AIFM). Sie stoßen selbst in Unternehmen außerhalb der Finanzwirtschaft auf Widerstand. Der Prozess stockt und auch hier wollen die USA einen anderen Weg gehen und die Finanzindustrie nicht so weitgehend beschränken, wie das in Europa angedacht wird.

Selbst vergleichsweise einfache Regeln, wie etwa die EU-Prospektrichtlinie stocken, weil es zwischen EU-Parlament und EU-Kommission unterschiedliche Vorstellungen gibt. Dabei könnte gerade hier eine Entschlackung die unbedingt notwendige Kapitalbeschaffung für mittelständische Unternehmen erleichtern. Befürchtet wird aber, dass dies zu Lasten des Anlegerschutzes gehen könnte.

Ansonsten muss man nur einmal einen Blick in die Mindmap der neuen Finanzordnung werfen, um zu schauen, an welchen Stellen (vergeblich?) geschraubt wird. 

Finanzminister Schäuble will eine Finanzmarktreform, die die Wiederholung der aktuellen Krise unmöglich macht. Ich glaube, da braucht er gar nichts tun, denn ein solche Krise wird sich in genau dieser Form, mit genau diesen Ursachen nicht wiederholen. Eine neue Krise wird neue Ursachen haben. Und diese Ursachen werden selbst mit einer neuen Finanzordnung nicht geändert. Viele der angedachten Vorschläge erhöhen dagegen noch weiter die Komplexität im Tagesgeschäft der Finanzmärkte und erschweren übrigens auch die Aufsicht, die ja durch irgend jemand zu leisten sein muss.

Ich finde es schade, dass nicht über weniger Vorschläge, dafür aber qualifizierter nachgedacht wird. Nach meiner Auffassung sollte man den Basel III Prozess sofort einstellen und stattdessen Basel II deutlich entschlacken. Vielleicht könnte sogar ausreichen, wenn man den Banken und Marktteilnehmern glaubhaft deutlich klar macht, dass es eine Bankenrettung in der 2008/9er-Fassung nicht mehr geben wird. Eine Bank, die Staatshilfe in Anspruch nimmt, wird in jedem Fall mit staatlicher Unterstützung abgewickelt. Einleger können bis zu einem gewissen Grad durch Sicherungsfonds geschützt werden. “Normale” Gläubiger tragen dieses Abwicklungsrisiko mit und sollten sich daher überlegen, zu welcher Bank sie ihr Geld tragen. Banken selbst hätten dadurch genügend Anreize für gute Bonität zu sorgen und diese entsprechend am Markt zu signalisieren.

Die aktuelle Debatte jedenfalls ist nur noch von nationalen Partikularinteressen dominiert. Um eine wirksame neue Finanzordnung geht es dabei schon lange nicht mehr. Einzig den Wählern mag man das so noch nicht sagen. Dabei wäre es doch hoch interessant einmal eine Deregulierungsdebatte zu führen (siehe dazu Finanzmärkte ohne internationale Verkehrsschilder?)

 

Beiträge zur Finanzordnung im Blick Log

Wem die Regulierung im Finanzsektor wirklich nutzt (16.2.10)

Vorgeschlagene Bankenabgabe macht Sinn wg. Internalisierung externer Effekte (29.3.10)

Regulierung im Finanzsektor: Die Mindmap der Großbaustellen einer neuen Finanzordnung (4.2.10)

Stockende Reformbemühungen und Lobbyarbeit im Finanzsektor (29.1.10)

Diskussion und Reaktionen zur Strukturreform im US-Bankensystem (25.1.10)

Siehe außerdem Sonderseite Zur neuen Finanzordnung

Robert Michel April 23, 2010 um 22:05 Uhr

Von eminenter Bedeutung ist es die beschränkte Haftung für Banken aufzuheben. Erst wenn die Eigentümer für Risiken haften, die über das Eigenkapital hinausgehen, haben sie ein Interesse diese Risiken auch zu kontrollieren.

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