Goldman Sachs baut mit Facebook an der nächsten Blase: 50 Mrd. US$ als Bewertung nicht gerechtfertigt

by Dirk Elsner on 4. Januar 2011

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Facebook soll 50 Mrd. US-Dollar wert sein? Diese Zahl jedenfalls geisterte gestern durch das Netz und die Wirtschaftspresse (die beste Darstellung in deutschsprachigen Medien stammt allerdings von Indiskretion Ehrensache). Diese Bewertung ist abgeleitet aus Preisen, die private Anleger auf den quasi inoffiziellen Sekundärmärkten (Hintergrund dazu hier) für nicht börsennotierte Anteile wie Secondmarket oder Sharespost sowie Goldman Sachs und Digital Sky Technologies für das soziale Netzwerk zahlen. Glaubt man den Angaben auf  Sharepost, dann lag der Marktwert von Facebook am Montag “nur” bei 45,2 Mrd. US-Dollar, Goldman Sachs zahlt also noch eine ordentliche Paketprämie von 10%.

Es ist schon interessant, wie jetzt nach Gründen dafür gesucht werden, dass solche Bewertungen gerechtfertigt sind. Sogar die FTD sucht nach Argumenten, die diese Bewertung nach dem Motto, diesmal ist alles anders als bei der Internetbubble, gerechtfertigt erscheinen lassen:

“Anders als viele hoffnungsvolle, aber gescheiterte Firmen in der Dotcom-Blase 2000 hat Facebook ein funktionierendes Geschäftsmodell und macht Gewinn – durch Werbung und Erlöse aus Netzwerkspielen. Die Seite lockt zudem mittlerweile mehr Menschen an als Google. Eine Suchmaschine will ihre Nutzer schnell auf andere Seiten schicken – das soziale Netzwerk wurde dagegen zum Verweilen entworfen. Und ganz nebenbei entstehen dabei Nutzerprofile, die weit genauer und damit lukrativer sind als die von Google.”

Mich erinnert das trotzdem an 1999 und die abgedrehten Bewertungen, für die es damals ebenfalls jede Menge “guter Gründe” gab. Hier entsteht zur Zeit eine gigantische Facebook-Blase. Aber mit dieser Ansicht gehöre ich offenbar zu einer Minderheit.  Die Zeit trägt weitere  Stimmen von Personen zusammen, die die Bewertung für in Ordnung halten oder gar noch Luft nach oben sehen. Interessant an vielen Beiträgen ist übrigens, dass ihnen genau die Parallele zur Internetblase bewusst ist und sie daher Gründe suchen, warum es diesmal anders werden sollte.

Hier wird Hoffnung, Fantasie und durch massive öffentliche Aufmerksamkeit erzeugter Hype gehandelt. Ökonomische Grundlagen gibt es dafür nicht, denn es sind nur Umsatzzahlen von Facebook bekannt. Nach verschiedenen Quellen soll das Netzwerk 2 Mrd. US$ 2010 erlöst haben bei stark steigender Tendenz. Über die Kosten ist allerdings nichts bekannt.

Will man einen Marktwert von 50 Mrd. US$ rechtfertigen, dann müsste bei einem Multiplier von 10 bis 15 (Apple hat bei bekannten Daten einen EBITDA-Multiplikator von 14, Google von 14,3) ein Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen zwischen 3 und 5 Mrd. Euro erzielt werden. Selbst bei 1 Mrd. Nutzer (aktuell 600 Mio.), von denen zudem nur ein Bruchteil das Netzwerk intensiver nutzt, müssten pro Nutzer 5 US$ EBITDA erzielt werden pro Jahr. Sorry, an diese Story glaube ich nicht. Dafür sind mir die Internet-Hypes viel zu schnelllebig. Wenn ich Facebook shorten könnte, würde ich es tun, es sei denn Facebook zaubert noch weitere Geschäfts- und Monetarisierungsmodelle aus der Tasche, wie etwa ein Modell um die Finanzbranche aufzumischen.

Tatsächlich ist aber eine Diskussion ohne Zahlen und weitere Informationen witzlos und reine Spekulation. Weder das leidenschaftliche Eintreten für die Vorteile und Potentiale von Facebook, noch Vergleiche mit Apple oder Google sind Scharniere zu der hohen ökonomischen Bewertung der Aktie.

Ob Goldman Sachs sich nicht selbst mit dieser Transaktion beschädigt, wird die Zukunft zeigen. Ich bin bereit dagegen zu wetten, wie übrigens auch die Verkäufer der Aktien, die ja vorwiegend aus dem inneren Zirkel von Facebook stammen müssen, denn andere Aktionäre gibt es derzeit (noch) nicht. Andererseits würde es mich auch nicht überraschen, wenn Goldman unter bisher nicht öffentlich bekannten Voraussetzungen und Plänen eingestiegen ist, die das Investment sehr lohnend machen.

Nachtrag vom 6.1.

Inzwischen sind Geschäftszahlen durchgesickert, die Goldman Sachs an seine Kunden verteilt hat. Danach verdiente Facebook in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres 355 US$ bei einem Umsatz von 1,2 Milliarden Dollar. Gleichwohl sind die Erwartungen mit den aktuellen Bewertungen bereits so hoch, dass es außerordentlicher Anstrengungen bedarf, um diese in den nächsten Jahren tatsächlich zu erreichen.

Presse und Blogmeinungen zum Facebook-Deal von Goldman Sachs

HB: Facebook: Der Wahnsinn kehrt zurück

Netzwertig: Würdet ihr Facebook-Aktien kaufen?

NYT: Goldman Offering Clients a Chance to Invest in Facebook

indiskretionehrensache: Warum 50 Milliarden Dollar für Facebook nur halber Irrsinn sind

Tagesspiegel: Facebook wertvoller als Deutsche Bank

HB: Facebook: Das ist erst der Anfang

Dealbook: Deal Professor: Facebook and the 500-Person Threshold

Kreidebleich: Zocker haben das Internet entdeckt

businessinsider: 8 Charts That Show Why Facebook Is Worth $50 Billion

Dealbook: Why Facebook Is Such a Crucial Friend for Goldman

DealBook:Goldman Invests in Facebook at $50 Billion Valuation

WSJ: Goldman Sachs invested in Facebook at a valuation of $50 billion

WSJ: Facebook Nets $500 Million Investment

egghat Januar 5, 2011 um 16:04 Uhr

Google macht über 15 Dollar ARPU je User!

Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, was so schwierig ist, eine Firma, die genau so viele Leute erreicht wie Google (und das Potenzial hat, diese länger zu binden), ein Viertel der Bewertung zuzutrauen.

Anders gesagt: Facebook ist, wenn die Monetarisierung ähnlich gut ist wie bei Google, auch schnell 200 Milliarden wert.

dels Januar 5, 2011 um 21:08 Uhr

Hey egghat,
das ist doch langweilig, wenn alle Welt und alle Blogger der Herde folgen. Und ehrlich gesagt, könnte ich Facebook gar nicht bewerten, weil mir die Einblicke fehlen.

egghat Januar 5, 2011 um 14:01 Uhr

a) Goldman Sachs hat die Bewertung gemacht, um einen Fuß in der Türe zu haben. Ich bezweifle, dass GS auch 100% bei der Bewertung gekauft häte (siehe Knüwer Artikel zum Thema)

b) Google ist 200 Mrd $ wert und hat ein KGV von 20. Facebook erreicht MEHR Menschen und bindet diese LÄNGER (nicht nur auf die Seitennutzung bezogen, sondern auch auf die Nutzungsdauer. Sein Social Network ändert man mal nicht so eben wie eine Suchmaschine, das ist eher wie eine E-Mail Adresse). Jetzt ist die alles entscheidende Frage: Kann Facebook seine Nutzer besser oder schlechter monetarisieren als Google? Schwierig zu entscheiden, weil Google die Suche macht und die ist bisher die Sache, die am meisten Geld bringt. Dagegen hat Facebook mehr Zeit, um den Nutzer Werbung um die Ohren zu knallen.

c) Wenn Facebook 1 Mrd. Nutzer hat und 5 Mrd. EBITDA produzieren muss (um eine „faire“ Bewertung zu schaffen), braucht Facebook nicht 50 Dollar EBITDA pro Nutzer sondern 5 …

dels Januar 5, 2011 um 14:34 Uhr

Die Hinweise auf die Anzahl der Nutzer und Seitennutzungsdauer lese ich immer wieder. Als Investmentbanker würde ich das auch so verkaufen. Als Investor würde ich immer fragen, was das tatsächlich heute und in Zukunft bringen könnte.
Danke für den Hinweis auf auf den EBITDA. Das habe ich korrigiert.

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