JP Morgan und die Illusion von der Unfehlbarkeit

by Dirk Elsner on 24. Mai 2012

So ärgerlich die Geschäfte für die Investmentbank JP Morgan auch ist, die Verluste, die der “Londoner Wal” und das Chief Investment Office eingefahren haben, erzählt viele Geschichten. Eine Geschichte ist die vom zerstörten Mythos der eigenen Unfehlbarkeit. In diesen Tagen wird das oft mit Häme begleitet erzählt. Ich mag diese Häme nicht, denn sie impliziert indirekt, dass die Lästermäuler es besser wissen.

Ausgewählte Artikel der letzten Tage zu den JP Morgan Failtrades

Gut Darstellung des Failtrade hier von Zero Hedge:

Das Wall Street Journal mit einer Reihe guter Artikel zum Thema (sorry, falls paid content darunter)

Weitere Beiträge

Ich bin dagegen eher ein Anhänger der These, dass es weder an den Kapitalmärkten noch sonst irgendwo Unfehlbarkeit gibt. Daran sollten wir denken, wenn irgendwann, irgendwo wieder ein Unternehmen, eine Manager oder eine bestimmte Strategie zum Non-Plus-Ultra erhoben wird. Gregory Zuckerman erzählte gerade vergangene Woche im Wall Street Journal wieder ganz treffend die Geschichte von Bruno Iksil, der JP Morgan den Mistrade eingebracht haben soll. Glaubt man die Darstellung von Zuckerman, dann hat Iksil viel vom Geschäfte mit komplexen Kreditderivaten verstanden und der Bank bis Ende letzten Jahres hohe Gewinne eingebracht.

Iksil hat bis Anfang des Jahres viele und zum Teil offenbar auch hoch riskante Transaktionen für die Bank getätigt, die auch ihren Teil dazu beigetragen haben, dass das Institut so gut durch die Finanzkrise gekommen ist und von den Wirtschaftsmedien und Fachleuten gefeiert wurde. “JP Morgan setzt hohe Maßstäbe für die Rivalen”, hieß es etwa vor einem Jahr im Handelsblatt. Damals wurde die Steigerung des Nettogewinns um 70% als vorbildlich charakterisiert. Wir haben jetzt erneut erfahren, dass wir aus den Quartalsberichten und Analystenkonferenzen der Banken so gut wie gar nichts erfahren. Dieser Distanz mangelt es aber häufig in der Wirtschaftsberichtserstattung.

Gerade bei den für undurchsichtig gehaltenen Geschäfte der Investmentbanken und Hedgefonds bauen die Berichterstatter, wohl unterstützt durch ausgezeichnetes und professionelles Storytelling aus den Unternehmen, gern die Mythen von der Unfehlbarkeit auf. Natürlich ist das wichtig für das Geschäft, denn das zieht Investoren und Vermögensverwalter an, die ihren Kunden im Zweifel wiederum Rechenschaft darüber ablegen müssen, warum sie ihr Geld zu JP Morgan getragen haben.

Jamie Dimon, so schreibt es Zuckerman, ließ sich von Iksils Erfolgen beeindrucken. Er schreibt u.a. “Schließlich hatten Iksil und das CIO in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Erfolgen vorzuweisen. Sie gehörten zu einer Gruppe der Bank, die in den vergangenen drei Jahren einen Gewinn nach Steuern von 5,09 Milliarden Dollar auswies. Sie trug damit in diesem Zeitraum mehr als zehn Prozent zu den Gewinnen der Bank von rund 48 Milliarden Dollar bei.”

Die Bank selbst, so schrieb Bastian Brinkman vergangene Woche treffend, hielt sich für unfehlbar und baute einen Mythos von weisen und intelligenten Investments auf. Und plötzlich heißt es “Oops!” Die Geschäfte waren doch irgendwie riskanter, als gedacht.

Jetzt kommen natürlich wieder die ganzen “Cleveren” heraus und stellen bohrende Fragen und stellen die Qualität des Risikomanagements in Frage. Ist aber schon einmal jemanden aufgefallen, dass die wirkliche bohrenden Fragen nie gestellt werden, wenn es richtig gut läuft? Der Ruf nach Regulierung wird immer dann besonders laut, wenn es schief gegangen ist. Warum rufen die gleichen Leute nicht nach mehr Kontrolle, wenn die Gewinne in astronomische Höhen steigen? Warum muss JP Morgan CEO James Diamon vor einen Untersuchungsausschuss zitiert, wenn er hohe Verluste macht und nicht überdurchschnittliche Gewinne?

Ich möchte hier aber noch einmal das klarstellen, was ich vergangenen Woche hier geschrieben habe. Ich bin nicht der Meinung, dass die Finanzindustrie nun noch stärker reguliert werden muss. Sie muss nur anders reguliert werden und vor allem muss die Staatshaftung entfallen, egal wie streng reguliert wird oder wie sehr die Qualität des eigenen Risikomanagements betont und von mir aus nachgewiesen wird. Finanzmarktregulierung erzeugt die Illusion, die “Märkte” und Banken unter Kontrolle zu haben. Das ist Blödsinn. Die “Märkte” wird man nie unter Kontrolle bekommen, es sei denn man würgt damit auch alle Vorteile ab, die die Marktwirtschaft mit sich bringt. Ich werde dazu aber demnächst noch einmal etwas schreiben.

Stefan L. Eichner Mai 24, 2012 um 09:36 Uhr

„Der Ruf nach Regulierung wird immer dann besonders laut, wenn es schief gegangen ist. Warum rufen die gleichen Leute nicht nach mehr Kontrolle, wenn die Gewinne in astronomische Höhen steigen?“

Das tun viele. Nur werden sie nicht gehört und es wird nichts darüber in Presse und Medien geschrieben. So war es ja auch vor der Finanzkrise. Es gab viele, die auf die gefahren hingewiesen haben. Aber dafür haben sich weder die Banker, Aufsicht, Politik und auch die Medien – trotz ihres Informationsauftrages – nicht interessiert. Es war wohl eher Zufall, dass Nouriel Roubini in Davos zu Wort kam und ebenso unerwartete wie schräge Warnungen vor dem Crash äußerte – er wurd ausgelacht. Andere werden als „Untergangsproheten“ geschmäht.

„Finanzmarktregulierung erzeugt die Illusion, die “Märkte” und Banken unter Kontrolle zu haben. Das ist Blödsinn.“

Das ist absolut korrekt – jedenfalls unter den gegebenen marktstrukturellen Bedingungen. Den Weltmarkt machen global operierende Großbanken unter sich aus – man denke nur an den Derivatemarkt: in den USA kommen fünf Banken-Holdings (JPMorgan, BoA, Citi, Morgan Stanley, Goldman Sachs) auf einen Anteil von 96 Prozent und das entspricht laut jüngstem OCC-Report einem Derivate-Volumen von (nominal) 290 249 Milliarden Dollar bzw. 290, 249 Billionen Dollar. Der globale OTC-Derivatemarkt hatte zum gleichen Zeitpunkt laut BIS-Statistik ein Volumen (nominal) von 647 762 Milliarden Dollar.

Es ist vor diesem Hintergrund eine geradezu hanebüchene Idee, man könne die davon ausgehenden Risiken in den Griff bekommen, indem man diese, mit Bilanzsummen weit über der eine Billion-Grenze liegenden Kolosse für „systemrelevant“ erklärt“ und ihnen ein paar niedliche Zusatzverpflichtungen auferlegt.

Das ist überdies auch deswegen völlig neben der Spur, weil die Frage, inwieweit unter solchen Bedingungen überhaupt noch fairer Wettbewerb existiert – ganz besonders wenn man den Einfluss der entsprechenden Lobby auf die Politik in die rechnung mit einbezieht -, überhaupt nicht gestellt wird. Es gibt aber auch sehr viele Banken, die nicht ein großes Rad im Casino drehen, sondern ihr Geld damit zu verdienen versuchen, was man gemeinhin als volkswirtschaftliche Funktion des Bankensektors beschreibt. Denen kommt man damit aber nicht entgegen. Im Gegenteil hat man, wie Folker Hellmeyer kürzlich bemerkte, den Eindruck, die Regulierer würden es ausgerechnet diesen Banken mit den neuen Regeln (Basel III) erschweren, ihre volkswirtschaftliche Funktion zu erfüllen.

„Die “Märkte” wird man nie unter Kontrolle bekommen, es sei denn man würgt damit auch alle Vorteile ab, die die Marktwirtschaft mit sich bringt.“

Märkte, die von wenigen großen Konzernen dominiert werden, so wie es heute auf vielen globalen Märkten der Fall ist, wird man mit Regulierung nicht unter Kontrolle bekommen können, weil das, was sich darauf abspielt, nichts mehr mit fairem, freien Wettbewerb zu tun hat!

Die stärkste und beste regulierende Kraft ist EFFEKTIVER bzw. WIRKSAMER Wettbewerb. Es ist leider ein vom ökonomischen Mainstream gepflegtes Märchen, dass Wettbewerb jederzeit, das heißt unabhängig von den marktstrukturellen Gegebenheiten und dem Reifegrad von Märkten, dieser regulierende Funktion erfüllen.

In einer Welt mit beispielsweise relativ kleinteiligen Märkten wäre dies der Fall und wir hätten nicht die Probleme, die wir aktuell nicht nur im Bankensektor, sondern auf globalen Märkten VIELFACH – denken Sie an Intel, BHP Billiton, die Ölkonzerne, den Automobilsektor usw. – vielfach haben.

Die Marktwirtschaft ist nicht prinzipiell und unter allen Umständen gesamtwirtschaftliche ein Segen und „vorteilhaft“. Es hängt von den Marktgegebenheiten und der vorherrschenden FORM von Wettbewerb ab, ob sie es ist oder nicht!

Das kann sich jeder einfach vor Augen führen, wenn er beispielsweise an die Marktgegebenheiten im Nachkriegsdeutschland denkt und diese einfach einmal mit den heutigen vergleicht. Was wir heute haben, nicht so sehr in Deutschland, sondern – schlimmer – auf den Weltmärkten, ist etwa völlig anderes als damals. Damals standen die Märkte am Anfang ihrer Entwicklung, es gab eine immense Nachfrage, enorme Wachstumschancen und vor allem auch – aufgrund der kleinteiligen Märkte – ein enormes unternehmerisches Entfaltungspotenzial. Heute haben wir vielfach gesättigte, von wenigen Oligopolisten dominierte Märkte. Unternehmerisches Entfaltungspotenzial gibt es aufgrund dessen nicht. Es ist naheliegend, dass sich große Finanzmarktakteure unter solchen Bedingungen von der Realwirtschaft abwenden, und ihre Renditen auf Geschäftsfeldern jenseits davon suchen – mit den bekannten Folgen.

Daran müssen und können auch nur die Politik UND die Nachfrager etwas ändern. „Der Wettbewerb“, in der aufgrund der marktstrukturellen Gegebenheiten aktuell vorherrschenden FORM, kann es nicht.

Viele Grüße
SLE

FDominicus Mai 24, 2012 um 10:12 Uhr

Ich begrüßte es, Sie schrieben nicht von Wettbewerb. Den gibt es nämlich in vielen Bereichen nicht mehr. Die Regulierungen haben die Such nach „besseren“ Lösungen abgewürgt. Auch wären Oligopole kein Probleme wenn es denn nicht staatliche geschützte Oligopole wären. M.E. ist speziell Frankreich hier eine der führenden Nationen, mit entsprechenden Ergebnissen für den Wohlstand der Franzosen.

Das ganze soll jetzt mit noch mehr Kredit überkleistert werden. Das heißt, der Staat soll den Wettbewerb noch mehr „verringern“.

Das mit der Saturierung akzeptiere ich so nicht. Es wird so getan als wüsste man was die Zukunft bringt und das ist eben schlicht und einfach falsch. Man schaue sich auch an mit was wir uns heute beschäftigen. Ganze Industrien gab es vor nicht einmal 30 Jahren überhaupt nicht.

Wir leiden sicherlich nicht an einem Mangel von Regulierungen….

Andreas Bangemann Mai 24, 2012 um 07:24 Uhr

Bei all der vermeintlichen Komplexität der Vorgänge im „Finanzmarkt“ sollten wir die Banalität hinter allem nicht übersehen: Geldvermögen sind nach mathematischen Regeln seit dem 2. Weltkrieg exponentiell gewachsen. Seit den 80er Jahren hat die Realwirtschaft mit diesem Wachstum nicht mehr mithalten können, weil sie mehr den Gesetzen der Physik unterliegt, denn Leistungskraft ist nicht exponentiell steigerbar, sondern endet an einem bestimmten Punkt. Der wachsende Strom an Geldvermögen in die Finanzmärkte bringt logischerweise die Menschen hervor, die ihn für sich nutzen.
Es gibt im Grunde nur zwei Möglichkeiten: Wir leben mit den Eruptionen und seinen sozialen Folgen oder wir ändern das Geldsystem so, dass es den Erfordernissen der Menschen und der realen Wirtschaft dient.

FDominicus Mai 24, 2012 um 10:05 Uhr

Ich bin für eine Änderung des Geldsystems. Weg mit dem Fiat-Geld, weg mit den Zentralbanken. Geld als Wert und dann passte das schon.

FDominicus Mai 24, 2012 um 06:15 Uhr

Ich widerspreche. Sie selber haben sich doch als „beste Risikomanager“ betrachtet offenbar kann man das Risiko aber bestens „managen“ und trotzdem am Restrisiko Pleite gehen. Die Arroganz wurde vom Markt weggewischt wie eine lästige Fliege. Und das sollte die Einkommensmillionäre zumindest daran erinnern, ein wenig bescheidener zu sein (Jedenfalls sehe ich da so). Meine erste Reaktion dazu war simpel, Pech gehabt.

Ich kann mich andererseits nur wundern warum man bei 2 Milliarden sozusagen das Ende kommen sieht. Wenn eine so riesige Bank mit 2 Milliarden Verlust oder auch 5 Milliarden Pleite gehen kann, dann taugt diese Bank nichts. Und hier bin ich der Meinung liegt es im Argen zuviel Hebel überall und zuwenig „Substanz“ somit gönne ich persönlich den Herrschaften diesen Schuss vor den Bug. Wird am großen Betrug zwar nichts ändern, aber vielleicht den Betrug etwas „verringern“. Aber auch da bin ich eher skeptisch.

Was mich massiv stört ist die Dreistigkeit mit dem das Image der „Superbanker“ aufgebaut wird. Am Ende wird abgerechnet und wenn die Bank in weiteren 100 Jahren noch existieren sollte, dann werden Sie wohl gut genug gelegen haben. Das muß aber auch „reichen“.

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