Schlechte Alexa-Statistiken für Facebook oder die ganze Welt muss sich registrieren, um Bewertung zu rechtfertigen

by Dirk Elsner on 18. Januar 2011

Die nicht börsennotierte Facebook-Aktie versetzt weiter die Finanzwelt unter Strom. Gestern wurde bekannt, dass Goldman Sachs die SEC-Regeln umgehen und Facebook-Anteile über 1,5 Mrd. US$ nur außerhalb der USA anbieten will (mehr dazu hier im Handelsblatt).

Etwas ruhiger ist es dagegen um die Bewertung des Sozialen Netzwerkes geworden. Kurz nach der Bekanntgabe des Goldman-Sachs-Deals glühten Medien und Blogs und stritten sich um die richtige Bewertung der in Palo Alto, Kalifornien sitzenden Firma (aktueller außerbörslicher Preis hier über Sharespost). Die Reaktionen reichten von “Die Facebook-Blase wird aufgepumpt” bis “Warum Facebook auch schnell 200 Milliarden Dollar wert sein kann”. Hauptthema sind derzeit die avisierten Börsengänge anderer Web 2.0 unternehmen, die jetzt auf der Facebook-Bewertungswelle mitreiten wollen. “Start-ups wie Groupon, Linkedin oder Twitter hetzen an die Börse, weil Phantasie wieder mehr zählt als nüchterne Bilanzen,” schreibt das Manager Magazin.

Aber zurück zur Bewertung von Facebook. Während sich Lothar Lochmaier auf Telepolis um eine ausgewogene Darstellung bemühte, rechnete Reggie Middleton für Zero Hedge aus, dass sich schon die ganze Welt bei Facebook registrieren müsste, um beim gegenwärtigen Erlös pro Nutzer die Bewertung zu rechtfertigen. rcwhalen stellt auf Zero Hedge dar, warum er die Bewertung des Unternehmens kritisch sieht. Unbestritten ist allerdings, dass sich die Kunden von Goldman Sachs um die Zeichnung der außerbörslichen Beteiligung reißen.

Ob die Anteile hoffnungslos überbewertet sind und hier tatsächlich eine Blase entsteht, lässt sich wie immer bei Vermögenspreisblasen ex-ante nicht mit Gewissheit sagen. Ich habe mir aber einmal die Daten des Internet-Traffic-Statistikers Alexa über Facebook angesehen. Diese Daten bestätigen jedenfalls nicht das exponentielle Wachstum, das eigentlich notwendig wäre, um eine Bewertung von 50 Mrd. US$ zu rechtfertigen. So stagniert der Anteil der globalen Pageviews, wie die folgende Grafik zeigt.

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Die Statistikmethoden von Alexa sind zwar umstritten, dies gilt aber vor allem für nicht so verbreitete Websites. Für verbreitete Webseiten halte ich die Daten für aussagekräftig. Und so lange Facebook selbst keine nachprüfbaren Daten vorlegt, müssen wir uns mit solchen oder ähnlichen Quellen begnügen.

Alexa zeigt sogar, dass die Anzahl der Pageviews pro User rückläufig ist. Dabei will man doch die Nutzer eigentlich länger auf den eigenen Seiten halten.

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Außerdem stagniert die Zeit, die User auf der Seite verbringen:

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Und eine letzte Alexa-Grafik finde ich spannend, nämlich die, die zeigt, welcher Anteil der Besucher auf Facebook über eine Suchmaschine kommen:

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Und in der Tat ist auffällig, dass bei einer Google Suche ganz selten auf der ersten Ergebnisseite ein Verweis auf einen Facebook-Eintrag zu finden ist.

Als Fazit bleibt: Zumindest öffentlich verfügbaren Daten bestätigen derzeit nicht das Wachstum, das für die Goldman-Sachs-Bewertung von Facebook unterstellt wird.

Weitere Artikel

NZZ: Neuer Schwung für die New Economy (14.1.11): Derzeitiger Hype um Internetfirmen ist weit entfernt von der riesigen Dotcom-Blase Ende der neunziger Jahre.

NYTDB: Why Did Goldman Blink? (18.1.11)

Wiwo: Facebook, Twitter, LinkedIn Welche Internet-Firmen wirklich Zukunft haben (18.1.11): Jung, cool, teuer – ist Facebook wirklich 50 Milliarden Dollar wert? Der Gutscheinanbieter Groupon 4,75 Milliarden? Und der Kurznachrichtendienst Twitter 3,7 Milliarden? Zehn Jahre nach dem New-Economy-Boom wachsen die Bewertungen wieder in den Himmel. Droht jetzt die nächste Blase? Welche Geschäftsmodelle im Web wirklich Zukunft haben.

iol: Facebook not always king of the hill

Finanzzeug: Kommt Internet-Blase zurück? – Facebook-Bewertung „extrem“ überzogen

NYTDB: Goldman Limits Facebook Investment to Foreign Clients (17.1.11): By ANDREW ROSS SORKIN

egghat Januar 19, 2011 um 12:40 Uhr

@dels:

Die Alexa Zahlen sind auch nur Spekulation 😉 Die Qualität der Zahlen ist eh schon schlecht und die ganzen Apps für Facebook erfasst die Statistik eh nicht. Facebook ist z.B. Alltime-meistinstallierte-App auf dem iPhone.

Ich bleibe dabei: Die interessante Diskussion ist die Einnahmeseite. Ob Facebook 500 oder 800 Millionen aktive Nutzer hat, ist vergleichsweise unwichtig. Darüber lässt sich die Bewertung eh nicht herleiten. Das geht nur, wenn sich die Einnahmeseite so dynamisch entwickelt wie bei Google seit dem Börsengang.

Daran gibt es durchaus begründete Zweifel. http://www.jperla.com/blog/post/facebook-is-a-ponzi-scheme

Mich interessiert diese Seite mehr.

dels Januar 19, 2011 um 16:35 Uhr

Klar sind die Alexa-Daten Spekulation. Den Aspekt mit den Facebook-Apps finde ich interessant. Aber stellt sich hier nicht erst recht die Frage nach der Monetarisierung. Rufe ich Facebook in meinem Smartphone (oller Winmobile Knochen) auf, dann sehe ich die Werbeeinblendungen überhaupt nicht. Bin ja dabei, wenn Facebook es schafft, aus dem Stamm mehr heraus zu bekommen, dann können die sogar Deine 200 Mrd. überschreiten. Hatte ja mal im vergangenen Jahr über einen Ansatz geschrieben: Wie Facebook mit Banking 2.0 die Finanzbranche aufmischen könnte

Joerg Januar 18, 2011 um 19:59 Uhr

Ja das ist der eher der Punkt wie gut oder schlecht Facebook seine Nutzer monetarisieren kann, bzw. werden wird. Doch auch hier denke ich wird Facebook nicht im Ansatz an den Monetarisierungsgrad den Google erreicht herankommen. Denn im Grunde wollen die Nutzer auf Facebook nur eins, mit Freunden in Kontakt bleiben und sich austauschen. Daran verdient Facebook rein gar nichts, außer es macht den Dienst kostenpflichtig, doch dabei springen von jetzt auf nachher die Nutzer ab. Bei Google sind die Nutzer aber auf der Suche und wollen Webseiten finden, da ist suchgerechte Werbung natürlich genau das was auch geklickt wird.

egghat Januar 18, 2011 um 12:30 Uhr

Die Frage ist nicht, ob Facebook wächst oder ob in zwei Jahren 600, 800 oder 1.200 Millionen Leute Facebook nutzen. Die Frage ist, ob Facebook die Leute so gut monetarisieren kann wie Google. Die Reichweite ist bereits heute vergleichbar. Macht Facebook aus einem Nutzer so viel Geld wie Google (aktuell ist es nur ein Bruchteil, etwa ein Zehntel), ist Facebook die 50 Milliarden locker wert.

Die Betrachtung der Nutzerseite ist nur die halbe Wahrheit, auf der Einnahmeseite liegt die Magie! Hier entscheidet sich, ob Facebook 10, 50 oder 200 (oder vielleicht noch mehr) Mrd. Dollar wert sein wird. Das war im Endeffekt die Hauptaussage in meinem Artikel.

dels Januar 18, 2011 um 20:32 Uhr

@egghat
Mir geht es hier einzig um einen Hinweis, im Lichte verfügbarer Daten eine etwas realistischere Einschätzung zu bekommen. Klar, kann man über die Alexa-Daten streiten. Aber Gedanken darüber, wie Facebook sein Website kapitalisieren können sind aktuell reine Spekulation.

Lothar Lochmaier Januar 18, 2011 um 11:46 Uhr

An der Börse wird zwar nicht die Zukunft gehandelt, aber die (oftmals messianischen) Erwartungshaltungen darauf. Die Wiwo bringt das seltsame Treiben auf den Punkt, und sagt sinngemäß, dass jetzt eben alle Investoren abseits von konkreten Unternehmensbewertungen bei dem Hype dabei sein müssen. Interessant sind die Passagen zu Facebook:
http://www.wiwo.de/unternehmen-maerkte/welche-internet-firmen-wirklich-zukunft-haben-453376/
Der Zug ist also abgefahren, und man muss rechtzeitig wieder raus, bevor es ein abruptes Bremsmanöver gibt. Noch aber ist einige Luft aber auch Potenzial nach oben drin, Alexa als Referenz ist nicht unbedingt die richtige Kennzahl, denn es geht auch um die psychologische Durchdringung von Facebook, und schaut man sich den Marktdurchdringungsgrad an, so sieht man, dass FB in vielen Ländern noch erhebliches Potenzial nach oben hat (in D. sind es gerade mal um die 20 Prozent, das wird noch deutlich zunehmen). Klar, nach klassischen Kennzahlen gerechnet sind wir schon mitten im Hype, wenn wir das Trendthema Social Media und soziale Netzwerke aber als Eisbrecher ansehen, dann sind eben 50 Prozent des Hypes an der Börse doch eine Vorwegnahme von Erwartungen auf die Zukunft.

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