Beteiligung der Banken an Debatte über Erneuerung des Finanzsystems ist irgendwie eingeschlafen

by Dirk Elsner on 6. Juli 2012

dead banker?

Während die Debatte über die Eurokrise und die Wirkungen verschiedenster Maßnahmen wenigstens intensiv in Fachkreisen geführt wird, vermisse ich derzeit eine Debatte über die Erneuerung des Finanzsystems. Vor allem vermisse ich hier die Stimmen und Positionen der Betroffenen selbst, nämlich der Banken. Der Finanzsektor wird direkt und indirekt mit Billionensummen unterstützt und gestützt. Das sind Subventionen, die längst jede gesellschaftliche Akzeptanz deutlich überschritten haben. Seit Ausbruch der Finanzkrise überwiegt aber weiterhin das Schweigen der “Finanzelite” und ihrer Verbandsvertreter. Selbstkritischen Andeutungen, wie in dem Interview der neuen Chefs der Deutschen Bank vor einigen Wochen mit der FAZ, bleiben an der Oberfläche.

Zur Ehrenrettung der Banker darf ich zwar sagen, dass sie auf Fachveranstaltungen und in persönlichen Gesprächen vom Vorstand bis zum Sachbearbeiter die kritische Diskussion nicht scheuen. Aber diese findet in einer Halböffentlichkeit unterhalb der Wahrnehmungsschwelle statt. Aber eine öffentlich Äußerung zum aktuellen und hoch brisanten LIBOR-Skandal, in dem selbst der angesehene Economist erstmals(?) den Begriff Bankster verwendet, habe ich ich nicht gefunden. Und ich betonen noch einmal: Das ärgert viele Mitarbeiter in der Branche.

Natürlich, die öffentlichen Schlagzeilen sind deutlich negativer als die persönlichen Eindrücke, die viele Kunden aus Gesprächen mit den Bankern ihres Vertrauens mitnehmen. Auf der Seite “Trends im Classic Banking” sammele ich Beiträge über Aktivitäten, das Verhalten und Veränderungen im Finanzsektor. Was ich dort lese, erschreckt nicht nur mich, sondern ebenfalls viele Bankangestellte, wie ich immer häufiger höre. Auch viele Banker bemängeln ein Verhalten, das ich hier “aktive Defensive” nennen möchte.

Defensiv ist die öffentlich wahrgenommene Positionierung der Banken deshalb, weil man alles versucht, um die gegenwärtigen Geschäftsmodelle am Leben zu halten. Aktiv, weil die Verteidigung der gegenwärtigen Geschäftsmodelle aus Sicht der Finanzbranche recht erfolgreich gelingt durch die vielfältigen staatlichen Stützungsaktivitäten. Daneben sorgt die anspruchsvolle und komplexe Finanzmarktregulierung dafür, dass kleinere Institute immer größere Probleme mit der auch von der Öffentlichkeit geforderten “Kette” haben, an die die Finanzbranche gelegt werden soll. Wenig interessiert es da die Politik und die Öffentlichkeit, dass es neuen Wettbewerbern so extrem schwer gemacht wird, einen verkrusteten Markt aufzubrechen.

Neben dieser aktiven Defensive zur Schulden- und Bankenkrise sorgt ein mediales Bombardement negativer Schlagzeilen aus der Finanzbranche für große Frustration. Ob Facebooks Börsengang, der LIBOR-Skandal, der ENBW-Deal, die JP Morgan-Geschäfte mit Milliardenrisiken, die Bestechung eines Landesbankvorstandes, Insiderhandel, Datenmanipulationen und so weiter nur aus den letzten Wochen. Diese zum Teil kriminellen Skandale spiegeln zwar nicht den normalen Arbeitsalltag der Finanzbranche wider. Aber sie dominieren mangels Alternativen die Schlagzeilen. Weil Vertreter der Finanzbranche selbst keine Position beziehen, setzen sich die Skandale als repräsentativ für die Branche fest. Sie sind es natürlich nicht, wenn man den Alltag in einer Bank kennt. Aber da will keiner glauben.

Banker neigen hier aber voreilig dazu, die Schuld dafür bei den Medien zu suchen. Das ist aber Unsinn. Zu den oben genannten Skandalen schweigt die Branche oder spricht so leise, dass sie nicht wahrgenommen wird. Da spielt natürlich auch eine Rolle, dass man Angst davor hat, das Falsche zu sagen und gleich wieder öffentliche Entrüstung auszulösen. Schweigen ist da bequemer. Daneben ist erschütternd, wie viele Bankchefs in den letzten Jahren sich zwar gern für Erfolge haben feiern lassen, bei Fehlern aber von bedauerlichen Einzelfällen und Ursachen außerhalb des eigenen Hauses sprechen. So gewinnt man keine Glaubwürdigkeit zurück.

Die Finanzbranche muss überhaupt erst einmal in die die Erneuerung des Finanzsystems einsteigen. Die Bürger erwarten meines Erachtens zu Recht nach den enormen Vorleistungen in Form von Haftungsübernahmen und der Bereitstellung billigen Geldes, dass nun auch einmal erklärt wird, wie Banking künftig funktionieren soll und wie man sich vorstellt, aus den Verlustsozialisierung wieder herauszukommen.


Foto Flickr von The Hutch

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