JP Morgan Whale-Mistrade zeigt Nutzlosigkeit der Finanzmarktregulierung

by Dirk Elsner on 13. Mai 2012

Whales

Wal auf Tauchstation (Foto flickr/kohane)

Vor zweieinhalb Tage hat JP Morgan Bankchef Jamie Dimon bekannt gegeben (offizielles Statement ist hier), dass sein Haus bei einigen riskanten Geschäften viel Geld verloren  hat. Es war klar, dass dies für viel Gesprächs- und Schreibstoff sorgt. Ich konnte meinen Senf noch nicht dazu geben, weil ich die letzten Tage unterwegs war und überhaupt froh war, wenn ich etwas dazu lesen konnte. Meine sicher unvollständigen best-of-Leseempfehlungen zum JPM Whale-Mistrade sind unten zu finden (Danke an die Twitter-Timeline).

So ganz genau weiß wieder einmal niemand, außerhalb der US-Bank JP Morgan Chase, was schief gegangen ist (die vielleicht beste Darstellung stammt von Zero Hedge in: How The Fed Blew Up JPMorgan’s ‚Hedge‘ In 22 Tweets). Vom JPM Whale-Mistrade wird gesprochen, weil seit Wochen auf einschlägigen Finanzseiten über die Geschäfte des “Londoner Wals” Bruno Iksil gerätseelt wird und angeblich ein Titanenwettkampf am Markt um Kreditderivate stattgefunden haben soll. Angeblich soll die Bank  große eigene Kreditpositionen mit Credit Default Swaps gegen die Eskalation der europäischen Schuldenkrise abgesichert haben. Das ist offensichtlich schief gegangen, weil die Positionen zu groß waren und die Aktivitäten von JPM am „Markt“ bekannt wurden. Bei besonders großen Positionen kann es dann vorkommen, dass wegen der höheren Risiken die Gegenpartei fehlt (Markt wird illiquide) oder andere Marktteilnehmer sogar bewusst gegen eine solche Position spekulieren (siehe dazu auch Der Teufelskreis der Finanzmärkte oder warum Banken lieber schweigen).

Immerhin gab sich JPM-CEO James Dimon ungewöhnlich selbstkritisch. Wie üblich wird bei solchen Schieflagen aber weder der Markt noch die Öffentlichkeit über Details informiert. Der Grund liegt auf der Hand. Eine Bank, die mit großen Positionen Schieflagen in ihrem Portfolio hat, kann diese nicht einfach abbauen, weil andere Marktteilnehmer sich dagegen positionieren können. Gut zusammen gefasst hat das Gerald Braunberger in “Wie man Finanzhäuser in die Enge treibt”. „Eine so große Position im Markt“, schreibt die FTD, „wird zum Problem, sobald die Gegenspieler davon wissen:  Sie können darauf wetten, dass irgendwann auch wieder verkauft werden muss und so künstlich die Preise drücken.

Klar war, dass sofort die üblichen Reflexe bei solchen Bekanntmachungen einsetzten. Da gibt es zunächst stets die übliche Häme des Marktes und der Öffentlichkeit für das bisher so gefeierte Institut. Daraus kann man wiederholt den Schluss ziehen, dass jedes Unternehmen, das zu viel und zu lange in der Öffentlichkeit hochgejubelt wird, irgendwann wieder auf dem Boden landet. Das ist aber nichts Neues.

Neu ist auch nicht, dass JP Morgan Nassim Nicholas Taleb in dem bestätigt hat, was er in “Narren des Zufalls” und “Der Schwarze Schwan” geschrieben hat. Was nützt es, wenn man 10 Jahre hintereinander mit einem Geschäftsfeld 100 Mio. US$ pro Jahr verdient, wenn man anschließend damit einen Verlust von 2 Mrd. US$ macht? Das ist jedenfalls der klassische Denkfehler in der Wirtschaftspraxis und im Finanzwesen. Weil eine Strategie ein paar Jahre gut läuft, glauben wir, dies müsste auch für die Zukunft gelten. Induktionsfehler nennen das die Fachleute. Darunter versteht man den Denkfehler, aus Einzelbeobachtungen auf allgemeingültige Gewissheiten zu schließen (gut exemplarisch erklärt von Rolf Dobelli auf faz.net).

Vorhersehbar sind in solchen Fällen die Reaktionen, dass solche Beispiele ja endgültig zeigen würden, dass die Finanzindustrie nun besser kontrolliert werden müsse (siehe auch FTD Fesselt die Banken! und Paul Krugman Why „We Regulate“). Solche Forderungen führen bei mir mittlerweile zu einem mittelstarken Gähnen. Seit Jahrzehnten wird im Finanzsektor reguliert, dereguliert und nun wieder stärker reguliert. Dies ändert im Prinzip gar nichts. Wird die Finanzindustrie stärker reguliert, dann wandern die Gelder entweder in weniger regulierte Geschäftsfelder ab oder Geschäfte werden noch komplizierter und komplexer, um sie gesetzeskonform zu gestalten. Ausgerechnet der hier im Fokus stehende Markt für Kreditderivate hat sich ja auch deswegen so gut entwickelt, weil die Aufsichtsbehörden die Risiken in den Bankbilanzen besser verteilt sehen wollten.

Für mich ist dieser Mistrade nur eine weitere Bestätigung für die Nutzlosigkeit der Finanzmarktregulierung. Vielmehr sollten wir diskutieren, warum eigentlich staatliche Stellen direkt (über Eigenkapitalhilfen und Garantien) oder indirekt (über Zentralbanken und Rettungsfonds für Staaten) riskantes Bankgeschäft so stark subventionieren. Ich bin ausdrücklich nicht dafür, Finanzhäusern (egal ob Banken, Hedgefonds oder anderen Marktteilnehmern) solche Geschäfte zu verbieten. Verhindert werden muss allerdings, dass diese Geschäfte externe Effekte erzeugen, also Dritte plötzlich für Verluste aus Geschäfte einstehen müssen, ohne von diesen Geschäften zu profitieren. Das hat nämlich weder etwas mit Marktwirtschaft noch Kapitalismus zu tun. Wenn die Geldgeber wissen, dass sie nicht staatlich abgesichert sind, sind sie stärker in der Verantwortung sich für die Risiken der eigenen Bank zu interessieren. Tatsächlich verstärkt die Regulierung aber die Informationsasymmetrie zwischen Banken und ihren Kunden.

Hier werden mir jetzt einige Leser vorhalten, es sei naiv zu glauben, der Markt würde sich hier quasi selbst regulieren, wenn der Staat sich zurückziehen würde. Mag sein, aber genau so naiv ist es zu glauben, wir machen das Finanzsystem mit Regulierungsmonstren wie Basel III oder Solvency II stabiler.

JP Morgan jedenfalls steht durch den Mistrade unter erheblichem Druck seiner Kunden und Geldgeber. Die Bank wird wohl keine direkte staatliche Unterstützung brauchen, wird aber die Aktivitäten im Kreditderivatebereich so teuer bezahlen, dass dies das Geschäftsmodell in Frage stellt.

Leseempfehlungen

WSJ: Wie es zum Milliardendebakel von J.P. Morgan kam

FTD: Agenda Das Debakel des Königs der Wall Street

NYT-DB: Banks Tread a Fine Line in Trading

NYT-DB: JPMorgan’s Loss: Illegal, or Just Bad Judgment?

NYT-DB: In JPMorgan Chase Trading Bet, Its Confidence Yields to Loss

Querschüsse: JP Morgan verzockt Milliarden – und blamiert den „härtesten“ Fed-Stresstest aller Zeiten

Acemaxx Banken und Fehlspekulationen im Eigenhandel

WSJ: Wie es zum Milliardendebakel von J.P. Morgan kam

SB2.0: Im Kopf des Bankers: JP Morgan symbolisiert das Innenleben

Risiko Manager: J.P. Morgan erleidet Desaster im Risikomanagement

SZ: Milliardenverlust bei JP Morgan — Reflexe wie vor der Finanzkrise

FTD: Fehlspekulationen von JP Morgan“Lord Voldemort“ vernichtet 2 Mrd. Dollar

FT Alphaville: The five sources of information on the JPM whale trade

FAZ: J.P. Morgan Chase: Zwei Milliarden Dollar in sechs Wochen verspekuliert

Zero Hedge: Is JPM Staring At Another $3 Billion Loss?

FAZ: JP Morgan Wie man Finanzhäuser in die Enge treibt (11.5.12)

WSJ: Everybody’s Talking About JPM and the London Whale (11.5.12)

WSJ: J.P. Morgan: A London Whale? He’s More of a Shrubbery (13.4.12)

Naked Capitalism: JP Morgan Loss Bomb Confirms That It’s Time to Kill VaR

Market Place: JP Morgan’s Loss: The Explainer

Yahoo finance: Polishing the Dimon Principle

Martin Burch Mai 28, 2012 um 23:08 Uhr

„…Vielmehr sollten wir diskutieren, warum eigentlich staatliche Stellen direkt (über Eigenkapitalhilfen und Garantien) oder indirekt (über Zentralbanken und Rettungsfonds für Staaten) riskantes Bankgeschäft so stark subventionieren…“ = Regulieren -> mittelstarken Gähnen..?

nigecus Mai 14, 2012 um 19:52 Uhr

Das mit der „Nutzlosigkeit der Finanzmarktregulierung“ und „externe Effekte“ sehe ich ziemlich genauso.

Die Regulierungskosten war schon mit Basel II so hoch, dass dass diese nur über Größe zu marginalisieren sind, was widerum das Ausmaß potentiell externer Effekte erhöhte. aber „mehr“ soll ja besser sein. Schwachsinn.

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