Ja, einige Kollegen haben mir schon gesagt, ich solle hier nicht so viele Videos von der Deutschen Bank posten, weil man dann denken könne, ich ergreife hier Partei für das größte deutsche Kreditinstitut. Aber dieses (leider nur in englischer Sprache verfügbare) Video über die Veränderungen hin zu einer Digitalen Gesellschaft muss man trotzdem bringen. Es basiert nämlich auf einer wirklich guten Studie des Researchs der Deutschen Bank von Thomas Dapp.
Die digitale Gesellschaft: Neue Wege zu mehr Transparenz, Beteiligung und Innovation (pdf)
Diese Untersuchung ist nämlich eine faszinierende Zukunftsvision aber gleichzeitig ein verheerendes Gegenwartszeugnis für die Banken zugleich, weil der Finanzsektor darin ausgespart wird. Mit dem Autor, Thomas Dapp, habe ich daher anlässlich einer im Handelsblatt und im PR-Blogger erschienen Artikelserie (siehe unten) telefoniert. Dapp sieht auch (zitiert nach Handelsblatt Online), “dass die traditionellen Banken die Veränderungen mitgehen müssen, wenn sie nicht den technologischen Anschluss verpassen wollen. Die momentane Haltung der Banken, teilte Dapp uns mit, sei auch Ausdruck großer Vorsicht insbesondere bei sicherheitskritischen Anwendungen. Bislang seien keine Vorreiter aus der Bankenbranche in Sicht. Dapp ist aber überzeugt, dass die Banken die Entwicklungen sehr genau beobachten. Er könne sich auch vorstellen, dass einzelne Häuser bereits an Dienstleistungen arbeiten, üblicherweise wird darüber erst gesprochen, wenn die Leistungen marktreif sind.”
In einer aktuellen Zusammenfassung zur Studie schreibt Dapp auf der Webseite von DBResearch
“Politik und Wirtschaft werden zunehmend gezwungen, sich mit den neuen Paradigmen im Netz (z.B. Öffnungsprozesse in Wertschöpfungsnetze) und mit einem besser informierten Bürger konstruktiv auseinanderzusetzen. Alle Akteure können davon profitieren und dazulernen. Es entstehen experimentelle Organisationsformen sowie moderne Arbeitsweisen, die den Menschen mehr interaktive Mitgestaltung ermöglichen. Die Menschen im Netz stimulieren z.B. im Bereich Open Innovation oder Open Government durch externes Wissen und neue Ideen Innovations- und Wertschöpfungsprozesse. Eine dieser durch Öffnungsprozesse etablierten modernen Arbeits- und Organisationsformen stellen sogenannte Wikis dar.”
Die spannende Frage ist nun, ob die Kreditwirtschaft diese Öffnung für den eigenen Sektor auch will. Florian Semle und ich bemerkten dazu im PR-Blogger:
“Die Botschaften der Kapitalmarktkommunikation sind häufig das Gegenteil der Kundennähe, die das Marketing verspricht. Diese interne und öffentliche Schizophrenie ist unseres Erachtens eine Mitursache für die desaströse Reputation der Banken in der öffentlichen Debatte. Das Handelsblatt bemerkt dazu spitz, die Banken seien in der öffentlichen Wahrnehmung „vom Dienstleister zum Bedroher“ geworden.”
Die disruptiven Elemente der Digitalen Gesellschaft erreichen auch den Finanzsektor. Dieser Paradigmenwechsel wird allerdings in der klassischen Finanzbranche noch nicht als bedrohlich wahrgenommen. Sanfte Öffnungen sind zwar zu beobachten. Aber einige Banken glauben, sie bewegen sich mit einem Twitteraccount und einer Facebookseite (manchmal lassen sie dort nicht einmal Kommentare zu) schon mitten in der neuen digitalen Welt. Regelmäßige Leser dieses Blogs werden wissen, dass ich das für einen großen Irrtum halte. Man braucht dazu nur einen Blick in die Beitragssammlung auf dieser Seite werfen oder auf die Mindmap des Next Banking schauen und sich fragen, was die eigene Bank davon bisher realisiert hat.
Die Banken haben aus meiner Sicht noch einen weiten Weg hin zu der Digitalen Gesellschaft zurückzulegen, viele gehen diesen Pfad derzeit nur widerwillig. Oder was meinen die Leser? Diskussionen dazu gern über die Kommentarfelder oder via. Google+ oder Twitter.
Vertiefung
Artikelserie auf Handelsblatt Online
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Next Banking oder gespaltenes Bewusstsein?
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Transparenz und Dialog als Geschäftsmodell
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Die Revolution hat längst begonnen
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Das Social-Media-Dilemma
Weitere aktuelle Beiträge zu den Veränderungen im Finanzwesen
SB2.0: Banken: Wann kommt die digitale Roadmap via Social Media?
Bank Blog: The Innovator’s Dilemma Umgehen mit disruptivem Wandel
Bank Blog: Die innovativsten Finanzunternehmen 2012 – Banken weitgehend außen vor
HB: iWallet-Patent Kommt nun die iBank? (6.04.12)
Darüber hinaus gibt es die oben bereits empfohlene Sammelseite
P.S: Deutsche Bank Facebook Seite lässt im Übrigen auch keine Kommentare zu und die Kommentare auf deren Youtube Channel müssen zuerst abgewunken werden…
Kann es sein, dass der Hype um die digitale Gesellschaft auch in der Studie von Dapp etwas übertrieben wird?
Social Media und Co. mögen zwar im Retailgeschäft von Unternehmen und Banken eine immer stärkere Rolle spielen, aber im B2B-Geschäft ist es faktisch egal, ob der Kunde oder Lieferant sich digital auf Augenhöhe mit der Avantgarde befindet.
Ein guter Beitrag und ein feines Video (schön wäre es aber auch in deutscher Sprache gewesen).
Ich arbeite selbst in einer großen Bank. Bei uns im Hause herrscht große Unsicherheit im Umgang mit der Digitalen Gesellschaft. Auf der einen Seite weiß man, dass diese Entwicklungen fortschreiten und sich mit dem Nachrücken der jüngeren Generation verstärken wird. Bei uns im Hause herrscht aber auf der anderen Seite beispielsweise ein großes Zuständigkeitsgerangel zwischen Produktverantwortung, Marketing und PR.
Persönlich bin ich der Auffassung, dass es viel zu kurz gesprungen ist, wenn man als Bank die digitale Gesellschaft allein auf Marketing und PR reduziert. Es reicht aber auch nicht, wenn der Vorstand twittert oder einen eigenen Blog führt. Das kann zwar helfen, wenn das richtig gemacht wird, ist aber in der Summe zu kurz gesprungen.
Die spannende Frage wird ja sein, wie werden Produkte und Services durch die digitale Gesellschaft verändert. Hier gibt es viele spannende Ansätze. Diskutiert man darüber bei uns im Hause, dann hört man aber nur die branchentypischen Bremser, die stets genau wissen, warum etwas nicht geht. Kreative Fantasie entsteht so nicht, leider.
Die Studie von Dapp ist in der Tat sehr stark. Mich würde aber wirklich interessieren, warum er die Finanzbranche so ausgelassen hat. Ist das vielleicht doch ein Indiz dafür, dass das Research der Bank gar nicht so unabhängig ist, wie das gern behauptet wird.
Man muss ich ja auch fragen, ob es für Banken überhaupt ausreichend Anreize gibt, tiefer in die digitale Gesellschaft einzusteigen. Banken entwickeln außer vielleicht im Investmentbanken wenig Fantasie, wenn es um neue Geschäftsansätze geht. Sie sind aber ausgesprochen aufmerksam, wenn Wettbewerber mit neuen Ansätzen am Markt punkten.
Aktuell kann ich nicht erkennen, dass eine Bank, die sich intensiver mit Social Media befasst, daraus Wettbewerbsvorteile generiert. Sollte dies freilich einem Institut gelingen, was ich für sehr wahrscheinlich halte, dann werden andere Institute schnell auf den Zug aufspringen.
@robertP
Ich glaube, was sie schreiben, ist eines der häufigsten Missverständnisse auch in der Finanzwirtschaft. Die digitale Gesellschaft verlangt von niemanden alles transparent zu machen. Ich kann auch nicht erkennen, dass Unternehmen, die die Klaviatur der digitalen Gesellschaft heute perfekt beherrschen, sich durch besondere Transparenz auszeichnen.
Es geht doch bei der digitalen Gesellschaft um eine Philosophie, wie sie etwa schon Alfred Herrhausen von der Deutschen Banken selbst gefordert hat:
„Wir müssen das, was wir denken, sagen. Wir müssen das, was wir sagen, tun. Wir müssen das, was wir tun, dann auch sein.“
http://www.alfred-herrhausen-gesellschaft.de/28.html
Die Deutsche Bank, aber auch andere Banken sollten einfach nur überlegen, was die Digitale Gesellschaft heute für die eigenen Geschäftsmodelle bedeutet. Und ich denke, da bietet dieses Blog viel Material, um entsprechende Gedanken zu unterstützen.
Ich glaube nicht, dass die Banken selbst ein großes Interesse an der digitalen Gesellschaft haben. Damit verbunden ist ja ein deutliches Plus an Transparenz über Leistungen und Gegenleistung. Daran hat weder die Kreditwirtschaft noch die großen Unternehmenskunden Interesse. Ich denke, das auch hier im Blog diskutierte jüngste Beispiel JP Morgan zeigt, warum Finanzhäuser gerade keine Neigung haben, ihre Geschäftsaktivitäten transparenter zu führen.
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