Blase 2.0 oder womit Facebook noch kein Geld verdient

by Dirk Elsner on 27. Juni 2011

Es ist einfach köstlich, wie die Analysten uns immer im Nachhinein erklären, warum etwas so kommen musste, wie es gekommen ist. Nach dem Börsengang von Pandora und einem Eintages-Kurshype ist die Aktie erst einmal abgeschmiert. In der FTD ist dazu zu lesen:

“Einigen Experten zufolge demonstriert dieser Flop, dass wieder Vernunft in den IPO-Markt eingekehrt ist. „Pandora zeigt, dass der Markt eine Quittung verpasst, wenn ein Unternehmen bei seinem IPO immer noch kein tragfähiges Geschäftsmodell vorweisen kann“, sagte Bruce Taragin von Blumberg Capital. „Ich bin erleichtert, dass es an der Börse keinen irrationalen Eifer gab.“

Insgesamt tun sich Investmentbanken und institutionelle Anleger sehr schwer mit der Einschätzung der Web 2.0-Werte. Vor dem vorläufigen Flop mit Pandora unterstrich bereits der Börsengang von LinkedIn, dass die Finanzbranche in Bezug auf Social Media vollkommen unterbelichtet ist. Der Emissionspreis für das Businessnetzwerk war auf 45 US$ Dollar festgelegt worden. Nach Aufnahme der Notiz schnellt die Aktie auf 122,70 US$ (Dank der Indexfonds, die der Herde folgen mussten) und verabschiedete sich am ersten Tag mit 94,25 US$. Das Plus von 109% zum Ausgabekurs muss vor allem die Erstverkäufer, also die Gründer und Seedinvestoren, geärgert haben, denn sie haben diese Differenz Dank der “guten” Einschätzungen der Investmentbanken verschenkt. Und die Käufer der ersten Tages dürften auch nicht glücklich geworden sein, denn der Titel befindet sich im Rückwärtsgang (siehe Chart).

Meine Zweifel zu Groupon hatte ich bereits in diesem Beitrag vertreten. Siehe außerdem zu Groupon:

 

das Geschäftsmodell hat Tücken für Kunden und kooperierende Unternehmen.

Meine Skepsis von Anfang Januar zu der angeblichen phänomenalen Bewertung von Facebook (damals 50 Mrd. US $, jetzt angeblich 100 Mrd. US$) halte ich weiterhin aufrecht, selbst wenn das Handelsblatt weiß “Warum Facebook 100 Milliarden wert ist”.

Holger Schmidt war da in der FAZ deutlich zurückhaltender und schrieb:

“Um aber eine Bewertung von 100 Milliarden Dollar zu rechtfertigen, muss Facebook noch an seinem Geschäftsmodell arbeiten. Zwar lässt sich mit Online-Werbung bei dieser Größe auch dann noch gutes Geld verdienen, wenn die Klick-Raten so unterirdisch sind wie zur Zeit auf Facebook. Doch im Moment erzielt das soziale Netzwerk nur einen Umsatz je Nutzer von etwa 4 Dollar im Jahr. Eine Bewertung mit 100 Milliarden Dollar würde jedem Nutzer aber einen Wert von mehr als 120 Dollar zurechnen, sollte Facebook bis dahin 800 Millionen Nutzer aufweisen. Facebook hat sicher das Potential, ein zweites Google zu werden. Den Beweis dafür sollte das Unternehmen bis zum Börsengang aber noch nachliefern.”

Und diese Skepsis wird sich noch verstärken, wenn man sich das konkrete Nutzerverhalten der Generation Facebook ansieht. Ende vorletzter Woche habe ich mit egghat darüber per Twitter philosophiert, wie denn wohl Facebook im mobilen Netzzeitalter seine Nutzer zu Geld machen will.

Immer mehr Anwender nutzen Facebook nämlich über Smartphone-Apps. Und dort habe ich in der Facebook eigenen App bisher überhaupt keine adds gesehen. Womit soll Facebook also so viel Geld machen, um solche Bewertungen zu rechtfertigen. Wer zahlt für Werbung, die keiner klickt?

Der Fantasie muss schon erheblich nachgeholfen werden, um auf einen Umsatz von 120 US$ pro Nutzer zu gelangen. Ich vermag mir eine solche Bewertung allenfalls vorstellen, wenn Facebook ernsthaft die Gedanken fortsetzt, seine Marktmacht etwa für den Finanzsektor zu heben, wie ich das im März 2010 in dem Beitrag “Wie Facebook mit Banking 2.0 die Finanzbranche aufmischen könnte” geschrieben habe. Aber selbst dann sind die Bewertungen kein Selbstgänger und mit hohem Risiko versehen. Erstaunlich daher, dass potentielle Investoren hier keine Risikoabschläge vornehmen. Sie hoffen offenbar darauf, Dümmere zu finden, die sich vom Hype anstecken lassen und auf den fahrenden Zug aufspringen. Und vielleicht hoffen sie auch auf die Indexfonds, die ja alles kaufen, was im Markt bzw. im Indes steckt, Preis egal.

Außerdem sollten wir nicht vergessen, in den USA soll Facebook angeblich bereits wieder schrumpfen. Daneben ist Facebook nicht die Welt, denn etwa 90% der Weltbewohner sind keine Facebooknutzer.

Wie auch immer sich die Börsengänge entwickeln werden. Die aktuelle Berichterstattung deutet darauf hin, dass die ganz große und unkritische Euphoriewelle vom Anfang des Jahres einer realistischen Einschätzung gewichen ist.

Daniel Juni 30, 2011 um 10:21 Uhr

Natürlich sind „etwa 90% der Weltbewohner […] keine Facebooknutzer“ – aber man darf auch nicht vergessen, dass etwa 70% der Weltbewohner keine Internetnutzer sind. Bei einer „Online Bevölkerung“ von ca. 2,1 Mrd. weltweit (siehe http://www.internetworldstats.com/) ist mit 710 Mio. Usern (siehe http://www.socialbakers.com/) immerhin ein gutes Drittel bei Facebook angemeldet. Das ist zwar auch „nicht die Welt“, aber durchaus beachtlich.

Ansonsten natürlich ein sehr guter und richtiger Beitrag.

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