Zu viel Wind wegen des Leerverkaufsverbots: Erlasse sind technisch irrelevant

by Dirk Elsner on 21. Mai 2010

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Eigentlich wollte ich für heute gar nichts mehr über die aufgewühlte Finanzmarktregulierungswelle schreiben und das Pfingstwochenende ganz relaxt mit meinem Artikel zum Echtzeitweb einläuten. Aber beim Lesen eines Beitrags im Handelsblatt Blog juckte es doch wieder in den Fingern.

Zur post-hoc-Erklärung für die weltweiten Kursverluste an den Kapitalmärkten muss nun ausgerechnet das dilettantische Verbot der Leerverkäufe herhalten. “Berlin verunsichert die Welt” schreibt dort Rolf Benders und führt aus:

“Die weltweiten Aktienmärkte fallen nun den dritten Tag in Folge wie ein Stein, weil die deutsche Bundesregierung in einem für alle Beobachter überraschenden Alleingang Leerverkäufe auf Bankenaktien und Kreditausfallversicherungen (CDS) drastisch eingeschränkt hat.”

Der Tenor dieses Beitrags und vieler anderer (etwa hier in der nzz) geht einfach an der Sache vorbei und unterschätzt die Teilnehmer auf den Finanzmärkten. Wer sich einmal die Mühe macht und die drei verschiedenen Leerverkaufsverbote liest (siehe unten), der wird schnell feststellen, dass die Erlasse mit Ausnahmen gespickt sind und jede Menge Hintertüren offen lassen. Außerdem ist der Geltungsbereich auf Deutschland beschränkt. Die Bedeutungslosigkeit hat sehr gut Gerald Braunberger in der FAZ herausgearbeitet unter “Ein Leerverkaufsverbot, das fast nichts verbietet

Ich halte die Erlasse der BaFin für technisch irrelevant. Finanzmarktakteure, die weiter shorten wollen, können und werden dies tun und im Zweifel auf das Ausland ausweichen. Kein institutioneller Anleger wird wegen des Quickfix-Regulierung Kopfschmerzen bekommen.

Die einzige Verunsicherung, die man vielleicht etwas konstruiert aus dieser überhasteten Aktion ableiten kann, ist eine Art “Tell” mit einem Hinweis auf etwas, was noch nicht bekannt ist. Dies könnte etwa eine wesentliche dramatischere Budgetlage einiger europäischer Haushalte sein.

Wegen der Wirkungslosigkeit der Leerverkaufsverbots könnte man eigentlich zur Tagesordnung übergehen. Das Erschreckende an dieser schnellen Aktion ist, dass dieser Schnellschuss eine bedenkliche Unkenntnis unserer Regierung über die Finanzmärkte offenbart und darüber hinaus unprofessionell vorbereitet wurde. Auch hat mir noch niemand erklären können, welchen Schaden eigentlich die “Spekulanten” (lesenswert zur Spekulation dieser Beitrag auf Valuation in Germany und hier EconbusinessGermany zur Spekulation in griechischen CDS) wirklich anrichten und warum man die bekämpfen will, die bereit sind Risiken zu übernehmen.

Hier die entsprechende Presseerklärung der BaFin und die drei Erlasse

Linksammlung zur neuen Finanzordnung

Mindmap zur Neuen Finanzordnung

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