Wie Facebook mit Banking 2.0 die Finanzbranche aufmischen könnte

by Dirk Elsner on 25. März 2010

Letzte Woche habe ich meinen stillgelegten Facebook-Account reaktiviert*. Ich habe das nicht gemacht, weil ich dort viel Zeit verbringen will, sondern weil ich zu der Überzeugung gekommen bin „Facebook matters“ und zwar so sehr, dass man es als Wirtschaftsblog so nah wie möglich beobachten sollte. Und das geht am besten als mehr oder weniger aktives Mitglied.

Wenn über Banking 2.0 im Zusammenhang mit der Social Media Anwendung Facebook geschrieben und gesprochen wird, dann oft darüber, dass eine Bank auf Facebook eine Seite für (potentielle Kunden) eröffnet. So präsentieren sich etwa die 2.0-Vorreiter Ficoba oder die noabank auf den Seiten der größten Netzcommunity. Daneben nutzen auch klassische Institute, wie etwa die Volksbank Bühl diese Community Elemente.  Über diesen Weg der Präsentation hatte Lothar Lochmaier zuletzt am 15.2. etwas geschrieben: Die Facebook-Bankfiliale: Hype oder technologische Killerapplikation?

Aber Facebook hat durch die 400 Mio. Nutzer ein Potential, dass sich für Bankdienstleistungen auf eine ganz andere Art heben ließe. Nämlich dann, wenn Facebook selbst Bankdienstleistungen anbietet. Wie einfach das funktionieren könnte, das macht gerade die Fidor Bank AG mit dem E-Wallet vor. Matthias Kröner erläuterte das Konzept auf einer Veranstaltung über Social Banking beim Social Media Club vergangene Woche in München (Video über diesen Beitrag des PR-Blogger).

Ich hatte das Vergnügen, an dem Beta-Test teilnehmen zu dürfen und war verblüfft über die Funktionalitäten und die Einfachheit des E-Wallets bei gleichzeitig hohen Sicherheitsanforderungen. Aktuell kann ich mir unter Berücksichtigung des Spagats zwischen Sicherheit, Usability und Geschwindigkeit kein besseres Verfahren vorstellen, um wohlgemerkt echtes Geld von A nach B in Echtzeit zu transferieren. Fidor bewegt sich übrigens mit dieser Anwendung nach eigenen Angaben voll im Rahmen der  EU-Richtlinie zu elektronischem Geld (Text der Richtlinie als pdf hier)

Klar, die Echtzeit beschränkt sich im E-Wallet auf Transaktionen innerhalb der Community. Mit der Größe der Community steigt aber der Nutzen einer solchen Anwendung. Fidor zeigt mit dem Projekt wie Community und Banking zusammen passen und sich nicht auf reine Kommunikationsmaßnahmen beschränken muss.

Nun ist die Fidor Community im Vergleich zu Facebook noch klein. Ich stelle mir aber das Potenzial der E-Wallet-Anwendung in Facebook vor und sehe in sehr naher Zukunft einen Mitspieler im Finanzsektor, der für die Traditionsbanken das bisher ignorierte Banking 2.0 zu einem Alptraum machen könnte. Eine E-Wallet-Funktion in Facebook bei 400 Mio. potentiellen Nutzern könnte sich sehr schnell zu einer Killerapplikation für den internationalen Zahlungsverkehr entwickeln und böte damit den Einstieg für viele weitere Bankdienstleistungen, so wie Fidor das intelligent vormacht. Von einem Guthaben-Konto für Zahlungsverkehr ist es nicht weit zum Tages- und Termingeld. Von der Geldanlage ist es nur ein kleiner Schritt hin zur Kapitalanlage für Fonds und Wertpapiere. Facebook könnte auf der Welle weltweiter Unzufriedenheit mit den Banken reitend ein gewaltiges Potential heben.

Wenig wird über das Thema bisher im Netz selbst diskutiert. Der Blogger Thomas Power hat vor einigen Wochen die Frage gestellt „What happens when Facebook becomes a Bank? – Ecademy“. Er schrieb dazu:

It starts with a Facebook piggy bank, payment system and credit card. Then it’s a savings account and a loan perhaps for university. What about a mortgage, life insurance, health insurance, car insurance, house insurance and a pension? Afterall with a billion users these should be the best deals on the planet. Volume speaks price. Low price. This is before you offer your members peer to peer lending like Zopa giving them better interest and lower risk on their savings.

Could it really happen? Are the existing banks holding your attention right now? Do you trust your existing bank? Do you trust Facebook to manage your money? Would you lend Facebook money? Would you invest in Facebook’s public offering of shares?
I guess trust is the killer app and it all depends if Facebook can pull that off. My three kids already run their life on Facebook. Is it a big leap to run their money there too? With a billion users and 10% choosing to bank with Facebook that’s 100m customers. Wouldn’t that make Facebook one of the biggest retail banks in the world? The Friendship Bank. That’s a nice tagline.“

Die Huffington Post hatte Ende Januar gefragt unter dem Titel „Would Google Make a Better Bank?“ gefragt:

„However, in recent times with the banking sector in so much turmoil and facing the ire of so many, the question probably is not whether a Google might come along and start a bank, but when will an Amazon, Google or Facebook weigh in to this space?“

Der prominente US-Blog weist übrigens auch darauf hin, dass Google seit 2007 eine Banklizenz hat, ausgestellt von der Zentralbank der Niederlande. Die Lizenz berechtigt, digitale Bankdienstleistungen anzubieten, was auch immer darunter zu verstehen ist. Der Autor Brett King fragt dann:

„The question at hand, however, is would Google build a better bank?“ und antwortet  The immediate answer is that it couldn’t be worse than what we’ve got now. But the question really is how could a Google or someone like them build a better bank?“

Bleibt die Frage, warum weder Google noch Facebook bisher aktiv in das Geschäft eingestiegen sind? Die Antwort ist ganz einfach, nämlich, weil es nicht so einfach ist. Auch wenn Anwendungen incl. der Backends (etwa mittels so flexibler Tools wie KonTra von Supra Quam) schnell erstellt sind, Regulierung, Fachlichkeit und hohe Sicherheitsanforderungen machen das Angebot von Finanzdienstleistungen alles andere als trivial.

Der internationale Finanzsektor ist bis zum i-Tüpfelchen durchreguliert (siehe etwa Mindmap zur Finanzordnung). So ist etwa für die Nutzung von Zahlungs- und einfachen Kontendienstleistungen eine Identitätsprüfung erforderlich, was Facebook bisher nicht macht. Auch können beliebige Zahlungen nicht einfach von A nach B transferiert werden. International schränken zahlreiche Vorschriften die freie Fahrt von Geldzahlungen mehr ein, als sich das viele vorstellen können (Stichwort Geldwäsche, Steuervorschriften und Zahlungsmoratorien). Daneben spielen Sicherheitsfragen eine herausragende Rolle. Patzt man hier ausgerechnet in der Startphase, dann geht sofort das für Finanzgeschäfte lebenswichtiges Vertrauen verloren.

Dennoch, trotz dieser und vieler weiterer international fragmentierter Vorschriften und Anforderungen, Unternehmen wie Facebook und Google sind in der Lage das notwendige Know-how aufzubauen bzw. einzukaufen. Und ich bin mir sicher, dass intern kräftig an diesem Themen gearbeitet wird. Daher ist für mich weniger die Frage, ob das passiert, sondern nur noch wann und in welchen Schritten dies erfolgt.

Eine Übersicht über die immer lebhafter werdende Diskussion um Trends im Banking 2.0 hat der Blick Log auf dieser Seite zusammen getragen. Für Banken selbst könnte der Doppelbeitrag von Interesse sein, den ich mit Florian Semle zusammen geschrieben habe: Web 2.0 für die Finanzbranche (Teil 1: Perspektiven und Potenziale) (Teil 2: Konkrete Schritte).

* Mich nervt übrigens immer noch, dass bei Facebook alle Kontakte als „Freunde“ bezeichnet werden  und man von Unternehmensseiten „Fan“ werden muss. Mich interessieren zwar die geaddeten Unternehmen, Fan bin ich deswegen noch lange nicht.

Nachtrag 1  v. 27.3.10

Habe noch einen Eintrag zum Facebook Banking gefunden von Boris Janek auf Geno 2.0, der wiederum auf einen Artikel „Facebook-Banking steht kurz bevor“ verweist. Darin geht es um die Nutzung von Facebook als virtuelle Filiale. „Viele Bankenmanager halten zudem eine baldige Einführung von Online-Banking über Community-Plattformen für möglich. Dann könnten Internetnutzer auf Portalen wie Facebook Zugriff zu ihrem persönlichen Konto- und Finanzmanagement erhalten.“

Nachtrag 12 v. 28.3.10

Lothar Lochmaier hat in seinem Blog das Thema auch noch einmal aufgegriffen und gibt ergänzende Informationen:

„Wie die “Facebook-Bank” aussehen soll, das beleuchtet ein Beitrag auf dem amerikanischen Experten-Portal Finextra:

http://www.finextra.com/news/fullstory.aspx?newsitemid=21187

Ein Zitat daraus bringt die These von Thomas Power, CEO der Online Business Network ecademy, auf den Punkt:

Facebook is already looking to create its own currency with the launch of Facebook credits. But Power says the real opportunity may lie in the peer-to-peer lending model adopted by companies such as Zopa in the UK, and Prosper in the US

JosefA März 25, 2010 um 18:26 Uhr

Das ist ein sehr spannender Ansatz, über den ich als Banker auch nachdenke. Ich habe öfter das Gefühl, dass wir die neuen Entwicklungen nicht richtig ernst nehmen und die falschen Prioritäten setzen. Allerdings wenn man einmal in unsere Praxis schaut, dann wird man feststellen, wie gefesselt wir mit vielen Themen sind, die uns kaum Luft für kreativ neue Dinge lassen. Da beneide ich immer öfter die neuen Institute. Unser Führungsalltag besteht nur aus Ressourcenkämpfen, internen Selbst-Positionierungen und externen Druck. Das macht wenig Freude.
Dazu kommt, jetzt schweife ich ab, dasa unsere Vorstände und der Verband ein, um es vorsichtig auszudrücken, nicht gerade glückliches Bild in der Öffentlichkeit abgeben.

Schönen Abend und Danke für die neuen Blickrichtungen, die dieser Blog immer wieder eröffnet.
Josef

Boris März 25, 2010 um 14:04 Uhr

Hallo,

sehr spannend. Geht es los? Endlich geht es los ! Die Facebook Bank oder die google Bank! Wenn es los geht, heisst es: Zieht euch warm an!
Oder die Gerichte bekommen viel zu tun. Ist auch nicht auszuschliessen.

Boris

Markus C. März 25, 2010 um 13:22 Uhr

Interessanter Ansatz, dennoch glaube ich, die Aktivitäten um neue Banken, Facebook und das Web 2.0 werden einfach überschätzt. Ich habe niemanden in meinem Bekanntenkreis, der so etwas nutzt (ok vielleicht die jüngeren Leute).

Mir wäre es wichtiger, dass erst einmal die bisherigen Banken ihre Hausaufgaben machen würden. Aber in der Zweigstelle einer Sparkasse kann man mir ja nicht einmal mehr Fragen zum Wertpapiergeschäft beantworten.

Schönen Tag
Markus C.

Steffen März 25, 2010 um 08:14 Uhr

Sehr interessantes Thema. Auch die PayPal iPhone Anwendung hat das Zeug, um diesen Bereich aufzumischen. Mir fallen spontan – entspechende Verbreitung des iPhones bzw. Transformation der App auf andere mobile Endgeräte resp. Plattformen – min. drei Branchen ein, denen eine solche App Kopfschmerzen bereiten könnte. Kreditkarten, elektro. Abrechnungssysteme und Hersteller von Kassensystemen.

Persönlich denke ich, dass die Zukunft der Bezahldienste a la Facebook oder PayPal über enormes Potential verfügt. Weniger als 20 Prozent aller 14-19 Jährigen nutzen Online-Banking Anwendungen. PayPal und das iPhone dürften in dieser Altersklasse schon stark verbreitet sein bzw. stark steigen. Ich bin also gespannt, wie Banken in einigen Jahren erklären, dass eine Transaktion (bspw. Gehaltseingang) einen Zeitversatz von bis zu drei Tagen hat.

Comments on this entry are closed.

{ 7 trackbacks }

Previous post:

Next post: