Nachtrag zur Austeritätsdebatte zum Wirtschaftsphilosophen und Wiesaussieht

by Dirk Elsner on 26. Mai 2012

Am vergangenen Mittwoch habe ich hier in einem Beitrag meine Gedanken dazu zusammen getragen, warum mich die Austerität-Debatte nervt und ich müde werde, ihr zu folgen. Es gibt zwei Repliken auf diesen Beitrag, nämlich einmal von Wirtschaftsphilosoph “Anmerkungen zur Tyrannei der Arithmetik” und von Stephan Ewald auf Wieesaussieht “Die Tyrannei der Arithmetik”. Auf Stephans Beitrag hat der Wirtschaftsphilosoph bereits wieder geantwortet in “Anmerkungen zur Tyrannei der Arithmetik”.

Beide nähern sich meinem Beitrag eher von der Makroseite und verstehen meinen Ansatz möglicherweise nicht. Vielleicht wollen sie ihn auch nicht verstehen oder ich habe mich nicht klar genug ausgedrückt. Eine Kernaussage ist nämlich die, dass ich die Debatte der Makroökonomen anstrengend und wenig produktiv finde, weil ich sie viel zu entrückt von der Realität finde. Und ob das gewollt war oder nicht, liefern die drei Beiträge gute Musterbeispiele dafür, warum die Debatte so anstrengend ist. Denn sie führen die Debatte auf einem Abstraktionsniveau, das mir zu weit entfernt von der realwirtschaftlichen Praxis ist. Leider betrachten beide meine Überlegungen ob und wie nämlich die jeweilige Politikparadigma in der Realwirtschaft wirken, nur durch ihre Makrobrillen. Immerhin geht Stephan auf meine Aussagen zu den Animal Spirits ein. Ich interpretiere seine Ausführungen dazu mal als Zustimmung.

Es mag ja sein, dass die Debatte so sogar notwendig ist. Mich jedenfalls schreckt sie ab. Und ich halte sie auch auf der politischen Ebene für kontraproduktiv, weil ich vermute, dass allein die Debatte über die unterschiedlichen Politikstile nebst deren Wechsel für mehr Schaden in der Wirtschaftspraxis sorgt, als dies Ökonomen vermuten.

Ich bin übrigens (noch) kein Anhänger der knallharten Austeritätspolitik. Ich haben in meinem Beitrag nur gesagt, dass mich die Argumente der Austeritätsgegner wie Krugman oder Tilford nicht überzeugen. Ich will meine Position noch an zwei weiteren Beispielen verdeutlichen.

So hat die Bundesregierung Anfang 2009 das Konjunkturprogramm 2 beschlossen. Es sollte in der durch die Finanzkrise verursachten Wirtschaftskrise die Nachfrage stimulieren. Das Programm lief in der Umsetzung sehr schleppend an, entfaltete geringere Wirkungen als erwartet und wirkte dann eher in einer Zeit, als die Wirtschaft ohnehin auch aus anderen Gründen angesprungen ist. Ich kenne einige Unternehmen, die sich damals für Mittel aus diesem Programm interessiert haben. Sie haben schnell abgewunken: Zu bürokratisch, zu langwierig, zu selektiv.

Mag sein, dass Volkswirte solche praktischen Fragen der Umsetzung für nicht relevant halten, weil es sich nur um “operative Probleme” handelt und es letztlich nur auf die “richtige” Umsetzung ankommt. Ich halte sie für sehr relevant.

Eine andere Relevanzfrage hatte ich mal im Januar gestellt. Da habe ich nämlich gefragt, ob die Geldpolitik der Zentralbanken überhaupt noch wirkt angesichts der abnehmenden Bedeutung des wichtigsten Transmissionsriemens der Geldpolitik: dem Bankkredit. Der Anteil der Kreditfinanzierung über Banken betrug 1991 noch 32% (bei Gesamtverbindlichkeiten von 2.042 Mrd. €) und ging auf 18% (gesamt 4.718 Mrd. €) zurück. Deutlich gewachsen sind dagegen im gleichen Zeitraum die Kredite anderer Gläubiger, darunter Versicherungen, sonstige Finanzinstitute und andere Unternehmen. Ihr Anteil hat sich von circa 6% 1991 auf 13,8% 2010. Vor dem Hintergrund dieser Daten fragte ich mich, ob nicht die Wirkung geldpolitischer Instrumente viel zu sehr überschätzt wird. In welchem Umfang kann so eigentlich noch der Durchstich der Geldpolitik auf die Realwirtschaft gelingen, wenn die Zins- und Geldmengenpolitik kaum noch eine Rolle für die Unternehmensfinanzierung spielt. In der Makrodebatte wird aber weiter so getan, als wirke die Geldpolitik wie im Lehrbuch. 

FDominicus Mai 28, 2012 um 06:06 Uhr

Oh mehr Abschottung damit es besser gehen wird? Ja das hat ja für die deutsche Steinkohle und die amerikanischen Autobauer unglaublich gut geklappt. Behinderung des Handels als Basis für mehr Wohlstand. Das wird ja „unglaublich“ gut klappen. Kapitalverkehrskontrollen, Schutzzölle. Also das ganze Arsenal um Dinge zu verteuern. Tja sieht so aus als ob uns da Snakeoil sobald nicht ausgeht.

FDominicus Mai 27, 2012 um 07:06 Uhr

Ich denke mal unsere derzeitige Situation ist doch durch diverse Makroökonomen zu dem geworden was es ist. Man soll ja einen Zweig nicht völlig abtun aber Snakeoil kann es ja nicht sein.

Stefan drückt es ja unglaublich „vorsichtig“ aus.
„Ich denke auch, dass erstens, die theoretische Basis der Geldpolitik mehr als fragwürdig geworden ist und in der Tat die gravierenden Schwächen der Theorie einfach weiterhin ignoriert werden.“

Das nenne ich stehenden KO. Es gibt nur eine Richtung der Ökonomie die das was passiert trafen und die werden in D an (fast) keiner Uni auch nur erwähnt. Die Makroökoonomen behandeln Wirtschaft wie eine Maschine. Man dreht da und dort ein bisschen und „erreicht “ dann ein bestimmtes Ergebnis. Das ist so oft widerlegt worden, daß es nicht mehr lustig ist.

In „this time is different“ wird immer und immer wieder dasgleiche Schema des Untergangs nachgewiesen. Und immer wieder wird versucht ein andere Ergebnis mit dengleichen Mitteln zu erreichen. Das hat jemand anders schon mal als Dummheit bezeichnet, und ich denke dem schliesse ich mich uneingeschränkt an.

Wenn nicht gespart wird, dann wird gespart werden. Nicht mehr und nicht weniger. Das die „Poltiker“ das nicht einsehen und weiter rummanipulieren, macht das Ende nur um so gewisser. Aber ich weiß. Die Politiker werden, dann sagen, „das konnte niemand wissen“ und/oder „wir sind nicht schuld“ oder etwas „Ähnliches“

Stefan L. Eichner Mai 26, 2012 um 13:04 Uhr

Ich denke auch, dass erstens, die theoretische Basis der Geldpolitik mehr als fragwürdig geworden ist und in der Tat die gravierenden Schwächen der Theorie einfach weiterhin ignoriert werden. Steve Keen hat diese Schwächen, wie ich finde, sehr verständlich dargelegt:
http://www.paecon.net/PAEReview/issue57/Keen57.pdf

Und ich denke darüber hinaus ebenfalls, dass die Wirkung der Geldpolitik und ihr möglicher Beitrag zur Bewältigung der Krise anhaltend überschätzt wird.

Wenn man genau darüber nachdenkt, wurde seit Beginn der Hypothekenkrise so getan, als ließe sich alles, was danach an Problemen auftauchte, geldpolitisch lösen. Als das nicht so recht funktionierte und nach der Lehman-Pleite dieWeltwirtschaft einbrach, hat man gesagt, die Maßnahmen bräuchten halt eine gewisse Zeit, um zu wirken. Quasi zur Überbrückung wurden Konjunkturprogramme – etwa die Abwrackprämie – aufgelegt.

Gelöst wurden die Probleme dadurch, das heißt weder durch die Maßnahmen der Notenbanken noch durch die Konjunkturprogramme. Anschließend suchte man sein Heil im Sparen und dadurch ist auch nichts besser geworden, im Gegenteil.

Das Problem aller drei Konzepte ist, dass sie auf ökonomischen Theorien aufbauen, die die wirtschatliche Realität und deswegen auch die Krise selbst nicht zutreffend erklären können. Etwas mit einer falschen Gebrauchsanleitung reparieren zu wollen, hat eben noch nie funktioniert.

Und ja, genau deswegen ist die Debatte, die sich im Kern darum dreht, ob Keynes (Stimulierung) oder die Neoklassik oder der Neoliberalismus (Austeritätspolitik) jetzt der richtige Krisenansatz ist, überflüssig und ermüdend.

Grüße
SLE

Dirk Elsner Mai 26, 2012 um 18:22 Uhr

Besser hätte ich meine Position nicht ergänzen können 🙂

Guenni7 Mai 27, 2012 um 01:22 Uhr

Ich denke auch, dass die geldpolitische Einflußnahme auf die Wirtschaft bedeutend abgenommen hat. Das sieht man eigentlich schon daran, dass die EZB trotz ihrer 1%-Niedrigzins-Politik schon seit mehreren Jahren keine vernünftige Inflation herbeiführen kann, obwohl die von allen Beteiligten gewollt ist (auch wenn das öffentlich nie Jemand sagen würde).

Bei Konjunkturprogrammen sieht die Bilanz verheerend aus. Es wird immer das Wort „Strohfeuer“ in diesem Zusammenhang benutzt, das ist m.E. falsch: Ein Strohfeuer brennt kurz, und danach geht es aus – kehrt also in den Anfangszustand zurück. In der Wirtschaft funktioniert das so aber nicht, siehe die Abwrackprämie: Der Konsum ging kurz nach oben, und dann folgte eine lange Durststrecke. Die Investition in ein Auto wurde nämlich nur vorgezogen, nach dem „Konjunkturpaket“ ging es dann weit unter die normalen Absatzzahlen. Das vom Staat ausgegebene Geld hatte eigentlich Null Effekt.

Stellt sich nun aber die Frage: Wenn weder Konjunkturpolitik noch Geldpolitik weiterhelfen, kann man dann überhaupt etwas tun? Oder muß man diesen Zyklus an sich vorbeiziehen lassen und auf bessere Zeiten warten?

Stefan L. Eichner Mai 27, 2012 um 09:44 Uhr

@Guenni7

Man kann etwas tun. Der ist, anzuerkennen, dass die persitierende Krise im Kern wirtschafts- und, was ebenfalls sehr wichtig ist, marktstrukturelle Ursachen hat, die Ergebnis der an sich normalen zeitlichen Entwicklung von Märkten ist.

„Too big to fail“ ist ein Schlagwort, das zwar zu kurz greift, aber dennoch zeigt, worin das Problem besteht: wenn zu viele bedeutsame Märkte (global) das Reifestadium ihrer Entwicklung überschritten haben und die Politik (weltweit) sich darauf konzentriert, die wenigen Gewinner (Oligopolisten) auf diesen Märkten zu stützen, dann bekommen wir eine systemische Instabilität, die weder mit Geldpolitik noch mit Stimulierung (Geld in die Märkte kippen) oder Sparen (Staatsanteil, Sozialsysteme und Löhne reduzieren) zu lösen ist.

Und wenn Länder wie Griechenland international wettbewerbsfähig werden sollen, wie um Himmels willen soll das gehen, wenn sich die griechische Wirtschaft auf allen globalen Märkten gegenüber Mega-Konzernen wie General Electric, Procter & Gamble, HP, Siemens, Volkswagen, Barclays oder JP Morganetc. behaupten können muss?

Was die Mäkte anbelangt, so wird man die Dominanz von Oligopolisten schrittweise beseitigen müssen. Dafür gibt es eine breite Palette von Maßnahmen.

Was nicht mehr wettbewerbsfähige, wirtschaftsstrukturschwache Volkswirtschaften anbelangt, so wird man nicht umhinkommen, sie übergangsweise vor dem internationalen Wettbewerb zu schützen, damit sie ihre Wirtschaft entwickeln können. Das geht in erster Linie zu Lasten des Freihandels, der großen Global Player und jener führenden Volkswirtschaften, indenen die großen Global Player beheimatet sind.

Das heißt letztlich die Einführung von Schutzzöllen und Kapitalverkehrskontrollen – temporär. Damit brauchen diese Staaten dann auch nicht aus dem Euro aussteigen.

Grüße
SLE

Marsman Mai 26, 2012 um 10:12 Uhr

Vielleicht interessant, eine Doku vom ZDF zu Griechenland. In 60 Minuten wird
darin recht interessant die Entstehnung dieses Griechenland – Problems
aufgezeigt. Unter anderem werden auch sehr interessante Rückblicke, teils bis
in die 90er Jahre gehalten und gezeigt wie es wiewohl Griechenland gar nicht
geeignet war für den Euro und die diese ursprüngliche Kriterien trotzdem
in die Eurozone aufgenommen wurde. Immer wieder wurde von der Politik
sehr Wesentliches, jetzt akut problematisch, gezielt ignoriert.
Ein Dokumentation die man dem ZDF in dieser Qualität eigentlich gar nicht zutraut.
Die Griechenland Luege (8. Mai 2012)
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/1634150/Dokumentation-Die-Griechenland-Luege#/beitrag/video/1634150/Dokumentation-Die-Griechenland-Luege

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