Eckpunkte des Credit Managements (Teil 3): Kunden in Bonitätsklassen einteilen

by Dirk Elsner on 20. Oktober 2011

Im zweiten Teil dieser Beitragsreihe zu Kreditversicherungen ging es um allgemeine Prinzipien im Forderungs- bzw. Credit Managements. Mit dem Format dieser Beiträge können natürlich nicht sämtliche Aspekte auf zwei bis drei Seiten für die operative Durchführung entsprechender Maßnahmen betrachtet werden. Hier geht es vielmehr um Denkanstöße für die Praxis, die entsprechend auf das jeweilige Unternehmen auszuarbeiten sind.

Wenn ein Unternehmen den Wert seiner Forderungen maximieren will und eine Kreditversicherung überflüssig machen möchte, dann ist etwas mehr zu tun, als lediglich das Forderungsmanagement zu optimieren. Im Mittelpunkt dieses Beitrags steht daher der Kernpunkt eines guten Credit Managements.

Im Zentrum des Credit Managements steht, die Risiken des Ausfalls zu minimieren bzw. den Barwert der Forderung zu maximieren. Wesentlich wird der Wert einer Forderung gemindert, wenn sie nicht rechtzeitig und nicht in voller Höhe beglichen wird, weil etwa der Kunde Zahlungsprobleme hat.

Ein grundlegendes Merkmal des Credit Managements ist, dass Unternehmen systematisch die Bonität ihrer Kunden einschätzen und auf dieser Basis entsprechende Maßnahmen steuern. Noch entscheidender als die Einschätzung der Bonität eines Kunden ist die Bewertung der Bonität einer Forderung. Diese muss nämlich nicht zwangsläufig identisch mit der Bonität eines Schuldners sein, etwa wenn für die Forderung eine Bürgschaft oder Garantie vorliegt.

Die Beurteilung von Bonitätsrisiken gehört zu den beliebtesten “Geheimwissenschaften” der Finanzmärkte, wie auch die aktuelle Diskussion um die internationalen Ratingagenturen zeigt. Kaum ein Institut und insbesondere die Rating-Gesellschaften legen ihre genauen Kriterien und ihre Bewertungsalgorithmen für die Bewertungseinschätzung offen. Vielleicht ist das auch gut so, denn keine dieser Bewertungsmethoden kann wirklich perfekt sein. Stets geht es um eine ungewisse künftige Entwicklungen, die auch nach dem Gesetz der Großen Zahl nicht abschließend statistisch vorhersehbar sind.

Im Kern geht es darum, auf Basis bekannter betriebswirtschaftlicher Merkmale Einschätzungen über die Zukunft und Erfahrungen die Wahrscheinlichkeit dafür zu ermitteln, dass ein Schuldner seine Forderungen vereinbarungsgemäß zahlt. Nach meiner Erfahrung ist es für ein Unternehmen erforderlich, sich dazu eigenverantwortlich ein Urteil über die Debitoren zu bilden und sich nicht ausschließlich auf Einstufungen Dritter (Rating-Gesellschaften, Auskunfteien) zu verlassen. Die Selbsteinschätzung sollte insbesondere für solche Kunden mit etwas Vorbereitung leicht möglich sein, mit denen eine langjährige Geschäftsbeziehung gepflegt wird.

Ergänzend kann man von externen Auskunfteien  Bonitätsbewertungen für Kunden einkaufen. Kein Anbieter legt aber wie gesagt offen, wie er zu seiner Bonitätseinschätzung in Form von Noten bzw. Ausfallwahrscheinlichkeiten gelangt. Und viele dieser Bewertungsgesellschaften kennen gerade mittelständische Unternehmen meist nur aus der Außendarstellung und veröffentlichten Bilanzdaten. Ein großer Nachteil dieser Analyse ist ihr Bezug auf die Vergangenheit. Viele Lieferanten kennen ihre wichtigen Kunden sehr genau, wissen oft was sie vor haben und können auch die Erfolgsaussichten besser einschätzen als Externe. Die Selbsteinschätzung der eigenen Kunden birgt natürlich andererseits das Risiko, etwa aufgrund guter persönlicher Beziehungen, Gefahren zu übersehen.

Tatsächlich gibt es nicht das eine objektive Verfahren, aus dem sich ableiten lässt, wann einer Schuldner ausfällt. Es gibt lediglich Verfahren die rückwirkend betrachtet besser oder schlechter mit ihren Einschätzungen waren. In jedem Fall rate ich, die eigenen Kunden in verschiedene Bonitätsklassen (fünf bis höchsten 10) zu klassifizieren, dies regelmäßig zu überprüfen und daran das Credit Management auszurichten.
Eine systematische eigene Bonitätseinschätzung halte ich insbesondere bei hohen Forderungsvolumina für notwendig. Im Retailgeschäft macht es mehr Sinn die Einschätzung auf Basis externer Ersteinschätzung, wie von Creditreform, Coface, Hoppenstedt oder Schufa vorzunehmen und diese Einschätzung dann ggf. auf Basis eigener Erfahrung zu korrigieren.

Ganz dringend rate ich dazu, die Bonitätseinschätzungen systematisch unter der Verantwortung des Finanzmanagements und unter Mitwirkung des Vertriebs zu ermitteln und in den hauseigenen CRM- und ERP-Systemen zu hinterlegen. Warum das wichtig ist, schauen wir uns im übernächsten Teil dieser Serie an. Im nächsten Teil geht es in einem kleinen Exkurs darum, auf Basis welcher Merkmale sich die Bonität eines Kunden bzw. einer Forderung einschätzen lässt.

Diesen Beitrag habe ich ursprünglich für die Webseite der CFOWorld geschrieben.

Previous post:

Next post: