Endlich! Richter und Furubotns Neue Institutionenökonomik in der Neuauflage

by Dirk Elsner on 11. Februar 2011

Wenn dieser Blog einer ökonomischen Schule folgt, dann ist es die noch vergleichsweise junge Schule der “Neuen Institutionenökonomik”. Für mich Der Standard im deutschsprachigen Raum ist seit Jahren das Werk der Professoren Rudolf Richter und Eirik G. Furubotn: “Neue Institutionenökonomik: Eine Einführung und kritische Würdigung”. Bei Mohr Siebeck ist endlich die vierte und noch einmal überarbeitete und erweiterte Auflage erschienen. Interessant an der neuen Auflage ist, dass sie neben den üblichen Aktualisierungen eine Erwei­terung in Richtung „Neue Institutionenökonomik der Finanzwirtschaft” bietet und sich mit Phänomenen der Finanzkrise befasst.

Gleich im Vorwort stellen die Ökonomen übrigens klar, dass die “Neue Institutionenökonomik nicht – wie das viel­fach geschieht – als eine um positive Transaktionskosten ergänzte neoklassische Mikroökonomik zu verstehen ist, sondern als etwas grundlegend anderes – als ein neuer ökonomischer Denkstil, der nicht allein der Tatsache positiver Transakti­onskosten Rechnung trägt, sondern vor allem auch den Tatsachen unvollständi­ger Voraussicht und eingeschränkter Rationalität. …

Worauf es den Neoinstitutionalisten viel­mehr ankommt, ist eine Antwort auf die Frage zu finden, wie wirtschaftliche Zielsetzungen angesichts unvollständiger Voraussicht, eingeschränkter Rationa­lität und positiver Transaktionskosten möglichst wirtschaftlich zu erreichen oder zu bewahren sind. Die Probleme der Ungewissheit und eingeschränkten Rationa­lität dabei zu berücksichtigen statt sie wegzudefinieren, ist in unserer „nicht-ergodischen“, von ständigen Veränderungen („Krisen“) charakterisierten Welt genauso wichtig, wie die Beachtung der Probleme der inzwischen vielzitierten positiven Transaktionskosten.”

Ich sehe die Neue Institutionenökonomik, deren Vertreter Oliver Williamson und Elinor Ostrom 2009 den Nobelpreis erhalten haben, als derzeit einzig erkennbare Alternative zu den neoklassischen Erklärungsversuchen, die nach Auffassung von Richter und Furubotn auf zu starken Vereinfachun­gen beruhen und zum Teil irreführend sind.

In akademischer Bescheidenheit betonen die Autoren, dass die Neue Institutionenökonomik ein noch in der Entwicklung befindliches Forschungsgebiet ist und es längst nicht als abschließend erschlossen gilt. Ein Defizit machen sie außerdem darin aus, dass die Vertreter der Denkrichtung sich bisher kaum mit Finanzmarktproblemen befasst haben (siehe dazu aber Rudolf Richter, Who Listened? Unappreciated Teachings of New Institutional Economics Related to the Financial Crisis of 2008“ in Kredit und Kapital 4/2009. 

Im ersten Abschnitt ihres Buches arbeiten die Autoren einige Begriffe und Hypothesen heraus, die für “Neue Institutionenökonomik” elementar sind. Dazu gehören:

  • Methodologischer Individualismus
  • Der Maximand
  • Individuelle Rationalität
  • Opportunistisches Verhalten
  • Transaktionskosten

Auch wenn dies explizit nicht so von den Anhängern der Neuen Institutionenökonomik geschrieben wird, sehe ich eine Brücke zwischen den der Neue Institutionenökonomik und einer weiteren Denkrichtung, die häufiger Gegenstand in diesem Blog ist, die Behavioral Economics. Gerade die Konzepte der unvollständigen Voraussicht und der eingeschränkten Rationa­lität von uns Menschen lassen nach meiner Auffassung hier nämlich genügend Spielraum für die Integration der Verhaltensforschung und Neuroökonomie.

Unter dem Blickwinkel der unvollkommenen individuellen Rationalität werden die Präferenzen der Entscheidungssubjekte als unvollständig und über die Zeit ver­änderlich erachtet. Und mit der Einführung positiver Transaktionskosten erfährt die untersuchte Modellwelt eine grundlegende Veränderung. Wirtschaftssubjekte sind nicht länger „vollständig informiert” gelten, weil der unbegrenzte Erwerb von Wissen einfach zu teuer und, soweit es sich um noch in der Zukunft liegende Entwicklungen handelt, schlicht unmöglich ist. Eine Konsequenz ist, so Richter und Furubotn, dass systematische Beziehungen sich im Zeitverlauf in unvorhersehbarer Weise ändern können. Demzufolge können neue, fundamental veränderte Unsi­cherheiten auftreten.

Damit bauen Richter und Furubotn auch eine Brücke zu der dritten von diesem Blog favorisierten Denkrichtung: Komplexitäts- und Chaostheorie.

Mittlerweile gibt es eine ganze Menge deutschsprachiger Literatur über die Neue Institutionenökonomik. Einen Teil der online verfügbaren Quellen, habe ich auf dieser Seite zusammen gestellt. Einen ausführlichen Blick in die dritte Auflage des Buches von Richter und Furubotn gestattet übrigens Google Books.

Andreas Buschmeier Februar 11, 2011 um 17:15 Uhr

Besonders bemerkenswert finde ich, dass erst mit Einführung dieses „neuen“ Ansatzes die Entwicklung einer Banktheorie überhaupt erst möglich wurde. Ohne Aufhebung der neoklassischen Annahme des vollkommenen und vollständigen Kapitalmarktes hätte nie eine Begründung für die Existenz von Banken wissenschaftlich hergeleitet werden können. Gut, Banken sind ein relativ neues Phänomen – es gibt sie ja erst rund 300 Jahre.

Vielen Dank auch für den Hinweis auf die Relevanz des Neoinstitutionalismus und Behavioral Economics/Finance in Bezug auf die Finanzkrise. Die einhellig demütige Haltung der Ökonomen und das Eingeständnis des Versagens der Wissenschaft hat mich irritiert. Diese „neuen“ Ansätze existieren nun bereits seit gut 30 Jahren. Daher kann sich eigentlich kein Wissenschaftler mehr hinter der Neoklassik verstecken.

Übrigens sehe (und lehre) ich auch die erwähnte Brücke zwischen Neoinstitutionalismus und Behavioral Economics. Schön, dass ich nicht der einzige bin.

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