Ein Jahr nach dem Vulkanausbruch und dem Flugverbot in Europa: 1,1 Billionen US$ Schaden und niemanden juckt es

by on 13. April 2011

Morgen vor einem Jahr sorgte ein Schwarzer Schwan für den Stillstand des Flugverkehrs in Europa. Der isländische Vulkan Eyjafjalla war ausgebrochen und sorgte für Hochstimmung bei Taxisfahrern und ansonsten für lange Gesichter, weil zwischen dem 14. und 22. April der Flugbetrieb in Mittel- und Osteuropa eingestellt werden musst. Der Ausbruch demonstrierte die Verletzlichkeit und Abhängigkeit unserer Wirtschaftsordnung von einem fernen Naturereignis, wie selten zuvor in der europäischen Wirtschaftsgeschichte.

Wir haben das Ereignis und seine Konsequenzen sehr schnell vergessen. Eigentlich erstaunlich, denn, so schreibt die FAZ, die “OECD geht heute von Gesamtkosten für die Weltwirtschaft inklusive aller Folgen von 1,1 Billionen US-Dollar (rund 770 Milliarden Euro) aus, die EU-Kommission schätzt allein die direkte Wirkung der Vulkankrise auf 4,7 Milliarden Euro – nicht nur in Europa. Kenia etwa verlor rund drei Millionen Dollar an Export- und Tourismuseinnahmen.”

Die FAZ fasst interessanterweise nicht im Wirtschafts-, sondern im Reisebuch der Sonntagszeitung die versandete Debatte über die Konsequenzen für den Flugverkehr zusammen. Irgendwie erinnerte mich das an den Beitrag von Marsman vergangenen Woche im Blick Log, denn das Thema Vulkanasche dominierte für fast zwei Wochen die Schlagzeilen von der Politik über die Wirtschaft bis hin zum bunten Teil, um dann plötzlich zu verschwinden. Der in Irland lebende Marsman schrieb die folgenden Sätze anlässlich der bereits ebenfalls in Vergessenheit geratenden japanischen Katastrophe:

“Und wieder mal geht ein Medienrummel zu einem Thema zu Ende. Im allgemeinen dauert so ein Medienrummel zu einem Skandal, einer Katastrophe höchstens zwei Wochen. Kurzfristig, auf dem Höhepunkt eines solchen Rummels, scheint es, als würde dies nun das Thema für alle Ewigkeit sein. Bis dann plötzlich die Schlagzeilen weniger werden, das Thema nicht mehr das Hauptthema in den Nachrichten ist, sondern sich weiter unten findet, bis es schließlich nur mehr sporadisch vorkommt oder ganz verschwindet.”

Schaut man in die damaligen Pressereaktionen, dann erinnert dies sehr an die hysterische Reaktion Deutschlands nach der Kernenergiekatastrophe in Japan (siehe “Kernschmelze der Information oder wann wird Deutschland evakuiert?”). So verbreitete Spiegel Online Unsicherheit:

“Die Eruption des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull hat den Flugverkehr in ganz Nordeuropa ins Chaos gestürzt. Das sind die unmittelbaren Auswirkungen. Aber welche langfristigen Folgen für Klima und Umwelt hat der Ausbruch, ist die Asche gesundheitsgefährdend und was könnte noch passieren?”

Und ganz vorn dabei natürlich BILD mit der bangen Frage: Nervt uns die Aschewolke noch Jahrzehnte? Eine Presseschau des Handelsblatt amüsierte mit dem Titel Ashpocalypse Now? 

Und heute? Ein Jahr nach dem Jahrhundertereignis für den Flugverkehr redet man gerade einmal zum Jahrestag davon, ist sich dabei aber nicht mehr sicher, ob der Ausbruch vor einem, zwei oder fünf Jahren stattfand, so viel ist in der Zwischenzeit in der Welt passiert. Ach ja, und die Konsequenzen, über die man damals schnell entscheiden wollte, sind immer noch nicht vereinbart. Nach dem Flugchaos gibt es keine EU-Asche-Grenzwerte. Und die sich bedroht fühlenden Fluggesellschaften haben das “Drama” ganz ohne Staatshilfe überlebt.

Blick in damalige Pressereaktionen über im Blick Log

Beiträge zum Jahrestag

Süddeutsche: Ein Jahr nach der Aschewolke keine klärenden Urteile

FAS: Island – Die Luft ist rein: Als der Vulkan mit dem unaussprechlichen Namen Eyjafjallajökull vor einem Jahr in Island ausbrach, herrschte Chaos im europäischen Luftraum. Aber noch sind keine Lehren aus der Aschewolke gezogen.

Spon: Erstmals Klimagefahr durch Eiswolken berechnet: Weil der Vulkan Eyjafjallajökull auf Island Asche in die Atmosphäre spuckte, mussten tausende Flugzeuge am Boden bleiben. Gerade an Kreuzungspunkten von Luftverkehrsrouten war das Ergebnis frappierend: endlich blauer Himmel.

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