Vergangene Sonntag habe ich in einem Beitrag über die Wirtschaftsblogszene noch die mangelnde Vernetzung der Wirtschaftsblogs beklagt. Selten hat ein Beitrag in diesem Blog so viele Kommentare erhalten, was mich außerordentlich gefreut hat. Einen deutlich bedeutenderen Beitrag zur Vernetzung der Wirtschaftsblogger hat aber die Peer-to-Peer-Kreditbörse Smava geleistet. Smava genießt unter den Wirtschafts- oder Finanzblogs hohe Anerkennung und Aufmerksamkeit.
Und ausgerechnet Smava hat mit einem Blogwettbewerb ein kleines Eigentor geschossen und einige Wirtschaftsblogger verärgert. Das ist einigen Blogeinträgen zu entnehmen, vor allem aber meinem Posteingang. Selten hatte ich in so kurzer Zeit mit so vielen Bloggern so viel Kontakt zu einem Thema. Dabei hatte ich mich gar nicht zu dem Thema in meinem Blog geäußert. Nun will ich hier nicht die Korrespondenz offenlegen. Aber zwei Dinge fand ich bemerkenswert:
- Die Szene wacht auf, nimmt sich selbst wahr und diskutiert über Qualität.
- Die Vernetzung der Wirtschaftsblogs steigt.
Smava hat damit der zart erwachenden Szene einen guten Dienst erwiesen, weil die Art der Wettbewerbsgestaltung diese Diskussion erst ermöglicht hat. Deutlich hat Lothar Lochmaier, der mit seinem Blog Social Banking 2.0 selbst zu den Finalisten gehört, die Kritik in diesem Beitrag herausgearbeitet.
Zurecht wird kritisiert, dass ausgerechnet der Blog eines Jury-Mitglieds ins Finale gekommen ist. Immerhin hat Smava schnell reagiert und diesen aus den Wettbewerb genommen. Ein weiterer Blogger, der mir schrieb, kritisierte das Abstimmungsverfahren und fand sich zu Unrecht im oberen Feld. Bemerkenswert, dass er sogar Smava vorschlug, den Wettbewerb zu annullieren. Auch Marc Schmidt von den Börsenbloggern formuliert trotz Nominierung in einem Beitrag einige kritische Gedanken und hebt vor allem die manipulierbare Abstimmungstechnik hervor.
Schade, ich hätte gern noch gelesen, was Börsenpoint in dem Beitrag “Die Smava-Lüge” geschrieben hat, aber der Beitrag wurde entfernt. Dieser Beitrag wäre deswegen interessant, weil der vom gleichen Betreiber initiierte Blog Finanztrader derzeit deutlich die Abstimmung anführt. Vielleicht ist die Nichtveröffentlichung aber besser, dass dieser Beitrag nicht erscheint, weil dies die Stimmung noch mehr hochgekocht hätte
Ich kann auch den Frust der Börsenfrau verstehen (freilich nicht den Schuss gegen die Blogger), die zunächst in Führung lag. Ihr wurden Stimmen abgezogen, nur weil mehrfach von der gleichen IP-Adresse abgestimmt wurde. Technisch weisen Computer aus Unternehmen die gleiche IP-Adresse aus, auch wenn von verschiedenen Arbeitsplätzen gevotet wird.
Dennoch denke ich, ein echter Aufreger ist das Thema nicht. Es mahnt freilich, Abstimmung und Preise und vor allem sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen, denn “in der “Masse” der verteilten webbasierten Aufmerksamkeitsökonomie“ sind die Wirtschaftsblogger ziemlich unbedeutend, wie Lochmaier dies in einem weiteren Beitrag richtig schreibt.
Die Wirtschaftsblogs sollten sich mit wichtigeren Themen beschäftigen und die Energie, die sie jetzt in die Kritik an Smava stecken, für andere Themen aufheben, die man vielleicht auch einmal gemeinsam verfolgen kann. Es gibt lohnswertere Kritikziele als Smava, deren Geschäftsmodell hier glücklicherweise nicht unter Beschuss steht.
Nachtrag v. 1./2.3.2010
Wie ich höre, macht sich Smava Sorgen um den Ruf des Wettbewerbs, der wirklich die Absicht hat, die Wirtschaftsblogszene in Deutschland zu fördern. Smava hat bereits reagiert und Änderungen zum Prozedere erläutert.
Wie ernst Smava den Wettbewerb nimmt, zeigt sich auch daran, dass man sogar am Wochenende darüber beraten hat und Geschäftsführer Alexander Artopé persönlich versucht, die Blogszene zu verstehen. Dies habe ich bisher noch von keinem Finanzhaus gehört. Aber genau das zeichnet das Web 2.0 aus. Kritik ernst nehmen, sich mit den „Kunden“ befassen und im Zweifel ändern.
Die Emotionen sind schon längst wieder heruntergekocht, wie das etwa auch die Börsenfrau sehr schön ausdrückt. Auch der Blick Log sieht den Wettbewerb sportlich. Ich freue mich über den per Mail und durch Blogbeiträge erhaltenen Zuspruch, derjenigen, die den Blog gern im Finale gesehen hätten (ist aber kein Finanzblog). Das hätte ich ohne den Wettbewerb gar nicht erfahren und ist eine schöne weitere Motivation für den Blog.
Ich habe natürlich meine heimlichen Favoriten, verraten werde ich die aber nicht :-). Aber ich denke, die Blogs spiegeln gut das Spektrum der Finanzblogszene wieder.
Abschließend noch einmal meinen Respekt für die Reaktion von Smava und Danke für die Quasi-Geburtshilfe der Finanzblogszene.
Ich denke, daß SMAVA es im Grunde gut gemeint hat – und wie so oft fällt man halt mit „Gut gemeint“ auf die Nase. Der Anstoß aber ist getan – und das alleine ist doch positiv! Wenn die deutsche Bloggerszene, insbesondere der wirtschaftsbezogenen Blogs, dadurch einen Impuls und mehr Aufmerksamkeit bekommt, ist dies, meine ich, nur zu begrüßen. Daß man sich bei einem solchen Wettbewerb der Kritik stellen muss, ist (auch im WEB 2.0) normal, daß man sich nicht jeden Schuh anziehen muss, auch. Zur Vernetzung: Ich freue mich jedenfalls, daß Bloggerforum-Wirtschaft.de es binnen eines Monats geschafft hat, nicht nur eine Reihe von Klasse-Autoren zu gewinnen, sondern auch bei Google unter den Suchbegriffen „Blogger“ und „Wirtschaft“ auf Position Nr. 1 – vor der Bloggerei zu kommen. Kein Grund zum Größenwahn, einfach ein hoffnungsvoller Start mit hochinteressanten Beiträgen. Let’s rave!
Hallo Herr Gehrmann, hallo Herr Elsner,
ich habe soeben den Einsatz von Herrn Artopé für die Wirtschaftsblogs in meinem Artikel
http://www.dieboersenfrau.com/blog/die-borsenfrau-website/insides/boersenfrau
gewürdigt. Ich kann nur den Hut ziehen. Herr Artopé hat sich wirklich mit viel Herzblut und sehr professionell für uns Wirtschaftsblogger eingesetzt. Ich hatte ein ausgezeichnetes Gespräch mit ihm. Nun ist es an der Zeit, dass wir Wirtschaftsblogger uns ebenso professionell und engagiert zeigen.
Es grüsst Sie herzlich,
Gertraud Pourheidari
Hallo Herr Elsner,
mittlerweile ist auch ein Beitrag von Herrn Artopé selbst online gestellt worden. Zu finden unter: http://www.smava-blog.de/2010/03/01/finance-blog-of-the-year-geht-in-den-endspurt/
Wir wollen auch damit noch einmal bekräftigen, wie viel uns an dem Wettbewerb liegt.
Viele Grüße,
Oliver Gehrmann
Solche Abstimmungen haben immer genau dieses Problem: Jemand behauptet, da würde irgendjemand anderes betrügen. Würde ich nicht überbewerten. Ich mache deshalb bei einem solchen Mist erst gar nicht mit, auch wenn die mich jedes Mal wieder anschreiben. Wenn die einen Link bei mir haben wollen, sollen die Werbung kaufen.
Glaubt denn jemand, dass von Smava nennenswerter Traffic kommt? Und die Blogs und die Beiträge die ich mag, tauchen eh in meinem Blog und meinen Beiträgen auf.
So what? Regt Euch ab.
Smava optimiert seinen Page-Rank mit der Aktion und im Gegenzug bekommen die Blogger fast nix. Außer dass sie sich anfangen zu zerfleischen 😉 Naja, in dem Fall zum Glück nicht, da trifft es mit Smava den Richtigen.
Verlinkt lieber die Artikel aus der Blogosphäre, die ihr mögt. Wenn ihr zum gleichen Thema was geschrieben habt, weist ruhig in den Kommentaren darauf hin. Wenn es zum Thema ist, ist das kein Problem. Beim Thema zu bleiben, Gedanken zu ergänzen, etc. bringt langfristig eh viel mehr als sich die 18. Badge auf die Site zu klatschen.
Und bevorzugt Blogs vor Handelsblatt, FTD, etc. Die bekommen schon genug Links. Vielleicht sollte man sich lieber koordinieren und bestimmte Leute bestimmte Sachen schreiben lassen. Z.b. Saviano vom Böersennotizbuch zu Sentiment-Sachen, Wirtschaftsquerschüsse zum Arbeitsmarkt, ich zu Case-Shiller, … Und dann verlinkt jeder, der dazu seinen Senf geben möchte, zu dem Blogger und nicht zu FTD/FAZ/…
Hallo Herr Elsner,
noch ein Nachtrag: hupps, I did it – a little mistake: Der Gewinner des Smava-Wettbewerbes „Kredite ohne Klemme“ fliegt oder flog nicht nach Amerika bzw. zum Big Apple, sondern gewann „nur“ 800 Euro in Cash. Für eine Reise nach Manhatten und die Wall Street reicht das noch nicht aus.
mfg
Lothar Lochmaier
Hallo Herr Elsner,
Smava: Die virtuelle Kreditschraube klemmt
gute Zusammenfassung – in der Tat, das Thema wird die Welt wohl kaum aus den Angeln heben. Dennoch gibt es für alle Beteiligten viel zu lernen. Ich hoffe, die Hinweise aus dem Social Media Universum werden ernst genommen. Professionalität und Transparenz sind gefragt. Smava kann sogar an Profil gewinnen, wenn man die richtigen Lehren zieht.
Dazu ein weiteres Beispiel: Am 16.12. hat Smava nach einem Leserwettbewerb den neuen Slogan „Kredite ohne Klemme“ als den besten gekürt. Das klingt wirklich gut, und soll lt. Aussage von Smava den bisherigen Werbespruch „Kredite von Mensch-zu-Mensch“ ersetzen. Der Gewinner durfte nach New York.
Schaut man sich die aktuelle Homepage an, so ist seitdem gar nichts mehr passiert. Weder ist der aus dem „Social Smava Media Universum“ in einem Wettbewerb ermittelte Werbespruch auf der Homepage präsent, noch ist eine Roadmap angekündigt, wann und in welcher Form dies der Fall sein wird.
http://www.smava-blog.de/2009/12/16/slogan-smava-kredite-ohne-klemme-macht-das-rennen/
Es gibt hier offenbar ein kleines „Gap“ zwischen Anspruch und Umsetzung, das daraus resultiert, dass man Social Media mittlerweile als „add-on“ und „nice to have, but no basic need“ ansieht, statt es als elementaren und vitalen Bestand an der Schnittstelle zwischen strategischer (in- und externer und damit integrierter) Unternehmenskommunikation zu sehen.
Ich persönlich sehe das Ganze übrigens recht distanziert und mit einer Prise undeutschem Humor. Shit happens. Aber man sollte schon draus lernen, sonst werden einem als Überflieger die Flügelchen etwas gestutzt. Und Social Media im Bereich von Banken sollte schon mehr sein als der nette Versuch, die Community – das ist das einzige unternehmerische Kapital, über das Smava wirklich verfügt, nicht die Riege der Investoren, beliebig einzusetzen, und wenn es nicht mehr nötig ist, auch mal aufs Abstellgleis zu schieben.
Insgesamt, so ist mein Fazit, ist die Szene der Wirtschafts- und Finanzblogger noch längst nicht auf dem Radar von Wirtschaft, Finanzspielern und den Medien. Dazu muss man sicher auch eigene Hausaufgaben erledigen und an der eigenen Professionalisierung feilen. Aber es wäre auch die Aufgabe der Platzhirsche, nicht immer nur amerikanische Starblogger einzuladen, die man dann auf Fachkongressen anhimmelt, weil Amerika weit weg ist, und wir dann in Deutschland mit dem sozialen Internet nichts unternehmen müssen.
Mir sind die deutschen geistigen Schubladen seit Jahren ein Dorn im Auge. Aber glücklicherweise bricht sich Neues und eine Innovation irgendwann auch hierzulanden seinen Lauf, wenngleich wir es lieben zu diskutieren um nichts tun zu müssen, um als „virtuelle Nachhut“ denn als Vorreiter im sozialen Webuniversum zu agieren.
Mit freundlichen Grüssen
Lothar Lochmaier
Meinen Beitrag habe ich entfernt um diesen zu überarbeiten. Weil ich glaube, das mein Beitrag zu sehr von meiner Wut getrieben wurde:) Ich werde diesen aber nachreichen. Im Grunde beinhaltet mein Beitrag ein zentrales Thema, das Abstimmungsverhalten der Wähler. Ich habe dieses mal genaustens analysiert und mir stehen die Haare zu Berge:)Deshalb sollte Smava das Voting einstellen und die Jury soll entscheiden. Aber wie du schon geschrieben hast, es gibt wichtigere Themen als den Wettbereb. Ich werde mich jetzt wieder auf das Wesentliche konzentrieren.
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