WikiLeaks vs. Wall Street: Kommt es wirklich zu einem Showdown, der eine Bank in die Tiefe reißt?

by Dirk Elsner on 10. Januar 2011

Die Spannung der Wirtschaftsmedien steigt. Am Freitag fragte der TV-Sender CNBC bereits: Is Wikileaks About to Release Its Bank Cache? Die größte US-Bank, die Bank of America, gehört bekanntlich zu den Finanzinstituten, denen für Anfang dieses Jahres angekündigten neue Enthüllungen gelten sollen. Neben der US-Großbank, über die WikiLeaks laut eigenen Angaben Daten die Festplatte eines Geschäftsführers besitzen soll, könnten, so wird in Netzkreisen spekuliert, Goldman Sachs oder die Citibank das Ziel der Veröffentlichung vertraulicher Daten sein. Der Ausschuss des US-Kongresses zur Aufarbeitung der Finanzkrise etwa hatte Goldman Sachs um Dokumente gebeten hatte und hat anschließend mehrere Terabyte an Daten erhalten hat. Ob darin brisante Informationen schlummern ist allerdings nicht bekannt. Assange selbst hat kurz vor Weihnachten bestätigt, WikiLeaks verfüge über viel Material über die Bank of America, dies werde Anfang des Jahres veröffentlicht.

Ein oder zwei Banken könnte es in die Tiefe reißen“, erklärte Julian Assange Ende November in einem viel beachteten Interview mit dem Blog des Forbes Magazin. Man wolle Anfang nächsten Jahres ein „Ökosystem der Korruption“ offenlegen (Zusammenfassung des Interviews hier bei Meedia).

Über die Art die Enthüllungen ist noch nichts bekannt und wird munter spekuliert. Glaubt man Medienberichten, dann zittert die Wall Street bereits (Spiegel Online) und hat sich laut FAZ längst dafür entschieden, dass es die Bank of America treffen werde. Tatsächlich gab es einen Schluckauf der Aktie, diesen hat das Institut aber längst verdaut.

Derweil fragt man sich nicht nur in der Finanzwelt, welche dunklen Neuheiten aus dem US-Finanzsystem wirklich so sensationell sein könnten. Die Wall Street-Institute haben ihr Image durch die Finanzkrise bereits nachhaltig beschädigt. Ungezählte Enthüllungsstories, Bücher, offizielle Kongressanhörungen und Anklageschriften zeugen vom ausgeprägten opportunistischen Verhalten eines Teils der Finanzindustrie. Geschadet hat dies der Branche bisher nicht, wenn man ihre Wertentwicklung zum Maßstab nimmt. Die Kurse ihrer Aktien haben sich seit Ende 2008 wieder nachhaltig erholt.

Tatsächlich spielt das öffentliche Ansehen einer Bank nur eine untergeordnete Rolle für die Geschäftsentwicklung, wenn sie sich an die Regeln hält. Was die Institute viel mehr im Zuge negativer Veröffentlichungen fürchten sind freilich Schadenersatzklagen von sich benachteiligt fühlenden Kunden. Daneben drohen indirekte Schäden durch andere große Marktteilnehmer, wenn etwa Teile der Asset- und Handelsstrategien bekannt werden.

Zu einem wirklichen Knalleffekt werden die Veröffentlichung der angekündigten Internas eher nicht führen (so übrigens auch Egghat) und damit wohl „kein Institut in die Tiefe reißen„. Gleichwohl wird es interessant zu beobachten sein, wie sich die Finanzhäuser nach den Veröffentlichungen positionieren werden. Banken wurden ja während der Finanzkrise gerade wegen ihres ausgeprägten Schweigens und ihrer Intransparenz kritisiert. An der Intransparenz ihrer Aktivitäten hat sich aber trotz vollmundiger Ankündigungen nichts geändert. Daher sind bei Veröffentlichung der Dokumente neben Juristen vor allem PR-Fachleute und –Berater der Häuser gefragt, die Schäden zu begrenzen. Die Bank of America, so war letzte Woche in der New York Times zu lesen, bereitet sich jedenfalls mit einem großen Team vor.

Davon abgesehen werden die Dokumente sicher helfen, weiteres Licht in die Ursachen und den Verlauf der großen Finanzkrise zu bringen.

Noch nie zuvor hat sich der Hochadel der US-Finanzwelt so intensiv mit einer Internet-Institution befasst, wie mit der Enthüllungsplattform WikiLeaks. Nach den Veröffentlichungen der vergleichsweise trivialen Botschaftsdepeschen haben Visa, Mastercard, der Online-Zahlungsabwickler Paypal und vor Weihnachten auch die Bank of America den Geschäftsverkehr mit WikiLeaks eingestellt. Begründung: Wikileaks könnte in Aktivitäten verstrickt sein, die nicht mit den Richtlinien der Häuser übereinstimmten.

Interessant daran, dass gegen WikiLeaks bisher niemand offizielle, sprich juristische Maßnahmen eingeleitet hat. Hat die Finanzindustrie im vorauseilendem Gehorsam gehandelt oder bereitet sie sich gegen den nächsten Schlag der Webseite vor? Die US-Justiz arbeitet offensichtlich am nächsten Schlag gegen Wikileaks. Der Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlichte die Anordnung eines US-Gerichts, wonach Informationen über die Nutzerkonten von Julian Assange und anderen Wikileaks-Aktivisten an das amerikanische Justizministerium übergeben werden sollen (siehe dazu auch Spiegel Online US-Justizministerium verlangt Zugriff auf Twitter-Daten).

Nachtrag vom 11.1.11

Ein Update gab es heute zu den Veröffentlichungen von Dokumenten aus dem Finanzsektor. Das Handelsblatt schreibt „Wikileaks-Gründer Julian Assange hat die beschleunigte Veröffentlichung neuer Dokumente angekündigt… Die Berichte würden in Kürze über die Medienpartner des Enthüllungsdienstes verbreitet, sagte Assange am Rande eines Gerichtstermins am Dienstag in London.“  Da die Dokumente aber noch von den Medienpartner gesichtet werden, ist noch unklar, wann hier tatsächlich mit einer Veröffentlichung zu rechnen ist.

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