Krisenmüdigkeit um neues „Schuldendrama“ um Griechenland, Portugal und Irland

by Dirk Elsner on 18. November 2010

Die Märkte treten bekanntlich nicht in völlig rationalen, gesitteten Mustern in Erscheinung, schrieb einst Benoit Mandelbrot in seinem Buch Fraktale und Finanzen. Märkte sind als das zu erkennen, was sie sind, nämlich dynamische, unvorhersagbare und manchmal gefährliche Systeme “zur Übertragung von Reichtum und Macht.” Und auf diesen Märkten spekulieren nicht nur Hedge Fonds, sondern vor allem auch die Schuldnerstaaten selbst, die offensichtlich einen Bailout einkalkulieren und so ihre Zinsbelastung senken wollen. Dazu der Ökonom Georg Erber:

“Wenn das Insolvenzrisiko der drei Staaten nicht von deren privaten Anlegern getragen werden muss, sondern von der Steuerzahlern der übrigen Länder, insbesondere den Deutschen, dann kann man sich billiger als sonst refinanzieren. Klar, im Zweifel springt dann der deutsche Fiskus ein und begleicht die Schulden dieser Länder und holt sich die dafür erforderlich Mittel eben vom deutschen Steuerzahler. Es ist also nicht die Frage, ob es zu einer Zinskostenersparnis der Schuldnerstatten kommt, sondern die Frage, ob dies gerecht gegenüber den Steuerzahlern anderer Länder ist. Die Antwort liegt auf der Hand: Offensichtlich nicht.”

Erber gibt damit eine Richtung vor, die in der aktuellen Debatte zu kurz kommt und von den Krisenstaaten künstlich klein gehalten, nämlich die sinnvolle Diskussion über eine Insolvenzordnung für Staaten.

Alternativlosigkeit als Rhetorik

Genau so wenig wird übrigens in Frage gestellt, ob die als „alternativlos“ bezeichneten Maßnahmenpakete, die letztlich alle der Rettung des Finanzsektors und des Schutzes von „Investoren“ dienen, wirklich der einzige Weg war. Immerhin kommen dem Kapital der FTD Bedenken. „Es“ schreibt unter: „Wie Vermutungen Gewissheit werden“:

„Es fing schon kurz nach dem offiziellen Ausbruch der Finanzkrise Ende 2008 an. Nach Lehman waren sich alle einig, dass jedwede strauchelnde Bank gerettet werden müsse. Ob durch den Staat oder durch einen Rivalen, der ob der Garantien und dem kartellrechtlichen Vakuum dankbar zugriff. Danach folgten die Bad Banks, Deponien für sogenannte toxische Wertpapiere. … Dann verlagerte sich der Fokus auf Europa, wo die unverzügliche Rettung taumelnder Peripherieländer als Bedingung für den Erhalt des Euro gefordert wurde. …

Ob dies das Werk erfolgreicher Spindoktoren oder einer trägen, zu unkritischen Berichterstattung ist, sei dahingestellt. Vielleicht greift hier nur die menschliche Psyche, wonach man sich an alles gewöhnen kann und auch an alles glaubt, wenn es oft genug wiederholt wird. So werden aus Thesen schnell Gewissheiten.“

Weitere Presseberichte

HB: Verhandlungen über Rettungsschirm: Irland feilscht um jeden Euro: Im Poker um EU-Finanzhilfen erhöht Irland den Einsatz: Die irische Zentralbank rechnet fest damit, dass das Land unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen wird – aber nicht zu jedem Preis. Irland muss einen Drahtseilakt vollführen: EU-Finanzhilfen verhandeln ohne seine Steuervorteile aufzugeben.

Telepolis: Irland steht mit dem Rücken zur Wand: Nach dem neoliberalen Sommer ist Irland in den Schuldenwinter gestürzt – jeder Ire ist mit einer halben Million Dollar im Ausland verschuldet

FAZ: Die irische Krise – Angriff auf das Steuerparadies (17.11.10): Das bevorstehende Rettungspaket der EU trifft die Iren in ihrem Nationalstolz. Das Land rätselt, was geschieht, wenn EU und IWF das Ruder in Dublin übernehmen. Die Unternehmen fürchten um ihre günstige Besteuerung.

HB: Europas Schuldenkrise: Banken und Versicherer fürchten Kreditausfälle: Die Stunde der Wahrheit rückt immer näher: Griechenland und Irland bekommen ihre Refinanzierungsprobleme nicht in den Griff. Bankenexperten von EU, IWF und EZB verhandeln heute in Dublin über Lösungsmöglichkeiten. Klar ist: Ein Forderungsausfall würde die deutschen Banken empfindlich treffen.

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