Social Forecasting (Teil 3): So kann es in der Praxis gemacht werden

by Dirk Elsner on 13. März 2012

In den ersten beiden Beiträgen dieser Reihe (Teil 1 hier und Teil 2 hier) habe ich bereits erste Anwendungsmöglichkeiten des Social Forecastings für die betriebliche Praxis gezeigt. Hier nun direkt im Anschluss an den zweiten Teil vom vergangenen Freitag die Fortsetzung, in der es um die Umsetzung des Social Forecastings in der Praxis geht.

Ich hatte ja mit der spontanen Tenderschätzung Ende Februar zwar ein Social Forecasting innerhalb von einer Stunde aus dem Boden gestampft, für die Unternehmenspraxis ist freilich etwas mehr Vorbereitung notwendig. Das Umsetzung in der Praxis erläutern Christian Halemba und Aleksandar Ivanov in einem Fachbeitrag für das Controller Magazin:

“Elektronische Prognosemärkte sind web-basierte Informationsbörsen, die innerhalb von Unternehmen das Wissen der Mitarbeiter aus verschiedenen Abteilungen in kürzester Zeit bündeln können (siehe Abbildung). Die Mitarbeiter sehen in einem EPM-Portal bestimmte Prognosefragen, z. B. „Wie wird der Absatz von Produkt X in KW14 sein?”. Die Teilnehmer geben ihre Meinung ab und machen dabei auch einen Einsatz auf ihre Prognose mit Spielgeld. Je sicherer man sich ist, desto mehr kann man einsetzen. Dieses System schafft einen Anreiz für Mitarbeiter, möglichst genaue individuelle Prognosen zu machen, denn je näher man am tatsächlichen Ergebnis liegt, desto mehr Spielgeld gewinnt man.

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Um einen echten Anreiz zu schaffen, können die Monatsbesten echte Preise gewinnen und erhalten unternehmensweite Visibility. Das EPM-System bündelt alle abgegebenen Meinungen zu einer konsistenten Gesamtprognose, die nachweislich genauer ist als traditionelle Methoden, wie etwa statistische Schätzungen oder Umfragen. Zudem ist das System selbst-reinigend, d. h. diejenigen, die oft schlecht tippen (oder mit Absicht falsch tippen), verlieren „Cash” und haben bei der nächsten Prognosefrage weniger Spielgeld, wodurch ihr Einfluss auf die Gesamtprognose sinkt.”

Crowdworx hat methodisch ein relativ uniformes Vorgehen, d.h. die Methoden, welche zur Prognose von Marktanteilen, Absatzzeilen, Neukunden usw. nutzen sind dieselben, die auch etwa für die Kredit- oder Risikoprognose genutzt werden. Das vereinfacht die Nutzung, denn man möchte nicht, dass die Nutzer für jeden Fragentype, eine neue Variante des Systems erst erlernen müssen.

Dazu ein Beispiel: Ein Unternehmen möchte die Ausfallwahrscheinlichkeit von 30 verschiedenen Schuldnern mit Social Forecasting prognostizieren. Das würde genauso aussehen, wie die Prognose der Absatzzahlen von Waschmitteln bei Henkel. Der Unterschied wäre, dass im Nutzerinterface nicht „KW12, KW13, KW14 usw“ (KW = Kalenderwoche) stünde, sondern „Unternehmen 1, Unternehmen 2 usw. Die Einheit der Prognose wäre nicht Absatzmengen, sondern Prozentangaben. Die Systeme sind hier relativ flexibel und durch die Änderung der Labels und der Einheiten sind nahezu beliebige Prognosen möglich.

Die größte Herausforderung, schreibt Aleksandar Ivanov auf Nachfrage in einer Mail, “liegt in der organisatorischen Implementierung einer Prognosebörse. Denn hier muss man zunächst einen Klienten überzeugen, dass so ein „neumodisch Kram“ überhaupt funktionieren kann. Unsere zahlreichen Klientenbeispiele helfen dabei zwar, aber letztlich glauben es die Leute erst, wenn sie es mit eigenen Augen (in einem eigenen Pilotprojekt) sehen. Und daher ist hier die Überzeugungsarbeit beim Klienten wesentlich anspruchsvoller als die technisch-methodische Umsetzung der Prognosefragen.“

Wichtig ist auch, dass für eine sinnvolle Prognose eine hinreichend große Zahl an Mitarbeitern am Forecasting teilnimmt. Zwar zeigen wissenschaftliche Untersuchungen, dass man schon bei zwei Teilnehmern bessere Ergebnisse erhalten könne, Ivanov hält aber in einem Telefongespräch mit mir ca. 30 für eine gute Zahl.

Für die Anwendung in Unternehmen wird technisch ein Social-Forecasting-Portal in das Firmennetz integriert. Damit kann ein Unternehmen dann unbegrenzt Prognose abfragen lassen. Der Kern der eigenen Überlegungen liegt eher im organisatorischen und prozessualen Ablauf. Hier sind Fragen wichtig, wie

  • Was lässt ein Unternehmen prognostizieren und wie formuliert man die Fragen?
  • Welche Personenkreise nehmen teil (Mitarbeiter, Kunden, externe Fachleute etc.)?
  • Wie werden die Anreizsysteme gestaltet? Nicht zu jeder Unternehmenskultur passen rein monetäre Anreizsysteme, manchmal reicht auch eine Rangliste

Die größte Hürde dürfte aber hier, wie bei manch anderer Innovation sein, dass Management von diesem web 2.0-basierten Ansatz zu überzeugen. Dies fällt freilich immer leichter, je mehr erfolgreiche Anwendungen in der Praxis zu finden sind. Schwierigkeiten könnten außerdem die bisherigen “Experten” machen, die ihr Prognosemonopol verlieren. Aber wie schon im zweiten Teil geschrieben, sind Experten zwar keine besonders guten Prognostiker. Sie können aber meist gut erklären, warum die eingetretenen Ergebnisse von ihren Prognosen abweichen. Und das ist jetzt nicht einmal zynisch gemeint, denn die Stärke von Fachleuten liegt eher in der Analyse komplexer Zusammenhänge und in entsprechenden Planungsvorbereitungen.

Der letzte Teil dieser Reihe wird sich mit einigen weiteren Anwendungsfeldern befassen, mit denen ich in meiner Praxis zu tun habe.

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