Griechenland-Hilfe: Bund wird zum größten Spekulanten, wenn er 40 Mrd. Kredite nicht absichert

by Dirk Elsner on 3. Mai 2010

Vorvergangene Woche forderte Bundeskanzlerin Merkel strengere Vorgaben für die Finanzmärkte. Mit Blick auf die Griechenland-Krise sagte sie in einer Videobotschaft, es werde immer noch zu viel spekuliert. Merkel verurteilt die Spekulation und wird selbst zum größten Spekulanten, denn mittlerweile ist Klarheit in die Unterstützung für Griechenland gekommen.

Die Finanzminister der Euro-Zone haben ein Kreditpaket für Griechenland im Gesamtumfang von 110 Mrd. Euro beschlossen. 80 Mrd. Euro kommen aus der Euro-Zone, der Rest vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Deutschlands Anteil beträgt rund 22 Milliarden Euro, der auf die nächsten drei Jahre verteilt werden soll. In diesen Tagen werden die gesetzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, so dass nun endlich auch die Details bekannt werden dürften. Am 7. Mai wollen die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone das Paket abschließend auf den Weg schicken.

In der vergangenen Woche hatte der Blick Log bereits die Kosten dieser Unterstützung für Deutschland berechnet, allerdings noch auf der Basis von 8,4 Mrd. Euro Unterstützung. Als Ergebnis errechnete ich etwa 500 Mio. Euro an Kosten, wenn der Bund bzw. die KfW sich fachgerecht und rechtzeitig gegen das Ausfallrisiko entsprechend absichern. Nun sind die Gesamtkreditbeträge, die Deutschland tragen möchte, fast fünf Mal so hoch. Die Absicherungskosten sind derzeit noch nicht bekannt, auch weil noch nicht klar ist, wie sich der Markt für griechische Staatskreditversicherungen entwickelt. Die Absicherung erfolgt über Kreditderivate, insbesondere den sogenannten Credit Default Swaps. Sie senken das Risiko für die Kreditgeber und verlagern es auf die Finanzmarktteilnehmer, die das Risiko tragen können, um durch die Risikoprämien wie eine Versicherung Geld zu verdienen.

Ich bleibe bei der Auffassung und halte es für fahrlässig, wenn Deutschland auf die Absicherung der Kredite an Griechenland vollkommen verzichten würde. Kein Unternehmer beliefert ein stark ausfallgefährdetes Unternehmen, wenn es nicht eine bestimmte Form der Absicherung erhält. Wenn ich von Politikeraussagen lese, Deutschland könne mit der Kreditvergabe sogar viel Geld “verdienen”, wenn Griechenland ordentlich zurückzahlt, dann wäre dies eine beispiellose Spekulation zu Lasten der Steuerzahler. Der Bund würde dann genau das machen, was vielfach verurteil wird: Er geht eine offene, ungesicherte Risikoposition ein und hofft, dass sich seine Erwartungen (auf Rückzahlung) erfüllen. Nichts anderes machen Spekulanten.

Man könnte gegen die hier vertretene Position einwenden, dass an den Finanzmärkten “Versicherungsschutz” in dem hier benötigtem Umfang gar nicht erhältlich sei. Das lässt sich aber im Zweifel kaum beurteilen, weil der Markt für die Kreditversicherungen weiterhin ausgesprochen intransparent ist. Vor Ausbruch der Finanzkrise im Herbst 2008 soll das Volumen dieses Marktes 62 Billionen US$ betragen haben (Quelle: WSJ). Die Absicherung der Griechenlandkredite bewegt sich bei dieser Zahl im Nachkommabereich. Außerdem müssen die Kreditversicherungen ja nicht an einem Tag abgeschlossen werden, sondern werden über einen längeren Zeitraum verteilt. Eine Absicherung ist mithin sehr wohl vorstellbar.

Eine nicht abgesicherte Kreditvergabe bleibt höheren Risiken verbunden und hat spekulativen Charakter. Aber vermutlich wird Frau Merkel in “gute” und “böse” Spekulation unterscheiden. Hier handelt es sich in der Lesart der Bundesregierung wohl um eine gute Spekulation.

Aktuelle Presseberichte

HB: Bankrott abgewendet: Euro-Finanzminister stimmen Griechenland-Hilfen zu: Die Finanzminister der Euro-Zone haben am Sonntag das milliardenschwere Hilfspaket für Griechenland auf den Weg gebracht. Das Land soll 110 Milliarden Euro erhalten. 80 Milliarden Euro werden von den Staaten der Euro-Zone, der Rest vom Internationalen Währungsfonds (IWF) aufgebracht. Deutschland beteiligt sich mit rund 22 Milliarden Euro.

FTD: Finanzindustrie soll Athen helfen Der Internationale Währungsfonds und die Euro-Länder wollen Griechenland vor der Pleite retten – und bürden dem Land einen drakonischen Sparkurs auf. Deutschland und Frankreich fordern nun: Zahlen sollen auch die Banken.

HB: Drastische Kürzungen: Griechenland muss 30 Milliarden sparen: Griechenland will mit einem radikalen Sparprogramm erreichen, bis zum Jahr 2014 die von der EU erlaubte Schuldengrenze für seinen Haushalt einzuhalten. Dazu sind über die kommenden drei Jahre Kürzungen von 30 Milliarden Euro geplant. „Oberstes Gebot ist die Rettung des Vaterlandes“, sagte Ministerpräsident Giorgios Papandreou.

FTD:  Ein Hoch auf Euro, Griechen, Märkte :Das Traurigste am Griechen-Drama ist, dass wieder soviel Unsinn geredet wird, wieder unnötige Hysterie erzeugt wird und wieder mal die Verantwortungskette vernebelt wird. Das ist es, was dem Euro schadet, nicht marktgerechte Zinsen.

HB: Reaktionen: Viel Lob für Griechenlands Sparwillen Griechenland erhält viel Lob aus der EU für seinen angekündigten Sparkurs. Das Land erkauft sich mit seinen drastischen Maßnahmen Finanzhilfen bis zu 120 Milliarden Euro. Die Bundesregierung will das Gesetzgebungsverfahren für die Griechenland-Hilfe noch in dieser abschließen.

dels Mai 3, 2010 um 19:52 Uhr

Viele interessante Antworten, die aber meine Sichtweise nicht verändern.

@m106 Davon, dass Griechenland gar keine Verbindlichkeiten zurückzahlt, geht niemand aus. Der Bund kann sich nur bei dem versichern, der das Risiko auch tatsächlich tragen kann. Weil das nicht mehr so viele sind, sind ja auch die Risikoprämien so gestiegen. Die indirekte Rettung des Finanzsektor, aber auch von Unternehmen, die hohe Außenstände gegenüber Griechenland haben spielt vermutlich eine zentrale Rolle im politischen Kalkül. Dies ändert jedoch nichts daran, dass eine Absicherung des Risiko sinnvoll wäre.

@Johannes: Was eine Absicherung bringen würde, habe ich in den Beiträgen geschrieben. Natürlich stehen dem Kosten gegenüber. Ohne diese Absicherung trägt der Bund aber ein noch viel höheres Kostenrisiko. Er kann natürlich politisch entscheiden, dies dem Steuerzahler aufzubürden. Ein Unternehmen würde in einem solchen Fall nur dann auf die Absicherung verzichten, wenn die Kosten prohibitiv hoch wären. Vermutlich würde er aber ganz auf Geschäfte verzichten, wenn die Absicherungskosten oder das kalkulierte Kreditrisiko (Verbindlichkeit*Ausfallwahrscheinlichkeit) seine Marge aufzerren.

@Jörg: Ich habe auf die Schnelle keine Zahl über das aktuelle Absicherungsvolumen am Markt für Kreditderivate gefunden (2008: 62 Billionen US$). Auch wenn das Volumen heute deutlich nieriger wäre, macht Griechenland nur einen sehr geringen Teil des Volumens aus. AIG selbst hat aus den Fehlkalkulationen (hoffentlich) gelernt und würde nie ein solches Volumen allein absichern. Dahinter stünden spekulativ orientierte Investoren, wie etwa Hedge Fonds, die bereit sind, solche Risiken zu tragen.

Die Spekulation läuft doch wie folgt. Heute schreibe ich als Großinvestor einen CDS für 800 Basispunkte. Rechne ich mit einer Verbesserung der Lage und tritt diese ein. Dann sichere ich mich selbst ab und kaufe vielleicht für 600 oder 400 Basispunkte eigenen Schutz ein.

Tatsächlich dürften aber die Absicherungssumenn zu hoch sein, wenn sie auf einmal kontrahiert werden. Daher ist ja meine Vermutung im Beitrag der letzten Woche auch gewesen. Die Eurozonen-Länder waren schon längst aktiv und haben einen Teil des Prämienanstiegs mit verursacht. Wäre jedenfall sehr interessant einmal zu erfahren, ob die Geberländer am CDS-Markt als Nachfrager aktiv waren und sind.

Joerg Mai 3, 2010 um 16:42 Uhr

Sehe ich ähnlich wie Johannes, würde Griechenland tatsächlich pleite gehen, würde dies wahrscheinlich wieder zu einem zweiten Fall AIG werden. Man könnte dann nur hoffen das sich Deutschland gleich bei AIG hätte versichern lassen, so dass dann wenigstens die amerikanischen Steuerzahler für die ausgefallenen CDS aufkommen wird.

Aber nochwas zum Thema gute und schlechte Spekulanten. Schäuble wurde ja auch nicht müde die deutschen Banken dazu aufzurufen ebenfalls weiter hochriskante Griechenland Anleihen zu kaufen. Zocken im Dienste der Staatsraison, aber wenn mal jemand so weitsichtig ist, dass es Bilanzen von Griechenland auf Sand gebaut sind und bestensfalls geschönt, dann sind es die bösen Spekulanten die nur zu ihrem Profit handeln. Quasi der Teufel in Person.

Johannes Mai 3, 2010 um 10:38 Uhr

Was würde eine solche Absicherung mit CDS bringen, außer zusätzlichen Kosten?

Sollten die CDS fällig werden, weil GR nicht zahlen kann, geht wieder jemand pleite, der wieder gerettet werden muss.

In Summe würde eine solche Vorgehensweise nur zusätzliche Kosten verursachen, aber keinerlei Nutzen bringen!

m106 Mai 3, 2010 um 10:18 Uhr

Wenn wir jetzt mal annehmen, dass Griechenland wirklich zu 100% Insolvent wird und die Anleihen nur noch einen Wert von 0 haben, dann muss eher die Bundesregierung die Finanzinstitute retten, als andersherum. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es bei einer Griechenland-Pleite einen Dominoeffekt geben wird und dann ist sowieso Schluss mit lustig.

Bei der Rettung von Griechenland geht es eigentlich um die Rettung des eignen Finanzsektor. Alle würden Griechenland pleite gehen lassen, wenn es keine Auswirkungen auf den eignen Finanzsektor hätte.

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