Warum ich ein Problem mit der Zwangsbeglückung von Banken habe

by Dirk Elsner on 19. Oktober 2011

Jetzt ist ja wieder so eine Zeit, wo die Politiker sich gegenseitig täglich neue Vorschläge um die Ohren hauen, um den Wählern Aktionismus in Richtung Banken signalisieren. Als Freizeitbeobachter kommt man da kaum hinterher. Das Thema Trennbanksystem lasse ich erst einmal aus, weil es mir viel zu schnell gesprungen ist. Aber das Zwangskapitalisierungsthema finde ich spannend.

In einigen Beiträgen habe ich in den letzten Wochen deutlich gemacht, warum eine Rekapitalisierung diverser Banken notwendig ist. Diese Debatte hat nun auch die Öffentlichkeit erreicht. In einem Beitrag Anfang Oktober habe ich zwar angedeutet, dass eine Zwangskapitalisierung droht, das bedeutet aber noch lange nicht, dass ich ein Freund der Zwangskapitalisierung bin.

Zwischen Kreditwirtschaft und Politik kommt es wegen der Frage, ob der Staat bestimmte Banken zwangsweise mit Kapital ausstatten sollte, zu einer heftigen öffentlichen Auseinandersetzungen (mit ungewohnt aggressiven und rauen Vokabular hier der Präsident des Bankenverbandes). Finanzminister Schäuble will dafür sorgen, dass alle systemrelevanten Banken ausreichend Kapital bekommen, selbst wenn dies nicht allen Banken gefällt. Josef Ackermann wehr sich dagegen mit großen Worten und will im Zweifel rechtliche Schritte dagegen unternehmen.

Ich lehne die Argumentation des Bankenverbands strickt ab. Wer wie der Bankenpräsident behauptet, wir hätten keine Bankenkrise, sondern eine politische Vertrauenskrise, der macht sich allein deswegen unglaubwürdig, weil er die aktuellen Vertrauens- und Refinanzierungsprobleme vieler (aber längst nicht aller) Banken verniedlicht.

Persönlich habe ich dennoch große Bauchschmerzen mit der Zwangsbeglückung von Banken. Mal unabhängig von der Frage, wie eine solche staatlich forcierte Zwangskapitalisierung technisch durchgeführt wird, kann ich im Moment nicht nachvollziehen, mit welcher Rechtfertigung der Staat die Banken zwingen will. Selbst wenn der Staat die Gefahr einer Kreditklemme sieht, die ich übrigens für sehr realistisch halte, bekomme ich das Instrument der zwangsweisen Kapitalzuführung nicht in meiner ordnungspolitischen Denke untergebracht. Man muss sich fragen, was das Ziel dieser Maßnahme sein soll und ob diese Ziele nicht auch anders erreicht werden könnten.

Normalerweise gilt Marktversagen als eine Bedingung um Eingriffe des Staats zur rechtfertigen. Ich glaube, man kann trefflich darüber streiten, ob hier tatsächlich Marktversagen vorliegt oder mit der Bankenkrise eine längst überfällige Bereinigung der verkrusteten Bankenstrukturen nachgeholt wird.

Die Bankenkrise selbst wäre damit keine Rechtfertigung für einen staatlichen Eingriff. Problematischer ist freilich, dass mit dem Taumeln der Banken auch ihre zentralen Funktionen für die Realwirtschaft gefährdet werden. Wenn die Kreditversorgung leidet (und viele Anzeichen sprechen dafür) und Privatpersonen und Unternehmen im worst case nicht mehr über ihre Einlagen verfügen können, dann rechtfertigt dies einen staatlichen Eingriff. Um diese Funktionen zu erfüllen, gibt es aber bereits jetzt ein Instrumentarium via Kreditwesengesetz, insbesondere den “Maßnahmen gegenüber Kreditinstituten bei Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems” bzw. dem Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz. Warum diese Änderungen, die die Regierung mit dem “Restrukturierungsgesetz” ja gerade zur Krisenbekämpfung verabschiedet, nicht zur Anwendung kommen sollen, ist mir schleierhaft und bedarf einer Erklärung.

Aus meiner Sicht sollte die Regierung dringend mit den Gedankenspielen zur Zwangskapitalisierung aufhören und sich lieber Gedanken machen, welche weiteren Möglichkeiten es zur Vermeidung einer Kreditklemme bzw. zur Sicherstellung der Bankfunktionen gibt. Wie gesagt, ich lehne die Argumentationskette des Bankenverbandes ausdrücklich ab, aber die Reihenfolge erst helfen sich die Banken selbst, dann versuchen sie Kapital am Markt zu beschaffen und als letzte Option könnte der Soffin reaktiviert werden, teile ich. Die Mittel für die Zwangskapitalisierung wären dann besser für einen Neustart des Finanzsystems aufgehoben.

Weitere Beiträge zur Zwangskapitalisierung

DRadio: Deutsche Banken wehren sich gegen Kapitalspritzen

SZ: Debatte um Zwangskapitalisierung von BankenAckermann lehnt Staatsgeld ab

FTD: Pro und Contra Zwangskapitalisierung für Banken?

FTD: Weidmann sieht durch Krise das gesamte Banksystem in Gefahr

HB: Schuldenkrise – Ohne Zwangskapitalisierung der Banken geht es nicht

DLF: Angst vor der Ansteckung im Bankensektor

enigma Oktober 20, 2011 um 01:14 Uhr

@ dels

„…bekomme ich das Instrument der zwangsweisen Kapitalzuführung nicht in meiner ordnungspolitischen Denke untergebracht.“

Der ordnungspolitische Aspekt gefällt mir sehr gut, weil Unternehmen und Banken sowieso sofort auf ordnungspolitische Gegebenheiten reagieren. Was bei der ordnungspolitischen Diskussion immer hinten runterfällt ist die Steuergesetzgebung. Anscheinend macht sich darüber niemand irgendwelche Gedanken.

Vielleicht ist hier ein Forum, welches mal ein Problem aufgreifen kann, welches inzwischen seit wahrscheinlich mehr als 40 Jahren auf eine Lösung wartet. Das betrifft die steuerliche Bevorzugung des Fremdkapitals gegenüber dem Eigenkapital.

Ganz salopp gesprochen: Unternehmen finanzieren sich mit EK und FK. D.h. daß zwei Finanzierungsquellen gleichermaßen zu einer Gesamtveranstaltung Unternehmung beitragen. Sachlich ist es nichts weiter als eine Zuführung von Geld.

Der Unterschied ist: Fremdkapitalzinsen sind Kosten und – sagen wir mal – Dividenden sind Ausdruck von Gewinn. Schumpeter hat mal geschrieben, daß der Zins so wirkt wie eine Steuer auf den Unternehmensgewinn! Heißt auf gut Deutsch: der Zins wird aus dem Gewinn bezahlt!

Und nun die Frage: warum werden Gewinnanteile, die als Zinsen deklariert sind als Kosten steuerlich gewinnmindernd akzeptiert, während die Gewinnanteile, die als Dividenden ausgeschüttet werden NICHT als Kosten akzeptiert werden? Gut, man muß sich da entscheiden, nur: eine Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte ist ordnungspolitisch nicht begründbar! (Wer meint, daß die Entscheidungsmacht den Unterschied ausmacht, ist schief gewickelt!)

Heißt: die steuerliche Gesetzgebung führt dazu, daß ordnungspolitisch die Aufnahme von Fremdkapital begünstigt wird, während die Erhöhung von Eigenkapital heutzutage zu einer großangelegten Widerstandsaktion der Unternehmen / Banken führt!

Die gegenwärtige Diskussion dreht sich um die Fragen der Überschuldung von Unternehmen, Banken und Staaten! Ist es möglich, die steuerpolitische Gegebenheit, die, aufgrund der Tatsache, daß sie bereits seit Jahrzehnten schon das Denken von Steuerberatern prägt, dahingehend zu verändern, daß die gesunde Funktionsweise der unternehmerischen Kreditkonsolidierung irgendwann mal dazu führt, daß EK und FK – wenigstens – mal die gleichen Voraussetzungen bekommen?

Und ja: das ist keine Kleinigkeit. Denn die Angleichung der steuerlichen Bedingungen zwischen EK und FK ist ein Punkt von (wahrscheinlich) jeder Politikagenda der letzten 50 Jahre!

Nachsatz: Die Schuldenbremse führt in Zukunft automatisch dahin, daß es wesentlich weniger „sichere“ Geldanlagen gibt. Wie soll das funktionieren, wenn FK gegenüber EK immer noch steuerlich bevorzugt wird? (Bevor jemand erzählt, daß staatliche Schuldenbremse und unternehmerische Finanzierungsentscheidungen zwei unterschiedliche Dinge sind – ja das weiß ich!)

Wer das Gegebene für das Selbstverständliche hält, hat mit der Zukunft nichts mehr zu tun!

Wer denkt mit?

nigecus Oktober 21, 2011 um 23:52 Uhr

@enigma

Das betrifft aber nicht nur Banken, sondern alle Firmen, die Steuern zahlen sollen.

Es gibt ja sogar einen volkswirtschaftlichen Grund warum Anreize für das Schuldenmachen gesetzt werden sollten. Das ist natürlich eine Wachstumsmöglichkeit. Ganz grob:
– Firma hat eine tolle Idee, um eine Sache herzustellen
– Firma hat aber nicht genug (eigenes) Geld für das Projekt
– Die Bank würde einen Kredit mit Fixkupon gewähren
– Nimmt die Firma den Kredit an, könnte das Projekt scheitern
-> Bankrott (Und das eigene Geld auch futsch)
Die Steuerminderung aufgrund des Fremdkapitals ist ein Trade-Off mit der damit einhergehenden erhöhten Insolvenzgefahr (Ohne Kredit kann man nicht pleite gehen).

Diese Trade-Off-Theorie hat ihre Existenzberechtigung in einer Gesellschaft, wo neue Konsummöglichkeiten (die die Lebensqualität wirklich spürbar erhöhen) noch nicht wirklich der breiten Masse zugänglich ist, weil das Angebot zu klein (und sehr kapitalintensiv, sprich industriell). Zum Beispiel nach dem WW2 war die Situation so, oder als sich noch nicht jeder diese tollen neuen Fortbewegunsgmittel names „Automobil“ leisten konnten, die Menschen herausfanden wie toll man mit Öl auch leichten Kunststoff und sonstige nützliche Chemikalien herstellen konnte, oder diese Computer und Elektroniksachen womit man quasi wie durch Zauberei automatisch Sachen steuern konnte … usw.
(Durch Kredit entstehen keine neuen Nutzenmöglichkeiten, man sorgt nur dafür dass sich diese schneller verbreiten können)

Und nun kommt der Haken. Was ist wenn der (aktuellen) Geschäftsführung der Firma die Insolvenzgefahr egal ist? Zum Beispiel, weil ihnen garnichts am langfristigen Erfolg bzw. dem Überleben liegt? Und was ist wenn den (aktuellen) Besitzern der Firma das auch egal ist? Weil relativ simpel ihre Anteile versilbern können?
Tja, dann bekomen sie Firmen,
– die nach alten HGB überschuldet wären, aber nicht nach IFRS,
– die fast garkeine Steuern bezahlen
– die dennoch nicht wirklich viele neue Projekte anstießen
Wir sind in einer Phase wo es einfach nicht viel Neues (kapitalintensives) gibt wofür man ganz viele Kredite zum Kickstart bräuchte. Da bleibt nur noch: Geschäftsmodell=Leverage.

*Hmm. Das letzte was so „neu“ war, war „Software für Dummis“ (z.B. Webanwendungen, Windows, Mac OS, usw.). Das hat sich von den 90er bis heute so dahingezogen. Mehr fällt mir nicht ein, was in der Kategorie „Steigerung des Lebensstandards“ prinzipiell neu hinzugekommen ist. Software ist vergleichsweise kaum kapitalintensiv (Auch wenn die großen Milliardenzahlen einen anderen Anschein erweckt; Mann hat nur F&E Kosten… und selbst das sind heute „Assets“).

nigecus Oktober 22, 2011 um 00:08 Uhr

„Die Schuldenbremse führt in Zukunft automatisch dahin, daß es wesentlich weniger “sichere” Geldanlagen gibt.“

Das ist das beste was einer Wirtschaft passieren kann, weil dies automatisch dazu führt das Anleger/Sparer riskantere Anlagen tätigen müssen (Das ist natürlich eine grausame Vorstellung für so manchen).
Effekte:
– Kreditkosten für Unternehmen sinken
– Anleger/Sparer fragt sich: Wie? Mehr Risiko, aber weniger Kupon?
– Das ist Risk-Shifting-Problem quasi verdoppelt
– Reaktion des Anleger/Sparer:
(a) ich gehe direkt ins Risikokapital (z.B. Aktien) ==> Firma kann riskanter Projekte finanzieren (z.B. mehr F&E-Kosten)
(b) ich konsumiere einfach mehr, weil Sparen nichts bringt ==> Das ist auch gut!
(c) ich nehme mein Geld, gründe eine Firma, besorge (mehr von dem verfügbaren) Risikokapital und billigeren Kredite.

Noch was: Ein Staat braucht eigentlich garkeine Schulden haben, weil ein Staat sich eigentlich von seinen Steuereinnahmen und den Abgaben finanzieren soll. Aus irgendeinen Grund sehen das ganze Generationen von Politiker ganz anders. Ansonsten gibt es auch keine plausible Begründung warum Staatsanleihen eine Risikogewichtung von Null haben (d.h. Eigenkapitalanforderung=0).

HRR Oktober 19, 2011 um 16:56 Uhr

Eine Zwangsbeglückung ist wegen des Dominoeffekts notwendig. Die Banken sind untereinander so vernetzt via derivative Instrumente, dass ein Bankrott verhindert werden muss. Natürlich kann man sie auch aufteilen, doch das dauert im aktuellen Stadium der Krise viel zu lange. Die Deutsche Bank hat beispielsweise nur ein EK von 2.7 Prozent. Was passieren würde, wenn dieses durch Verluste aufgefressen wird, möchte ich mir gar nicht erst ausmalen.

n i g e c u s Oktober 19, 2011 um 12:02 Uhr

Ich finde die Volcker-Regel garnicht so schlecht. Also anstatt zu „beglücken“, sollte die europäische Politik die Großbanken zerschlagen.

Man sollte sich nicht, wie bei der Volcker-Regel, nur den Eigenhandel beschränken. Es wäre eigentlich besser wenn das Investmentbankgeschäft komplett vom Einlagengeschäft getrennt wird.

a. Eigenhandel -> Hedge-Fonds Branche (d.h. gehebelte Fonds)
b. Underwriting & Distribution -> Investmentbanking
c. Einlagengeschäft -> Neue normale Banken.
(d. Asset Management -> Ist eh schon seperat)

Wie folgt würde dann jede europäische 0815 Großbank aufgeteilt:

c. Die „Neue-Bank“ würde dann quasi nur noch Filialen und ein bisschen Treasury machen (Regulierung: Eigentlich wie bisher).

b. Die ganze Syndication, M&A, IPO, usw. Typen werden in einen Spin-Off in eine neue Gesellschaft verschoben. Man braucht schon etwas „Lagerraum“ auf der Bilanzaktiva, damit man bspw. einen Kredit syndizieren und platzieren kann. (Regulierung: Am besten eine konstante 10% EK-Quote für alle, egal was sie treiben; Nix „risikoadjustiertes“; Aber eine Begrenzung der Haltdauer und Gegenparteilimits)

a. Man bietet den Leuten im Eigenhandel an quasi sich selbständig zu machen, wo sie dann in irgendein Cayman Island Vehikel so viele OTC Swaps, Forwards und Option auf was auch immer schreiben können. Letztlich sind Short/Writing die Hauptfinanzierungsquelle, sodass man nur noch ein mutige Gesellschafter braucht (Regulierung: … Die Gegenpartei muss schon selber wissen. Worauf sie sich einlässt…)

Ich denke das die Zerschlagung der Großbanken nach ihren Funktionen gerade in Europa sehr wichtig ist: 1. Die Großbanken sind dann keine mehr, 2. Die Aufsicht wird einfacher, 3. Die Markteintrittsbarrieren in den Segmenten werden niedriger. Ich finde die Konzentration bei europäischen Banken ist einfach zu weit fortgeschritten. Man hat bekommt den Eindruck, dass es sich um ein homogenes Oligopol handelt was sich (unabgesprochen) zu einem Kartell gegenüber Staaten, Kreditnehmer und den eigene Investoren zusammengelegt hat. Es gibt da nur einen (legitimen) Ausweg für die Politik: Zerschlagung.

dels Oktober 19, 2011 um 12:30 Uhr

Hallo Nigecus,
das sind ja umfangreiche und interessante Vorschläge.
Persönlich hinke ich ziemlich hinterher, was die Bewertung der vielen neuen Vorschläge für den Finanzsektor betrifft.
Bei der Bankentrennung störe ich mich aktuell am Begriff Investmentbanking, weil der in der Praxis wenig trennscharf ist.
Deine Punkte sind da deutlich konkreter, das gefällt mir

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