Kreditversicherungen abschließen oder Credit Management optimieren (Teil 2)? Vom Forderungsmanagement zum Credit Management

by Dirk Elsner on 13. Oktober 2011

Im ersten Beitrag dieser Reihe hatte ich skizziert, welchen Faktoren die Preise einer Kreditversicherung beeinflussen und wie man die Gesamtkosten dieser Form der Absicherung gegen den Ausfall von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen ermitteln kann. Ob und in welchem Umfang sich die Ablösung einer Kreditversicherung lohnt, hängt dabei von der Effizienz des eigenen Forderungsmanagements und weiteren Rahmenbedingungen ab.

Generell gilt nach meiner Auffassung für eine vorläufige Einschätzung, dass eine Kreditversicherung sich um so eher nicht lohnt,

  • je geringer die Abhängigkeit von einzelnen Großkunden ist (Stichwort Clusterrisiko)
  • je breiter gestreut die Forderungen auf verschiedenen Kunden aus verschiedenen Branchen sind,
  • je geringer das Branchenrisiko der Kunden eingeschätzt wird,
  • je werthaltiger gestellte Sicherungsmechanismen sind (z.B. verlängerter Eigentumsvorbehalt, Wechsel, Bürgschaft etc.)
  • je kleiner die Forderungen im Vergleich zum Umsatz bzw. des Gesamtforderungsvolumens sind und
  • je größer das Unternehmen ist und damit je geringer der Kostenanteil für ein effizientes eigenes Forderungsmanagement ist.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Organisation des Forderungsmanagements. Manche Unternehmen verstehen dies immer noch ausschließlich als professionelles organisiertes Rechnungs- und Mahnwesen. Tatsächlich entspricht dies schon lange nicht mehr einem modernen Verständnis des Forderungsmanagements. Statt Forderungsmanagement wird heute auch immer mehr von Credit Management gesprochen.
Der Kern eines optimalen Forderungs- bzw. Credit Managements besteht nämlich nicht nur einfach darin, die Höhe der Forderungsausfälle zu minimieren, sondern den Barwert des Forderungsstroms zu maximieren. Dies mag der eine oder andere Leser als akademische Spitzfindigkeit ansehen, hat aber große Auswirkungen, denn nach einer Barwertbetrachtung ist ein Forderungsbetrag um so weniger Wert,

  • je später Forderungen beglichen werden
  • je höher die Finanzierungskosten sind,
  • je riskanter der Schuldner ist,
  • je größer der mögliche Abschlag (vulgo Skono) ist, den der Schuldner leisten darf,
  • je unsicherer das Zahlungsverfahren ist und
  • je größer die Kosten des Zahlungsverfahrens sind.

Eine Forderung erreicht damit ihren maximalen Wert, wenn sie unmittelbar zum Zeitpunkt ihrer Entstehung in vollständiger Höhe beglichen wird. Das mag an dieser Stelle für einen kurzen theoretischen Exkurs reichen und wir wenden uns der Praxis zu. Es gibt diverse Grundsätze zum Forderungsmanagement, die im Prinzip Allgemeingut sind und daher hier nur kurz angerissen werden sollen. Dazu gehört etwa, dass ein Unternehmen überhaupt ein systematisches Debitorenmanagement aufgebaut haben sollte, um die Forderungsausfälle niedrig zu halten und Zahlungseingänge zu beschleunigen. Dazu gehört ein

 

  • klar dokumentierter Prozess vom Angebot bis hin zur Gutschrift des Geldeingangs mit
  • klaren Verantwortlichkeiten und
  • klar Vorgaben bzw. Vereinbarungen zu Zahlungsterminen, -verfahren und Mahnverfahren.
  • ein brauchbares Berichtswesen über offene bzw. überfällige Forderungen, wie es heute jedes Buchhaltunssystem mitbringt und
  • regelmäßig Kontrolle der Berichte sowie
  • Zuordnung von klaren Verantwortlichkeiten, wenn Probleme sichtbar werden.

Die genannten Punkte betreffen freilich nur Mindesstandards und deren Erfüllung nicht eine Kreditversicherung ersetzt. Das moderne Verständnis geht weiter und wird von Dr. Michael Sauter in einem Beitrag für den Blog Mittelstandscafe gut umrissen:

“Zukünftig muss das Credit Management deutlich stärker die individuelle Situation der Kunden verstehen und berücksichtigen. Dazu gehört neben der intensiven Nutzung von internen und externen Kundeninformationen sowie der effizienten Bewertung von Kunden auch die Fähigkeit, Vertrags- und Zahlungsbedingungen individuell anpassen zu können. Dementsprechend wird das Credit Management dafür künftig sehr viel stärker in den Dialog mit den Kunden treten und die Interaktion ausbauen.”

Will man sein Forderungsportfolio gegen Ausfälle absichern, muss man daher etwas tiefer eingreifen. Ich werde daher im nächsten Teil einige Besonderheiten eines modernen Credit Managements betrachten, deren Berücksichtigung in jedem Fall die Ablösung einer Kreditversicherung erleichtert.

Diesen Beitrag habe ich ursprünglich für die Webseite der CFOWorld geschrieben.

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