Euroschuldenkrise: Die doppelte Fehlsteuerung bei einem andauernden Verzicht auf den Haircut

by Dirk Elsner on 25. Januar 2011

So langsam wird es mal wieder ernst in Europa. Der rhetorische Druck wird deutlich erhöht und zielt damit vor allem in Richtung Deutschland. Die EU-Kommission versucht mit dem Schüren der Angst vor einem Wirtschaftsabsturz deutsche Urängste zu manipulieren. Deutschland soll den EURO-Ländern mehr von seiner Bonität leihen für Anleihen des Rettungsfonds.

Es dämmert der politischen Funktionselite, dass der europäische Stabilisierungsfonds (= European Financial Stability Facility – EFSF) nicht ausreichen wird, um die von Banken gegenüber EURO-Staaten eingegangenen Risiken komplett abzudecken. Nun soll er aufgestockt werden, weil angeblich die Finanzmärkte einen höheren Deckungsschutz für die Staaten fordern. Niemand kann aber glaubhaft garantieren, dass eine höhere Summe, wie hoch auch immer sie ausfallen soll, ausreichen wird.

Viele schlimmer ist, dass eine weitere Aufstockung des europäischen Rettungsfonds den Teufelskreises des too-big-to-fail-Problems des Finanzsystems verstärkt und damit die gigantische Fehlallokation finanzieller Mittel (siehe dazu diese Studie der Uni Zürich Faktische Staatsgarantie für Grossbanken) ausweitet.

Die von der faktischen Staatsgarantie für Banken und Staaten verursachte Fehlallokation stellt letztlich eine erhebliche Subvention dar. Staaten und Banken, die indirekt vom europäischen Bailout profitieren, sind für ihre Gläubiger mit weniger Risiken behaftet. Das bedeutet sie können am Kapitalmarkt Geld zu deutlich besseren Konditionen aufnehmen, als Unternehmen oder staatliche Institutionen, für die nicht mit einem Bailout zu rechnen ist. Obwohl die Staatshilfe in erster Linie die Fremdkapitalgeber schützt, kommt die Subvention über die entsprechend tiefen Risikoprämien damit letztlich auch den Aktionären zugute.

Staatliche Garantien wirken sich aber, so die Studie, nicht nur auf die Risiken der Begünstigten aus, sondern auch auf die Risikowahl ihrer Konkurrenz. Sowohl theoretische Überlegungen als auch empirische Evidenz deuten darauf hin, dass nicht durch einen Bailout begünstigte Konkurrenten ihren Wettbewerbsnachteil durch das Eingehen höherer Risiken kompensieren. Daneben schaffen Bailouts Anreize zur Größe, Verflechtung und Intransparenz. Diese führen zu einer Ressourcenverschwendung in Form von Bemühungen der Banken, den Status  „too big to fail”,  „too complex to fail” oder  „too interconnected to fail” zu erwerben und dadurch unter den staatlichen Schutzschild zu gelangen.

Es ist daher beruhigend zu sehen, dass die Diskussion sich endlich hin zu einem europäischen Haircut bewegt. Letzte Woche kursierten Meldungen, nach denen sich Deutschland auf Griechenland-Pleite bereits vorbereite. Dies wurde zwar mittlerweile dementiert.

Natürlich fürchten, wie vor einem Jahr, deutsche Banken diesen Schuldenschnitt und weisen auf die Ansteckungseffekte hin (siehe zur der europäischen Schuldenverpflechtung diesen Beitrag mit interessanter Grafik bei Zero Hedge). Tatsächlich ist aber der europäische Schuldenschnitt unumgänglich, wenn sich die Fehlsteuerung nicht weiter verstärken soll.

Zu begrüßen ist, dass sich einige Autoren an den Plan des ehemaligen US-Finanzminister Nicholas Brady erinnern. Er handelte 1989 mit Mexiko und den privaten Banken einen Umschuldungsplan aus, den sogenannten Brady-Plan. Den Banken wurde damals ein Menu an standardisierten Umschuldungspaketen angeboten, erinnert sich die NZZ. Weiter schrieb die Zeitung zu der Umsetzung des Plans:

„Die Gläubiger konnten wählen zwischen Discount-Bonds, bei denen sie auf rund ein Drittel ihrer Forderungen verzichten mussten; dafür erhielten sie höhere Zinsen als der gültige Libor über 30 Jahre Tilgungszeit. Bei den Par-Bonds verzichteten die Gläubigerbanken nicht auf ihre nominellen Forderungen, erhielten jedoch niedrigere Zinsen als am Markt. Um den Gläubigern den Einstieg schmackhaft zu machen, garantierte das US-Schatzamt die Zinsen und die Tilgung der Brady-Bonds, welche wiederum durch den IMF, die Weltbank und die japanische Eximbank abgesichert wurden. „

Man muss den Plan nicht 1:1 kopieren, sondern muss auch die damaligen Fehler berücksichtigen. In jedem Fall ist das aber eine Richtung, über die dringend laut nachgedacht werden muss.

Meldungen

Griechenland in der SchuldenkriseVorbereitung auf den Staatsbankrott: Die Rettung Griechenlands hat nicht funktioniert. Jetzt sollen die Kreditgeber verzichten. Aber möglichst ohne viel Aufsehen. Wie kann es also weitergehen? Von Christian Siedenbiedel

MM: Euro-Rettungsschirm – Juncker fordert Debatte ohne Tabus (23.1.11): Ob nun den Aufkauf von Staatsanleihen oder eine Aufstockung des Euro-Rettungsschirms – Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker fordert im Konflikt um die Lehren aus Schuldenkrise eine Debatte ohne Tabus. Die klaren Worten richten sich vor allem gegen die deutsche Bundesregierung.

HB: Wirtschaftsweiser Feld: „Ohne Schulden-Schnitt wird es Griechenland nicht schaffen“ Das Kabinett hat Lars Feld gestern als neuen Wirtschaftsweisen berufen. Im Interview spricht der Freiburger Ökonom über Irland, Konjunkturprogramme und die Probleme der europäischen Wirtschaft – insbesondere die Schwierigkeiten, in denen Schuldenländerm wie Griechenland stecken.

Welt: Schluss mit dem Pessimismus! Die Krise hat Chancen: Rettungsschirm und Zinsensenkung allein reichen nicht. Die Politik muss aus der Krise die richtigen Lehren ziehen. Eine davon heißt: Umschuldung.

HB: Notfallplan in Vorbereitung: Berlin trifft Vorkehrungen für Griechenland-Pleite: Die hektische Rettungsaktion für das strauchelnde Euro-Land Griechenland könnte möglicherweise ins Leere driften und wie ein Bumerang auf die EU zurückfallen. Die Angst vor einer Pleite des Mittelmeerlandes ist nicht gebannt: Offenbar besteht – auch in Deutschland – die Sorge, dass die Griechen von der immensen Schuldenlast erdrückt werden könnten. In Berlin wird daher bereits an einem Notfallplan für den Fall der Fälle gebastelt.

FTD: Lucas Zeise – Merkel darf die Banken nicht länger schonen: Kommentar Die Kanzlerin hat eingesehen, dass der europäische Rettungsschirm zu klein ist. Wenn sie auch noch den unvermeidlichen Umschuldungen zustimmt, kann der Euro gerettet werden. Dazu aber muss Merkel ihre oberste Priorität aufgeben, die heimische Finanzbranche vor Verlusten zu bewahren.

SZ: Plan B“ für Europa EU rüstet sich gegen die Pleite Griechenlands (19.1.11): Möglicherweise sollen Banken und Fonds im Falle eines drohenden Bankrotts „freiwillig“ auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten.

FTD: Gedankenspiele um Pleite – EU will Griechenland entschulden. Der deutsche Finanzminister soll Vorkehrungen für den Fall einer Griechenland-Pleite treffen: Die Staaten der Euro-Zone erwägen die Umschuldung des krisengeplagten Landes. Private Anleger würden dabei die Hauptlast tragen.

Zero Hedge: Germany’s Big Fat Greek Debt Restructuring Plan…Lie?

n i g e c u s Januar 30, 2011 um 17:50 Uhr

Der griechische Haircut wird kommt. Die Gläubiger müssen aber erst ihre Bilanzen für den großen Knall vorbereiten. Nur auf eine Extension zu setzen bringt nichts. Die Griechen brauchen einen Haircut. Anders kann deren Staatshaushalt nicht funktionieren. Und Nö, an einen griechischen Default wird die EU oder der Euro sicher nicht zerbrechen.

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