Wettbewerbsverzerrung im Finanzsektor: Regulierung und Krisenhilfe machen große Banken größer und vielleicht riskanter

by Dirk Elsner on 28. August 2012

Wer sich heute bei öffentlichen oder publizistischen Auftritten Applaus sichern möchte, fordert Banken noch schärfer zu regulieren und an die “Kette zu legen”. Meist erschöpfen sich die Forderungen auf diesem Niveau. Die Details sind dann unbequem und werden nur noch von Spezialisten verstanden. Die Politik scheint ebenfalls nach dem Motto zu handeln: Hauptsache wir tun so, als ob wir die Finanzbranche regulieren. Ob das sinnvoll ist oder nicht, kann ohnehin kaum einer nachvollziehen. Es reicht daher, wenn eine plausible Geschichte erzählt wird. Das Ergebnis ist dann ein Flickenteppich an Regulierung, wie ich ihn einmal in der Mindmap der neuen Finanzordnung dargestellt habe mit einer unübersichtlichen Fülle an Regelungen und Zuständigkeiten.

Regulierung macht dann ökonomisch Sinn, wenn der daraus abgeleitete Nutzen größer ist, als die daraus entstehenden Kosten. Auf die Einzelaspekte dieser Kosten-Nutzen-Analyse will ich hier nicht eingehen. Offensichtlich ist aber, dass die Umsetzung neuer Vorschriften den Finanzinstitute Geld kostet. Die Umsetzung von Regulierungsmaßnahmen kostet Geld für entsprechende Projekte für organisatorische und it-technische Anpassungen. Vorschriften wie Basel III oder Geldwäscheregelungen interessieren sich nicht für die Größe oder die Kosten der Umsetzung, sie stellen auf bestimmte Geschäfte ab. Projektkosten verhalten sich nicht proportional zu der Größe eines Instituts, etwa gemessen an der Bilanzsumme. Sie belasten kleinere und mittlere Institute wesentlich stärker als große Häuser. Eine logische Konsequenz: Kleinere und mittlere Institute verlieren an Wettbewerbsfähigkeit, wenn Banken mit neuen Vorschriften eingedeckt werden.

Dieser Verlust an Wettbewerbsfähigkeit fördert den Marktaustritt und/oder Zusammenschlüsse. Damit tritt ein Effekt ein, den Regierungen und Ökonomen gerade verhindern wollen: Banken schließen sich zusammen zu größeren Einheiten. Auch wenn die Kosten für solche Fusionen hoch sind und meistens unterschätzt werden, scheint es sich auf mittlere und lange Sicht zu lohnen.

Und ein weiterer Grund setzt erhebliche Anreize, dass sich Banken zu größeren Einheiten zusammen schließen: Das Kalkulieren mit Staatsgarantien im Fall einer Schieflage. Ökonomen sprechen hier aber schon seit langen von der sogenannten “impliziten Staatsgarantie” (ausführlich dazu “Die Struktur des too-big-to-fail Problems mit der faktischen Staatsgarantie”) für die großen Institute, die Too-big-to-fail sind, also zu groß zum Scheitern. Eine Studie des IWF, die Olaf Storbeck für das Handelsblatt besprochen hat, zeigt, dass dieser unausgesprochene staatliche Rettungsschirm Milliarden wert ist. Investoren erwarten eher, dass große Institute vom Staat gerettet werden und sind daher bereit, ihnen zu günstigeren Konditionen Geld zu leihen: Ein weiterer Wettbewerbsvorteil also, der den Trend zur Größe fördert.

So ist es kein Wunder, wenn die großen Banken stärker wachsen als mittlerweile und kleinere Institute. Darauf hat Norbert Häring und in seiner lesenswerten Stimmt es, dass-Kolumne hingewiesen. In “Werden die Banken größer statt kleiner?” schreibt er u.a.:

“Die durchschnittliche Bilanzsumme der Großbanken hat 2011 um sieben Prozent zugenommen, in den beiden letzten Jahren sogar um 22 Prozent. Dagegen hat die durchschnittliche Bilanzsumme der gut 500 mittelgroßen Banken 2011 nur um 0,4 Prozent zugenommen, also weniger als die Inflationsrate, während der Zuwachs bei den über 3 000 kleinen Banken gerade die Geldentwertung ausglich.”

Bedauerlicherweise spielen beide Aspekte in der öffentlichen Diskussion kaum eine Rolle. Das kann daran liegen, dass die Zusammenhänge komplex sind. Zumindest die Forderung, das ganze Regulierungsflickwerk auf den Prüfstand zu stellen, ist politisch nicht durchsetzbar. Dabei wäre das auch unter dem Gesichtspunkt wünschenswert, dass der Finanzmarkt durch neue Wettbewerber belebt wird. Auch für die gelten natürlich die strengen und nicht gerade einladend wirkenden Vorschriften. Mit Sicherheit wird das Regulierungschaos mit unterschiedlichsten nationalen und internationalen Zuständigkeiten eine neue Finanzkrise nicht verhindern oder gar Kunden mehr Sicherheit oder bessere Produkte bieten.

Martin Burch Oktober 2, 2012 um 17:00 Uhr

@nigecus: Die Bauern haben das schon viel früher realisiert, weil kein anderer Bereich neben dem Gesundheits- und Bankenbereich so stark reguliert ist, wie der Landwirtschaftsbereich 🙂

Vielleicht noch eine Studie von Interesse, die aufzeigt, dass es eben nicht nur too big to fail gibt: http://www.tagesanzeiger.ch/wissen/natur/Too-connected-to-fail/story/21929302

nigecus August 28, 2012 um 18:16 Uhr

Markteintrittsbarrieren.

Regulatorische Auflagen führen immer zu Verwaltungsaufwand (der natürlich „geprüft“ werden muss; Also noch mehr Verwaltung um die Verwaltung zu erzeugen). Das ergibt dann irgendwann einen schönen dicken Kostenblock der z.B. bei einer Neugründung erstmal von Sekunden 1 an gewuppt sein muss. Abgesehen davon muss es doch dem letzten Bauern irgendwie eigenartig vorkommen, wenn der größte Teil einer Anfangsinvestion für den Aufbau nicht-wertschöpfender Verwaltungsprozesse verpufft. Es gibt da irgendwo eine Schwelle, wo einem Investor einer Neugründung das absurd vorkommen wird. Ab da an kann behauptet werden, dass eine Branche überreguliert ist.
Ich denke dass bei der Bankenwirtschaft in D diese Schwelle schon vor sehr langer Zeit überschritten wurde. Ohne Neugründungen gibt es dann nur noch eine Richtung: Allmähliche Konsoldierung (Größere weniger Firmen) und schließlich die Monokultur (Nur noch 1 große Firma). Solche Dinge wie „Innovation“ (wie der Blicklog oft anmerkt) gehen dann nur noch schleppend bis garnicht voran — Warum auch… Und „wie“ denn auch wenn man so viel freien Cashflow für lfd Verwaltungskosten verpulvern muss.

Man findet solche „Überregulierung“ sicherlich auch in anderen Branchen. Ich habe manchmal das Gefühl/Verdacht, dass die Politik quasi als „ausgelagerte Arbeitsbeschaffungsmaßnahme“ privatwirtschaftlichen Unternehmen sinnfreie Verwaltungsprozesse aufdrängen – Solange bis Zitrone nicht mehr zu quetschen ist, soweit wie man dadurch „Jobs schaffen“ kann.

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