Das große Match um Mobile Payment (Finale): Mobile Payment setzt sich durch – Sieger wird PayPal

by Dirk Elsner on 29. Mai 2012

In sechs Beiträgen (Übersicht hier) habe ich die verschiedenen Facetten des Mobile Payments (siehe dazu auch die Mindmap Next Payment), der angebotenen Produkte und der wichtigsten Player beleuchtet. Das Feld ist derzeit so unglaublich dynamisch, dass ich während des Schreibens dieser Reihe ständig fürchten musste, von aktuellen Entwicklungen überholt zu werden. Daher bin ich froh, endlich beim Finale angekommen zu sein. In einigen Monaten könnte das Spiel schon wieder vollkommen anders aussehen.

Auch wenn in Deutschland noch der Spruch gilt “Nur Bares ist Wahres”, wird der Trend zur Nutzung mobiler Zahlverfahren in Deutschland wie in Europa weiter stark zunehmen. Diese Erwartung teile ich mit vielen Fachleuten. Spätestens in 3 bis 4 Jahren soll es soweit sein [1]. Ich halte das für plausibel, weil es deutlich bequemer ist, statt mit Karte oder Bargeld, per Smartphone nebst entsprechender App zu zahlen. Die neuen Dienstleister haben außerdem verstanden, was Usability bedeutet und wissen diese mit neuen Technologien zu realisieren. 

Hier ein Video, wie sich PayPal die Annahme von Zahlungen in Geschäften vorstellt

Wird das Bargeld wirklich ersetzt?

Der Markt für mobile Bezahlverfahren per Smartphone ist noch relativ jung. Die Fachleute vom Pew Research Center erwarten, dass spätestens 2020 mobile Zahlungen Bargeld und Kreditkarten abgelöst haben. Andere Prognosen erwarten, dass Mobile Payment ab 2015 “der am meisten genutzte Kanal für Banking überhaupt sein wird”. Solche Prognosen kann man natürlich heute raushauen, weil ohnehin in 2015 bzw. 2020 niemanden mehr interessiert, was heute geschrieben wurde. Ich teile jedenfalls diese Euphorie nicht. In jedem Fall muss man differenziert hinschauen.

In Deutschland hat Bargeld große Anhänger, in Schweden dagegen wird kaum noch bar bezahlt. Einige Regierungen schränken daneben die Verwendung von Bargeld ein, um die Möglichkeiten zur Steuerhinterziehung zu reduzieren [2].

Hört man sich in Deutschland um, dann dominiert eher noch Zurückhaltung. Zwar können sich viele die bargeldlose Bezahlung gut per Smartphone vorstellen, aber abhängig will man davon derzeit auf keinen Fall werden. Zu groß ist die Skepsis im Hinblick auf Datenschutz und Sicherheit und was gern übersehen wird, Verfügbarkeit.

Und gerade die Verfügbarkeit derzeit noch als “exotischer” empfundener Zahlverfahren am Point of Sale wird nicht dazu führen, dass sich der deutsche Retail-Kunde einem oder zwei Anbietern ausliefern wird. Er ist gewohnt, dass seine Debit- bzw. Kreditkarten nahezu überall akzeptiert werden. Das müssen die Newcomer erst einmal erreichen. Daneben kommt das gern von den Technikanhängern ausgeblendete Problem der Akkulaufzeiten hinzu. Nach Murphy ist nämlich genau dann die Ladepower der energiezerrenden Akkus am Ende, wenn ein E-Ticket gezeigt wird oder man mit seinem Gadget bezahlen möchte.

Ich erwarte daher in Deutschland ein langsames Herantasten an die neuen Möglichkeiten. Bargeld wird im Einzelhandel in jedem Fall weiter verwendet werden. Wenn es den neuen Anbietern gelingt, z.B. die Zahlung von Kleinstbeträgen etwa für Eintrittsgelder oder an Fahrscheinautomaten (werden aber durch E-Ticketing mittelfristig eher überflüssig) zu forcieren, könnte dies den Anwendern zeigen, wie einfach das mobile Bezahlen sein kann. Wenn darüber hinaus sinnvolle Reportings angeboten werden (Nutzer sehen über entsprechende Apps, wofür sie ihr Kleingeld ausgegeben haben), dann wird auch der Mehrwert von Zahlungen per Smartphone im Vergleich zur Kartenzahlung noch eher erkannt werden.

Wer setzt sich durch?

 

Das ist die schwierigste Frage. Aktuell sind so viele Spieler auf dem Feld in sich täglich ändernden Formationen. Kaum jemand hat hier mehr den Überblick. Es reicht jedenfalls nicht aus, das eleganteste, sicherste und schnellste System [3] zu haben. Im Payment-Geschäft geht es um zweistellige Billionenumsätze und dreistellige Milliarden-Provisionen. Da wird mit harten Bandagen gekämpft werden. Neben den Newcomern aus der IT- und Internetecke hat letztlich der Handel selbst den größten Einfluss auf das bevorzugte Zahlungssystem.

Und der Handel wird natürlich bei seinen ohnehin geringen Margen auf die Nebenkosten der verschiedenen Verfahren achten und keine große Neigung spüren, verschiedenste für die Annahme notwendige technische Geräte in seinen Zahlstellen zu installieren.

Ich erwarte jedoch nicht, dass sich proprietäre Zahlungsverfahren von Wallmart, Otto und Co. durchsetzen werden. Konkurrierende Handelskonzerne haben kein Interesse daran, ihre Konkurrenten mit feinsten Zahlungsdaten zu beliefern. Dennoch sind die Handelsriesen die Gatekeeper, die entscheiden, wen sie reinlassen.  

Noch vor einem Jahr hätte ich gedacht, dass Google mit der Wallet große Chancen hat. Mittlerweile bin ich da skeptischer. Sensibel bleiben die Themen Datenschutz und Sicherheit. Gerade bei Google könnte die Nutzer abschrecken, dass man dem Konzern mit dem Surfverhalten nicht auch noch das Zahlungsverhalten offen legen möchte. Die Verknüpfung des Zahlungsprofils mit dem Surfprofil wäre wirklich die Platininformation, die sich jeder Werbetreibende wünscht [4].

Derzeit dürfte PayPal die Nase vorn haben. PayPal erfreut sich seit Jahren im Onlinehandel steigender und mittlerweile ausgesprochen hoher Beliebtheit und zählt im Netz mittlerweile zu den Top 3 Bezahlverfahren. Paypal strebt ja bekanntlich an den Point of Sale  und will hier beide Seiten besetzen, also ein günstiges Empfangsverfahren ala Square für die Händler und ein QRCode bzw. NFCbasiertes Verfahren für die Smartphones der Kunden zum Bezahlen.

 

Banken verlieren Marktanteile aber noch nicht das Konto

Es gibt Aussagen nach denen in 10 Jahren mit Mobile Payment bereits mehr Umsatz abgewickelt wird als mit Kreditkarten. Ich glaube, dass könnte sogar schneller gehen. Aber die neuen Anbieter werden nicht einfach durchmarschieren. Auch sie werden im Sinne des im sechsten Teil skizzierten Hypecycles Rückschläge erleiden, sei es wegen immer wieder auftretender Sicherheitsprobleme [5] und vor allem der mangelnden Kompatibilität der verschiedenen Verfahren untereinander.

Banken werden vermutlich das Match um das Mobile Payment verlieren. Sie haben hier schlicht keine attraktiven Angebote und die Wünsche ihrer Kunden zu lange vernachlässigt. Das Interesse der neuen Payment-Player, eine Zusammenarbeit in Form eines Cobrandings oder was auch immer zu suchen, dürfte gegen Null gehen und könnte nur sehr teuer erkauft werden.

Banken spielen in den Zahlungsprozessen “nur” noch eine Rolle als Schnittstelle zum Konto des Kunden, auf dem die eigentlichen Zahlungsmittel liegen, noch. Noch nämlich rechnen viele Payment-Anbieter die Einzelzahlungen über Einzelbuchungen ab. Spätestens wenn Banken dies aber als zusätzliche Einnahmequelle entdecken, könnte der Trend wie bei Kreditkarten zur Sammelabrechnung und zur Führung von Guthabenkonten gehen.

Richtig interessant wird es also, wenn Kunden ihre Ein- und Auszahlungen über einen Paymentanbieter steuern würden. Bei PayPal ist das schon jetzt möglich. Das wird zwar zumindest in den nächsten fünf Jahr nicht so weit gehen, dass Privatkunden ihr Gehalt, wie in afrikanischen Ländern direkt auf ihre Wallet überweisen lassen werden. Aber denkbar ist, wie das schon lange Kreditkartenanbieter anbieten, über verzinsliche Guthaben mehr Geld im eigenen Kreislauf zu halten. Eine komplette Substitution des Kontos werden wir aber so schnell nicht sehen. Sollten sich die Newcomer freilich auf Standards verständigen, wie man untereinander Zahlungen abwickeln kann, wird dies allerdings keine Utopie bleiben.

Ob die Newcomer auch das Wholesalegeschäft besetzen werden, ist offen. Derzeit sind hier jedenfalls keine Ansätze erkennbar, dass in dem für die Finanzbranche lukrativeren Sektor der Großbetragszahlungen neue Wettbewerber auftauchen könnten.

Das Mindeste, was die Banken tun könnten, wäre ihre Geschäftskunden im Hinblick auf Mobile- und übrigens auch Online-Payment zu beraten und zu unterstützen bei der Auswahl der richtigen Anbieter. Aber auch hier sehe ich derzeit kaum Aktivitäten.

Kreative Spielzüge der Newcomer

 

Während aus dem klassischen Finanzbereich so gut wie niemand neue Kombinationen einstudieren mag und man mit Spielwitz geizt, prüfen die IT-Riesen übrigens weitergehende Spielzüge. So hatte Google Chairman Eric Schmidt auf dem Mobile World Congress Ende Februar in Barcelona überraschend bekannt gegeben, dass Google am Aufbau einer eigenen Währung gearbeitet hatte. “Google Bucks” hätte diese Kunstwährung heißen sollen, die als Peer-to-Peer Geldsystem vorgesehen war. Die Entwicklung hat der Internetriese zwar eingestellt, weil es große rechtliche Probleme mit der Idee gegeben haben soll. Dennoch zeigt diese Offenlegung, mit welcher Kreativität Google sich dem Finanzsystem nähert.

Und richtig bunt könnte es werden, wenn Apple die bereits patentierte iWallet startet. Bisher gibt es zwar außer der bemerkenswerten Patentanmeldung keine weiteren Bestätigungen (dafür weitere Spekulationen) für Ambitionen des Computerriesen aus Cuppertino. Die Integration von Zahlungsfunktionen in iPad und iPhone dürfte aber noch einmal hektische Aktivitäten der Zahlungsdienstleister auslösen.  

Abpfiff

Ich lege mich zum Abschluss mal fest: PayPal wird in den nächsten fünf Jahren zu den Top 3-Bezahlverfahren auch im Mobile Payment am Point of Sale aufsteigen und selbst in Deutschland wird man in drei Jahren in mindestens 30% aller Geschäfte mit PayPal bezahlen können. Apple könnte zwar auch signifikant von einem Einstieg profitieren, würde aber eher elitär bleiben wie die American Express Karte. André Bajorat, der in den neuen Entwicklungen tieft drin steckt, hat übrigens für Mobile Zeitgeist eine sehr lesenswerte Zusammenfassung geschrieben unter dem Titel: Update: Mobile Payment am Point of Sale. Auch er kommt zu dem Schluss, dass PayPal die größten Chancen am Markt hat.

Wie man sieht, bleibt viel Platz für Dramatik im Spiel um das Mobile Payment in den nächsten Monaten und Jahren. Ich bleibe natürlich mit dem Blick Log dran an diesem Thema wie an weiteren Entwicklungen im Next Banking. Wer sich schnell und aktuell informieren möchte, dem empfehle ich eine der besten Quellen in Deutschland: Das, ist André M. Bajorats Link Sammlung. Hier gibt es fast täglich Updates mit vielen interessanten Links zu den neuesten Entwicklungen im Payment-Bereich.



[2] Vgl. Wisu 4/2012, S 402 f.

[3] Schnelligkeit ist übrigens auch ein ganz entscheidendes Kriterium für den Point of Sale. Noch mehr als im Onlinehandel (siehe dazu The Fastest Online Payment Processor? Its Google) kommt es beim mobilen Bezahlen darauf an, dass die Anbieter sehr schnell Zahlungen autorisieren und abwickeln können.

[4] Allerdings haben es nach meinem Eindruck bisher die wenigsten Marketeers geschafft, die durch das Surfverhalten gelieferten Informationen in sinnvolle Kampagnen umzusetzen.

[5] Mit Sicherheitsproblemen haben aber alle Seiten zu kämpfen. Hier etwa VISA und Mastercard für die traditionelle Finanzbranche hier PayPal oder hier die Google Wallet

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