Gerhard Schick: Untersuchungsausschuss zur Aufarbeitung der Finanzkrise durch Bundestag scheitert an notwendiger Mehrheit

by Dirk Elsner on 12. März 2012

Dr. Gerhard Schick ist der finanzpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Er engagiert sich sehr in Fragen der Finanzmarktstabilisierung und der Regulierung und zeichnet sich durch eine, wie ich finde, sehr pragmatische Herangehensweise aus, die ihm auch im Finanzsektor eine hohe Anerkennung verschafft hat.

Im Januar schrieb ich über die Forderung Schicks zur Aufarbeitung der Finanzkrise. In einer Bundestagsdebatte sagte er u.a.:

“Eine Aufarbeitung der Frage, warum eigentlich die verschiedenen Banken Hilfe vom Steuerzahler gebraucht haben, hat in Deutschland anders als in anderen Staaten nicht stattgefunden. Das geht nicht; denn immer dann, wenn der Steuerzahler zahlen muss, muss begründet werden, warum es so weit gekommen ist. Wir müssen aus diesen Fehlern lernen. Das ist nicht der Wille der Bundesregierung gewesen. Da gilt es nachzusteuern.“

Mich interessiert, wie er sich die Form der parlamentarischen Aufarbeitung vorstellen würde und welche Schritte eigentlich unternommen werden müssten, um so etwas zu starten. Schick sendete mir die Antwort per Mail und schrieb u.a.:

“Eine geeignete Form der parlamentarischen Aufarbeitung der Bankenkrise ab der Jahre 2007ff könnte gewiss ein Untersuchungsausschuss leisten. Warum diese Einschätzung? Im Gegensatz bspw. zu einer Enquete-Kommission des Bundestags haben Untersuchungsausschüsse das Recht, Akten der Exekutive anzufordern und Zeugen vorzuladen. Und im Gegensatz zu allen anderen Ländern, die wie Deutschland vergleichsweise stark von der Bankenkrise der Jahre ab 2008 betroffen wurden (zB USA, aber auch Schweiz, Island, Irland), kann die hiesige Aufarbeitung der Krise nur als stark defizitär betrachtet werden: Auf Bundesebene gab es hierzu ja bisher allein zur Hypo Real Estate einen solchen Ausschuss. Der hat zwar wertvolle Arbeit geleistet und viele Missstände aufgedeckt. Doch selbst dieser Ausschuss konnte nicht alle Aspekte und Komplexe, die eigentlich zum Thema HRE einer Aufarbeitung bedurft hätten, abarbeiten. Und auf Landesebene konnten die wenigen Untersuchungsausschüsse, die es gab, zum Beispiel die Rolle der deutschen Finanzaufsicht nicht prüfen (weil es sich um Bundesbehörden handelt). Kurz: nach meiner Einschätzung verspielt Deutschland mit dem Verzicht auf eine echte Krisen-Aufarbeitung die Chance, dass aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und erforderliche Lehren gezogen werden können.”

Sie fragen, woran die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses scheitert. Nun, das notwendige Quorum von 25% der Abgeordneten ist nach meinem Kenntnisstand derzeit nicht erreichbar. Grüne und Linke zusammen haben nicht die notwendige Anzahl von Abgeordneten. Aus den anderen Parteien ist das Interesse gering. Dabei spielt sicher eine Rolle, dass Mitglieder von CDU/CSU, SPD und FDP in den Jahren vor und in der Krise Verantwortung für die Finanzmarktpolitik und für Landesbanken hatten und deshalb das Interesse, politische Fehlentscheidungen aufzudecken, gering ist. Das war auch sichtbar, als wir Grünen in NRW eine Aufarbeitung der WestLB-Schieflage durch einen Untersuchungsausschuss gefordert haben.”

Schick versicherte außerdem, dass er sich weiter für einen Untersuchungsausschuss einsetze.

Es ist übrigens nicht das erste Mal, dass Schick eine bessere Aufarbeitung der Finanzkrise fordert. Schon 2010 in einem Interview mit dem Deutschlandradio machte sich Schick für eine Untersuchung stark.

In anderen Ländern war und ist man deutlich weiter mit der Aufarbeitung der Folgen der Finanzkrise, in den USA etwa mit der weiter mit der Financial Crisis Inquiry Commission, deren Report man hier abrufen kann. In Deutschland hatte einmal die IG Metall eine sogenannte Wahrheitskommission gefordert. Hier schien man allerdings weniger an den Ursachen interessiert zu sein, denn die hatte man bereits im Marktradikalismus ausgemacht. Die FAZ hatte einmal mit ironischer Betonung ein Interaktiv: Finanzkrisen-Tribunal unter dem Titel zusammen gestellt „Wir sind nicht schuldig“. Im Frühjahr 2010 versuchte “Das Bankentribunal” auf eine Attac-typische Weise eine Aufarbeitung der Finanzkrise (mehr dazu auf den NachDenkSeiten). Der Duktus der Veranstaltung war allerdings sehr einseitig.

So bleibt es vorläufig bei dem sehr unbefriedigendem Ergebnis vieler punktueller Erklärungsansätze. Ich halte es angesichts der hohen Risiken, die gerade wir Steuerzahler für die Rettung von Banken und Staaten eingegangen sind, für absolut notwendig, einen Prozess der Aufarbeitung zu institutionalisieren und die verschiedenen Themenkomplexe zu untersuchen. Dazu gehören die verschiedensten Ursachen der Finanzkrise genauso wie die Wirksamkeit der Maßnahmen. Ein Untersuchungsausschuss kann und wird eine neue Finanz- und Wirtschaftskrise zwar nicht verhindern, aber wir Steuerzahler erhalten entweder Gewissheit darüber, dass unsere Mittel richtig eingesetzt wurden oder sie bei der nächsten Krisenbekämpfung besser verwendet werden. Die Wissenschaft erhält außerdem zusätzliches Material für ihre Forschungsanstrengungen.

Ach ja, hier in diesem Blog gibt es natürlich über diese Sonderseite zur Aufarbeitung der Finanzkrise den Einstieg in viele zusätzlichen Informationen zur Finanz- und Wirtschaftskrise.

Tyler Durden Volland März 14, 2012 um 01:52 Uhr

Wir Leser sind alle ganz, ganz sicher davon überzeugt, dass die Grünen auch dann einen Untersuchungsausschuss gefordert hätten, wenn die eigene, genauso perverse Misswirtschaft wie zB unter Schröder/Fischer zum Thema gemacht würde…

pengertz März 13, 2012 um 22:07 Uhr

Schick vergisst aber, dass auch die GRÜNEN nicht unerheblich zur Finanzkrise beigetragen haben. Siehe u.a. Deregulierung der Finanzmärkte und Agenda 2010 mit den ganzen außenwirtschaftlichen Ungleichgewichten. Schick halte ich ja für einigermaßen integer. Die ganze andere Bande um Trittin, Roth, Künast allerdings nicht. Die stellen sich immer so dar, als wären sie bei den o.a. Sauereien nicht beteiligt gewesen!

nigecus März 13, 2012 um 18:17 Uhr

Ich stimme dem Herrn Schick zu, dass es bei den Summen an Soffin-Budget einen Untersuchungsausschuss hätte geben müssen. Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, sollte schon geklärt werden, warum das Kind in den Brunnen gefallen, vor allem wenn man die Rettungsaktion schon bezahlt. Als Bürger verlange ich es sogar, dass die Damen und Herren MdB (die ja für mich stellvertretend sein sollen) Ausgaben der Regierung (die irgendwie ja auch stellvertretend sind) kontrollieren.
Bei den Argumenten des MdB Schick muss man sich fragen, ob es nicht ein sehr großer Interessenskonflikt ist, dass MdBs den Bundeskanzler (Regierungshäuptling) wählen.

Egal. Ist doch schön, wenn die MdBs und Öffentlichkeit weiterhin dumm bleiben. Ansonsten würde Meinungsbildung durch Dritte in der Gesetzgebung schwieriger. Wäre doch schade.

Farbenseher März 13, 2012 um 11:59 Uhr

@FDominicus: Da muss ich der Vollständigkeit halber einfach darauf hinweisen, dass Gregor Gysi und andere Politiker der Linke seit der Verabschiedung des deutschen „Bankenrettungsschirmes“ nicht müde wurden, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Umgehung des Parlaments ein beispiellos undemokratischer Akt war. Verschleierungstendenzen und Blockadehaltung bei der Aufklärung rund um die Ereignisse der Finanzkrise sehe ich hier in D-Land eindeutig nur beim Agenda 2010-Block aus CDU/CSU/FDP/SPD. Die Grünen scheinen sich ja immerhin in diesem Fall ihrer demokratischen Wurzeln zu erinnern.

Marsman März 12, 2012 um 10:10 Uhr

Also beim Leistungsschutzrecht (Medien und Internet) und der Diskussion
um das Urheberrecht gibt es mittlerweile folgende politische Erkenntnis:

….Denn die bittere Erkenntnis des Tages war: Solange die sogenannten Netzaktivisten dank enormer Außenwirkung eine „Meinungsführerschaft“ in Fragen der Reglementierung des Internets für sich beanspruchen können, sieht sich die Politik auf breiter Basis buchstäblich außerstande, Regelungen zu treffen, die ein gefühltes „Grundrecht auf Internet“, wie es MdB Thomas Jarzombek (CDU) formulierte, zu berühren drohen. ….
http://www.mediabiz.de/film/news/internetsperren-sind-realitaetsfern/316821

Es wäre vielleicht gar nicht so schlecht wenn es denselben Jammer, dasselbe
politische Elend auch im Bereich Finanzen, Banken, usw. geben würde.
Und es auch in diesem Bereich mal einen „shitstorm“ geben würde. sodass
sich die Akteure (Banken, Politik) dann mal wirklich gut überlegen müssen
welche Stellungnahme, welche Ankündiugng, usw., sie überhaupt rauslassen
können.
Es wäre m. E. gut wenn mal von den Netzaktivisten gelernt werden würde.

FDominicus März 12, 2012 um 06:30 Uhr

Warum bin ich nicht überrascht? Vielleicht weil es die diversen Rechtsbrüche gedeckt von allen Parteien gab? Wer weiß….

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