Kreditklemme überall, nur nicht in Deutschland?

by Dirk Elsner on 4. Januar 2012

Die Einschläge kommen dichter. Nahezu täglich lesen wir Warnungen vor einer Kreditklemme. Sylvester zündete die Bundesbank ihre Befürchtungen via Spiegel in der Öffentlichkeit. Danach sieht die Notenbank Deutschlands angesichts der Schulden- und Bankenkrise eine Kreditklemme für Unternehmen in den Euro-Krisenländern und in Osteuropa sieht. Einen Tag davor befürchtete der BDI Präsident, Hans-Peter Keitel, dass vor allem mittelständischen Unternehmen sowie kleinen Unternehmen die Kreditlinien gekappt werden könnten. Aus den Unternehmen, so zitiert ihn die Zeit, gebe es erste Signale, dass sie bei der ganz normalen Refinanzierung Probleme bekommen: «Unternehmen, die eine ‚atmende Finanzierung‘ brauchen, könnten Schwierigkeiten bekommen.» Große Unternehmen gingen an den Kapitalmarkt: «Aber schon für Unternehmen in der zweiten Reihe ist diese Option weniger geeignet», sagte Keitel. Diese seien auf einen langfristigen Kreditrahmen angewiesen.

Es überrascht nicht, dass der Bankenverband selbst nicht die Gefahr einer Kreditklemme sieht. Für die Lobbyisten hat es übrigens auch 2008 weder eine Kreditklemme noch einen Bankenkrise gegeben. In einem Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung sagte Andreas Schmitz, Präsident des Bankenverbandes, u.a.:

“Eine der wichtigsten Lehren aus der Finanzkrise 2008 ist, dass Banken zu wenig Eigenkapital als Risikopuffer hatten. Wir haben daraus gelernt. Gerade die deutschen Banken haben bereits in den letzten Jahren massiv Kapital aufgebaut und sind alles andere als unterkapitalisiert. Sie sind auch gut im Plan für die neuen Eigenkapitalregeln.”

Ob eine Kreditklemme tatsächlich bereits eingetreten ist oder nicht, lässt sich prinzipiell nicht nachweisen. Daher sind die Diskussionen darüber stets etwas schwerfällig. Banken klingeln nicht, wenn sie ihre Kreditvergabe einschränken. Sie verschärfen in der Praxis einfach ihre Kreditbedingungen. Unternehmen, die eine Ablehnung für einen Kreditantrag erhalten, glauben in der Regel, dass sie die Bonitätskriterien nicht erfüllen, also nicht gut genug für einen Kredit sind. In der öffentlichen Rhetorik sprechen Banken von konjunkturellen Gründen, die zu einer Einschränkung der Kreditvergabe führen. Banken differenzieren dabei übrigens in Neukredite und Prolongationen. Das ist verständlich, denn man möchte vermeiden, Bestandskunden durch verweigerte Prolongation erst in Schwierigkeiten zu stürzen.

Wie auch immer, wer glaubt, in Deutschland werden sich nicht die Kreditvergabebedingungen verschlechtern, der glaubt auch, dass Chuck Norris durch die Überziehung seines Girokontos die Finanzkrise ausgelöst hat. Banken haben derzeit weiter große Probleme mit der Refinanzierung. Ich will nicht wiederholen, was ich in “Wird die Bankenstabilisierung zum Teufelskreis für Unternehmen?” oder “Der Einfluss der Liquiditätsstandards nach Basel III auf die Unternehmensfinanzierung” geschrieben habe.

Gerade vor dem Hintergrund der katastrophalen Refinanzierungslage der sich über den Kapitalmarkt finanzierenden Häuser, macht die vorweihnachtliche Bescherung des Banken mit mittelfristigen Kapital durch die EZB in einer Offenmarktoperation (Übersicht hier) mit dreijährigem Zentralbankgeld im Umfang von 490 Mrd. Euro Sinn. Dies zeigt aber auch, wie Ernst die Lage tatsächlich ist.

Ob und in welchem Umfang Unternehmen tatsächlich von den eingeschränkten Kreditvergabemöglichkeiten konjunkturelle Risiken ausgehen ist offen. 2010, so die Bundesbank in ihrem Aufsatz über die Ertragslage und Finanzierungsverhältnisse deutscher Unternehmen, sind die Verbindlichkeiten gegenüber Banken um 2% zurückgegangen, was angesichts des Wachstums 2010 bemerkenswert ist. Unternehmen haben sich stärker alternativ finanziert. So stellten die Bundesbanker fest, dass sie stärker auf Mittel verbundener Unternehmen zurück gegriffen haben und das Eigenkapital durch erhöhte Gewinnthesaurierung und externe Zuführung von Kapital verbessert haben.

Wenn ich mich in Unternehmen so umhöre, was natürlich nicht repräsentativ ist, dann stelle ich fest, dass sich immer mehr Unternehmen Gedanken über alternative Finanzierungsmodelle machen, wenn Kapitalbedarf besteht. Und dieser Trend wird sich in diesem Jahr fortsetzen.

Tim Schäfer NYC Januar 4, 2012 um 21:09 Uhr

Hallo Herr Elsner,
es kann natürlich sein, dass Herr Schmitz besser die Lage einschätzen kann, als der gesamte Aktienmarkt. All die smarten Investoren (einschließlich der besten Hedgefondsmanager der Welt) haben keine Ahnung. Nur der Herr Schmitz.

Spass beiseite: Es wird meiner Meinung nach massive Kapitalerhöhungen geben. Auch in Deutschland. Commerzbank und Dt. Bank mit eingeschlossen.

Dirk Elsner Januar 4, 2012 um 08:16 Uhr

Ich verstehe es auch nicht. Erklärbar ist dies nur mit seinem Amt als oberster Lobbyist. Wenn es den Banken tatsächlich besser gehen würde, dann müssten sie mehr tun, um dies den Märkte zu signalisieren. Tatsächlich halten sie sich aber sehr zurück, was eher darauf schließen lässt, dass die Märkte mit ihrer Einschätzung richtig liegen.

Tim Schäfer NYC Januar 4, 2012 um 01:43 Uhr

Guter Artikel!

Etwas komisch finde ich schon das Zitat von diesem Herrn Andreas Schmitz. Wie kommt der dazu, zu behaupten, den Banken geht es so gut wie nie zuvor – bilanztechnisch?

Warum notiert etwa die Commerzbank nahe eines Allzeittiefs? Entweder verstehe ich da was falsch oder der Andreas Schmitz lebt in einer Phantasiewelt.

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