Merkmale typischer Management-Fehler? Führungsversagen am Beispiel des Flughafens Berlin

by Dirk Elsner on 3. Juli 2012

Ja, ich weiß, die Welt hat ganz andere Probleme: Europäische Schulden- und Bankenkrise, Angst vor der Rezession, Fußball Europameisterschaft und in Deutschland hadern Politiker vor allem wegen unverzollte Teppiche. Manchmal lohnt sich aber ein Blick in das Mikromanagement von Problemen in der Praxis, um zu verstehen, wie mit ihnen umgegangen wird und warum Warnungen ignoriert und häufig die falschen Entscheidungen getroffen werden. Vielleicht kann man daraus auch etwas für die großen Themen lernen, außer natürlich für den Fußball.

Airport Schoenefeld Alter Flughafen Schönefeld im Nebel (Foto: flickr/givingnot@rocketmail.com)

Ein ausgezeichnet recherchiertes und geschriebenes Lesestück fand sich vorvergangene Woche im Handelsblatt. In einem Tweet bezeichnete ich das als “Musteraufsatz für ein Lehrbuch zur Praxis des Managements im Handelsblatt: ”Sieben Todsünden machten BER zum Desaster. Darin skizzieren die Autoren Daniel Delhaes, Fabian Gartmann, Silke Kersting und Jens Koenen sehr detailliert Management-Fehler am Beispiel des Flughafenbaus Berlin Brandenburg.

Wer in der Wirtschaftspraxis arbeitet, der wird darin viele typische Verhaltensweisen vieler Manager aus verschiedensten Branchen und natürlich aus der Politik erkennen. Meist ärgern sich die jeweiligen Ebenen darunter über “Verhaltensanomalien”, die aber nur selten öffentlich zum Vorschein kommen oder mit Buzzwortrhetorik weggebügelt werden.

Da ist etwa von einem Geschäftsführer die Rede, der mit voranschreitendem Projektfortschritt immer weniger durchsteigt. Wegbegleiter beschreiben diesen Manager als Macher (Formulierungen, die PR-Büros gern über Bosse streuen lassen). Tatsächlich schaltete er auf kognitive Dissonanz. “Er hat kein Ohr für Zweifel, für Kritik schon gar nicht. Von einem „ständigen Wegbügeln“ ist die Rede, er sei nicht offen gewesen für Hinweise”, schreiben die Autoren.

Wer Probleme benannte, wurden Beobachter zitiert, hatte schnell selbst ein Problem. Da wurden offensichtlich unbequemer Mahner selbst schnell zum Sündenbock gemacht, ein Phänomen, von dem auch viele Banker berichten als Reaktion auf interne Warnungen zu riskanten Geschäften vor 2007 (jüngstes Beispiel dazu JP Morgan). Damals wie im zitierten Beispiel delegierten der Top-Manager die Verantwortung für alle möglichen Aktivitäten (ich nenne das Verantwortungsfragmentierung), ließen aber gleichzeitig Warnungen nicht zu. Diese Mischung aus Wunschdenken, Zweckoptimismus und Realitätsverlust dürfte also nicht nur beim Bau des Flughafens ein zentraler Managermentfehler gewesen sei.

Da wurden bei den Ausschreibungen die Kosten so stark gedrückt, dass Qualität nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Eine Klage, die man auch häufig von Mitarbeitern und Managern nachgeordneter Ebenen für Projekte hört. Zweifel am Zeit- und Kostenplan will man dann nicht hören. Mir sagte mal ein Vorstand: “Das sei ein operatives Problem und müsse managebar sein.”

Was ich bisher gar nicht wusste war, dass die hochgelobte Beratungsgesellschaft McKinsey den Flughafen bei der Planung unterstützt hat. Erst im März sah man auch den eigenen Ruf gefährdet und schrieb ziemlich spät einen Brandbrief an das Flughafen-Management.  „Die Berater wollten nun schlicht ihren Allerwertesten retten und nicht in das absehbare Debakel gezogen werden“, zitierten die Autoren einen nicht genannten Insider. McKinsey selbst wollte sich auf Anfrage der Handelsblatt-Autoren nicht zum Thema äußern.

Es versteht sich, dass auch hier trotz “hochkarätiger” Besetzung der Aufsichtsrat nichts bemerkt hat. Für die war es wohl wichtiger, dass man verschiedene “renommierte” Fachleute (hier so genannte Stararchitekten). Man dachte aber nicht daran, dass solche Stars, wenn sie aus verschiedenen Unternehmen kommen, unterschiedliche Auffassungen haben können und nicht automatisch gut miteinander harmonieren. “Häufig werde bei einer solchen Konstruktion dann eher gegen- als miteinander gearbeitet.”

Ein wirklich langer und guter Text. Die Beteiligten und Handlungsstränge lassen sich einfach austauschen und auf andere Branchen und Unternehmen übertragen.

Timur Peters Juli 3, 2012 um 07:39 Uhr

Wenn alles klappt ist man der “Macher“, wenn es scheitert ist man der “Manager mit den Scheuklappen“. Meiner Erfahrung nach scheitern solche Dinge meißtens an ganz anderen Dingen die man als Manager gar nicht direkt beeinflussen kann. wie z. Bsp. der Kosten- und Zeitdruck, die wirtschaftliche Entwicklung des direkten Umfelds, private Schicksale etc.

Grüße T. Peters

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