Basel III Liquiditätsregeln entwickeln sich zum Hauptproblem für die Unternehmensfinanzierung

by Dirk Elsner on 2. Oktober 2012

Die rechtliche Umsetzung der Empfehlungen des Baseler Bankenausschusses in Europa ist noch immer nicht unter Dach und Fach, dennoch stellen sich Banken und Unternehmen trotz großer Bedenken auf das neue Regelwerk ein. Jochen Flach von der Deutschen Bundesbank stellte auf einer Fachtagung des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater (BDU), die ich im September besucht habe, klar, dass die EU im Gegensatz zu den eigentlichen Empfehlungen die Risikogewichte für Mittelstandskredite um 30% absenken will. Banken werden also etwas weniger Eigenkapital für diese Kredite vorhalten, als ursprünglich vorgesehen. Die Europäische Bankenaufsicht EBA lehnt dies übrigens ab, wie die FTD letzte Woche berichtete

Die finale technische Umsetzung von Basel III werde sich voraussichtlich noch einige Monate hinziehen. Das mag auch an dem Papierberg liegen, der mit der rechtlichen Umsetzung produziert wird. Flach sprach davon, dass die derzeit in der Abstimmung befindlichen Vorschläge der EU-Kommission für die Richtlinie und Verordnung weiterhin Ermächtigungen enthielten für 72 technische Regulierungsstandards, 36 Durchführungsstandards und 19 Leitlinien. Viele dieser Umsetzungstexte sollen übrigens unter der Federführung der “European Banking Authority” (EBA) stehen. Das ist die gerade vor eineinhalb Jahren geschaffene Bankenaufsicht, deren Kompetenzen im Zug einer Neugliederung der Finanzaufsicht nun wieder beschnitten werden sollen.

Die öffentliche Diskussion über die Umsetzung von Basel III dreht sich meist um die Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen an Banken und die damit einhergehenden Auswirkungen auf die Unternehmensfinanzierung. Ich habe bereits im letzten Jahr darauf hingewiesen, man müsse ebenfalls auf die Liquiditätsstandards achten. Dr. Thomas Poppensieker von der Unternehmensberatung McKinsey untermauerte diese Einschätzungen auf der BDU-Tagung mit Daten, die den Einfluss der neuen Liquiditätskennzahlen auf die Unternehmensfinanzierung zeigen.

Die Liquidity Coverage Ratio (LCR) zur kurzfristigen Liquiditätssicherung fordert von Banken so viel Liquidität bereit zu halten, dass sie großen unerwarteten Liquiditätsabflüssen für einen bestimmten Zeitraum standhalten können. Dafür sehen die Vorschriften vor, dass Teile der Aktivseite so liquide gehalten werden müssen, dass diese Anforderungen schnell erfüllt werden können. Der Einfluss auf die Unternehmensfinanzierung liegt damit auf der Hand. Kredite an Unternehmen rechnen nicht zu den Aktiva, die sich im Notfall schnell liquidieren lässt. Dazu gehören nur bestimmte Asset-Klassen, vor allem aber Staatsanleihen. Nach einer Berechnung von McKinsey müssten Banken, wollen sie die Anforderungen erfüllen, für 1,3 Bio. Euro zusätzliche Staatsanleihen kaufen. Ein weiterer Vorteil europäischer Staatsanleihen ist ja bekanntlich, dass sie nicht auf die Risikoaktiva nach Basel III angerechnet werden und damit nicht mit Eigenkapital unterlegt werden brauchen.

Zusätzlich erfordert die Net Stable Funding Ratio (NSFR) für den längerfristigen Liquiditätshorizont künftig eine stärkere Fristenkongruenz der Refinanzierung. Verkürzt dargestellt bedeutet dies, langfristige Kredite müssen auch langfristig finanziert werden (golden Bankregel). Wenn Banken die gegenwärtige Kreditstruktur aufrecht erhalten wollen, dann würden sie nach Berechnung von McKinsey sich für 2,3 Bio. Euro zusätzliche langfristige Refinanzierung beschaffen müssen. Das aktuelle Problem der Banken ist aber, dass kaum jemand bereit ist, ihnen langfristig Geld zu Verfügung zu stellen.

Beide Zahlen sind grobe Schätzungen. Außerdem berücksichtigen sie nicht, dass sie zum Teil gegenläufig wirken. Wenn etwa die langfristige Refinanzierung erhöht werden kann, dann muss auch weniger hochliquide Aktiva bereit gehalten werden. Dennoch unterstreichen diese Daten die Wirkungen auf die Finanzierung für Unternehmen.

Banken müssen zwar die Anforderungen zur LCR und NSFR zunächst nicht erfüllen, sondern diese Kennzahlen nur berichten (Überprüfung ist für 2015/2016 vorgesehen). Sie werden sich aber bereits jetzt strategisch darauf einstellen und ihre Bilanzen schrittweise entsprechend anpassen. Dazu gehört insbesondere

  1. Die Veränderung der Kreditstruktur in Richtung kürzerer Laufzeiten
  2. Anpassung der Refinanzierungsstruktur durch die Förderung von Verbriefungen

In jedem Fall lässt sich schon heute feststellen, dass die Liquiditätsregeln zukünftig große Auswirkungen auf die Unternehmensfinanzierung haben werden. Nach einer Auswertung der Bundesbank, über die das Handelsblatt vergangene Woche berichtete, hätten einige Banken bereits ihre Richtlinien für langfristige Kredit verschärft.

Man kann jetzt sehr gut beobachten, wie sich schon jetzt Unternehmen um Alternativen bemühen. So schwenken größere Mittelständer bereits seit Monaten um und setzen verstärkt auf Anleihefinanzierung. Interessant ist auch, dass neuerdings immer mehr Versicherungen in das Geschäft mit langfristigen Projektfinanzierungen einsteigen.

Dieser Beitrag ist eine überarbeitete Fassung eines Beitrags, den ich für die Webseite der CFOWorld geschrieben.

Bei der Gelegenheit kann ich auf den neuen Blog der TSI-GmbH hinweisen. Hier geht es um Fragen der Kredit- und Verbriefungsmärkte und natürlich um Regulierungsthemen des Finanzsektors. Thema von gestern: ABS und Solvency II

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