Absurdistan um Verteufelung der Credit Default Swaps

by Dirk Elsner on 12. März 2010

Complexity 3

Complexity 3 (Foto: flickr/michael.heiss)

Wow, so viel wie in den letzten drei Wochen konnte man selten auf Blogs (hier insbesondere von econbusinessgermany und Valuation in Germany) und Pressesites (siehe unten) über Kreditversicherungen mit dem unhandlichen Namen Credit Default Swaps (=CDS, gut erklärt im Handelsblatt) lesen. Eine ähnliche “Popularität” hatten diese Instrumente nur nach der Pleite von Lehman und der Rettung des Versicherungsriesen AIG. Beide hatten große Positionen als Versicherungsgeber gehalten und hätten bei Ausfall oder verschlechterter Bonität eines Schuldners zahlen müssen. Geschäfte mit diesen Instrumenten haben durch inkompetentes Risikomanagement einen Beitrag zur Eskalation der Finanzkrise geleistet, sie aber sicher nicht verursacht (dazu Mindmap der fundamentalen Ursachen und des Mindsets).

Die Position des Blick Logs zu diesen sogenannten Kreditderivaten (Einmaleins dazu hier) ändert sich durch die aktuelle Debatte nicht. Die Kritiker übersehen, dass es zu jeder Position, die per CDS  gegen Griechenland “wettet”, auch Positionen geben muss, die das Gegenteil erwarten. Jedem auf steigenden Prämien spekulierendem Käufer steht auch ein Verkäufer gegenüber. Sind die Prämien unrealistisch hoch, dann müssten, zumindest nach der reinen (freilich umstrittenen) Lehre, Spekulanten auftauchen, die stärker auf eine Rückgang der Prämien setzen.

Es würde sich außerdem kaum etwas ändern, wenn der Handel in Kreditderivaten, wie vom Bund erwogen, verboten oder eingeschränkt würde. Der Preis für neue Anleihen bildet sich letztlich am Markt über Angebot und Nachfrage. Wenn die großen Kapitalstaubsauger  keine griechischen Bonds zeichnen wollen, muss Griechenland entweder die Zinsen erhöhen oder auf die Emission verzichten. Diese Zinserhöhung treibt somit automatisch den Spread, sprich die Risikoprämie. Die CDS ermöglichen lediglich, diese Risikoprämie zu handeln.

Das kann man verrückt finden, macht aber genau so viel oder wenig Sinn, wie der Abschluss einer Rückversicherung, die für Versicherungsgesellschaften notwendig sind, um Risiken zu streuen. Auch mit solchen Rückversicherungen spekulieren übrigens Investoren. Will man sie deswegen verbieten? Kaum, bzw. vermutlich wird dann der Ruf nach Verboten laut, wenn ein Rückversicherer in Schieflage gerät.

Ein Verbot ist auch deswegen unsinnig, weil man unmöglich einen Kapitalgeber die Form der Absicherung vorschreiben kann. Beantrage ich für ein Unternehmen einen Kredit, dann verlangt eine Bank in der Regel ebenfalls Kreditsicherheiten, wie etwa eine Bürgschaft. CDS sind eigentlich ein 0815-Produkt, nämlich wirtschaftlich (nicht juristisch) eine Bürgschaft, nur klingt das ja nicht gerade sexy: Gezahlt wird bei Ausfall bzw. Bonitätsverschlechterungen. Der Vorteil eines CDS ist, hier steht ein Preis dran und er kann munter gehandelt werden.

Ebenso unsinnig scheint mir, die Spekulation an den Finanzmärkten per se zu verteufeln. Wer spekuliert, übernimmt in der Regel Risiken, für die er mit einer dem Risiko entsprechenden Belohnung rechnet, aber auch Verluste in Kauf nehmen muss. Wer freilich bestimmte Handelspositionen einnimmt und anschließend mit welchen Mitteln auch immer das Ergebnis, auf das er spekuliert, beeinflusst, ist kein Spekulant, sondern ein Krimineller. Solche Manipulationen müssen bestraft werden, weil sie die Märkte schädigen. Es kommt ja auch niemand auf die Idee, Fußballspiele zu verbieten, weil die Wettmafia versucht hat, Spiele zu manipulieren.

Ebenfalls keine Spekulation ist es, wenn Institute, wie es etwa Goldman Sachs unterstellt wird, Insiderkenntnisse (hier über die wahre Lage des griechischen Haushalts) ausnutzt. Das ist Moral Hazard in opportunistischster Reinform. Man kann nicht auf der einen Seiten Griechenland beraten, auf der anderen Seite von Geschäften profitierten, mit denen praktisch auf den Schaden der eigenen Beratung gewettet wird. Dagegen hilft aber kein Verbot von Kreditderivaten, sondern nur die Inanspruchnahme auf Schadensersatz und die Verweigerung von Geschäften mit diesen “Dienstleistern” (siehe dazu auch “Schmutzige Tricks von Goldman Sachs für Griechenland verursachen Milliarden-Schaden”).

Erschreckt, dass bisher wenig Reaktionen aus der Finanzbranche zum Thema zu hören sind. In den USA dagegen rührt sich derweil der Unmut der Wall Street (siehe Wall Street Moves to Shape CDS Rules). Allerdings hat es die Branche bisher nicht geschafft, die bereits vor 18 Monaten geforderte Clearingstelle für Credit Default Swaps einzurichten und zu unterstützten. Die meisten Geschäfte werden weiterhin “over the counter” abgewickelt. Das hier der Verdacht der Konspiration entsteht, sollte sie daher nicht überraschen.

Die Politiker, die sich jetzt Spekulanten und gefährliche Instrumente echauvieren, haben es übrigens ebenfalls versäumt, rechtzeitig die Weichen zu stellen. Sie haben nicht nur den Kopf vor den Problemen Griechenlands in den Sand gesteckt, sondern sich heillos verstrickt in der Architektur für eine neue Finanzordnung.

Übersicht der Beiträge der letzten Tage zum Thema

dRadioWissen: Versicherungen als Spekulationsobjekte

FTD: Merkel will Spekulation auf Staatsbankrotte stoppen

NZZ: Gefährliche Verteufelung der Kreditderivate

Nigecus: Nachtrag zu Derivaten: Überzeichnete Wetten

FTD: Weg mit den ungedeckten CDS

FTD: Warum schon George II. CDS-Papiere verteufelte

SZ: Spekulanten an die Leine

ETD: Staatsfeind Nummer Eins – Der Spekulant!

VIG: Reich werden gegen Griechenland

BFW: Spekulation ist weder schädlich noch sollte sie verboten werden, auch nicht bei griechischen CDS

HB: Hedge-Fonds: US-Regierung ermittelt gegen Spekulanten

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