Mangelhafter Diskurs zwischen Banken, Politik und Öffentlichkeit zu neuer Finanzordnung

by Dirk Elsner on 5. Oktober 2012

In den letzten 10 Tagen haben Politik, Öffentlichkeit und Banken in Deutschland zwei Papiere mehr oder weniger intensiv diskutiert, wie die Regulierung der Finanzbranche künftig gestaltet werden kann.

Die öffentliche Debatte folgt dabei stets dem gleichen Schema. Die vorschlagenden Politiker und ihre Anhänger loben die Gedanken, die Opposition spielt sie runter, die Banken lehnen sie ab, die Aufsichtsbehörden liegen irgendwo dazwischen und Medien bzw. ihre Kommentatoren freuen sich, dass es den “Zockern” an den Kragen geht.

Oberflächlich wird gern mit dem Wohl der Bürger argumentiert, deren Steuergelder “nie wieder” an taumelnde Banken gehen sollen. Dabei blenden Regierungen bewusst aus, dass sich Banken mit Anleihen kriselnder Eurostaaten so vollgesogen haben, weil dafür kein Eigenkapital vorgehalten werden muss (das wird auch mit der Basel III-Umsetzung in der EU nicht geändert und auch im Steinbrück-Papier nicht gefordert). Die Politik streut uns Sand in die Augen, weil die als Maßnahmen zu Stützung des Euros verkauften Hilfen für die Staaten mit Schuldenproblemen in erster Linie diese Banken stabilisieren.

Ob mit den jeweiligen Vorschlägen die Ziele tatsächlich erreicht werden, scheint dabei genau so wenig zu interessieren, wie die vielen weiteren Nebenwirkungen, die aus den verschiedensten Maßnahmen für viele unbeteiligte Gruppen folgen. Ich nenne hier nur als Beispiel die negativen Folgen von Basel III für die Unternehmensfinanzierung. Suggeriert wird, dass das Finanzsystem sicherer gemacht werden soll, was aber nicht stimmt. Die Regulierung und die Krisenhilfe macht stattdessen große Banken größer und sogar noch riskanter.

Man könnte sich nun Punkt für Punkt mit den Vorschlägen auseinandersetzen und sie diskutieren, wobei das Leseinteresse dann sofort gegen Null geht. Weder die oben genannten Gruppen noch die breitere Öffentlichkeit will diese Debatte differenzieren. Das ist gerade wegen der indirekten Folgewirkungen ausgesprochen bedauerlich. So erzeugen etwa die Regulierungsmaßnahmen enorme Kosten im Bankbereich und bauen hohe Einstiegshürden für neue Wettbewerber auf.

Was ich weiterhin vermisse ist eine positive Debatte, wohin sich Banken und der Finanzsektor hin entwickeln sollen. Der Fokus ist derzeit ganz auf Defensive ausgerichtet (“das Finanzsystem muss sicher werden”) und welche Geschäfte nicht mehr betrieben werden sollen (“Spekulation”, Hochfrequenzhandel etc.). Was ein Finanzsektor soll und wie man ihn positiv gestalten kann, will anscheinend kaum jemand hören.

Beiträge würde man zum Beispiel von den Banken selbst erwarten. Aber der Bundesverband Deutscher Banken übt sich nur pflichtgemäß in der Ablehnung von Vorschlägen. Die klassischen Banken selbst sind mit Reparatur- und Regulierungsthemen beschäftigt und trauen sich angesichts der öffentlichen Kritik nicht aus der Deckung. Darüber hinaus dreht man an der Kostenschraube und versucht mit Optimierungsmodellen sich nördlich der Nulllinie in der Gewinn- und Verlustrechnung zu halten. Die Deutsche Bank hatte mit viel Bohei eine strategische “Neuausrichtung” angekündigt. Der große Wurf ist dann ausgeblieben. Als Innovation feierte man, dass die Bank eine Bad Bank („Non-Core Operations“) gründet. Auch das ist eine rein defensive Maßnahme.

Es mangelt an einer breiten Debatte über die Entwicklung und Zukunft des Bankwesens. Es ist stets einfacher zu sagen, was nicht geht, als zu überlegen, wohin sich etwas entwickeln könnte. Dabei gibt es unzählige neue Ansätze und Ideen, die aber zu oft noch in zu kleinen Zirkeln unter den Stichworten des Next Generation Finance oder Next Banking diskutiert werden (umfangreiche Stoffsammlung dazu in meinem Blog). Darüber hinaus hat Robert Shiller mit “Märkte für Menschen” ein sehr faszinierendes Buch vorgelegt, in dem er Kritik am Finanzsektor mit seiner Fortentwicklung verbindet und nicht mit der ständigen Verhinderung von Leistungen. Dieses Buch sollte für die gesamte Finanzbranche zum Leitwerk werden.

nigecus Oktober 6, 2012 um 02:16 Uhr

„negativen Folgen von Basel III für die Unternehmensfinanzierung“

Ich frage mich, ob jemals ein Politiker sich informiert hat, was die Konsequenzen von Basel II gewesen sind. Sowas macht man machmal „um aus Fehlern zu lernen“. Ok Schluss damit, weil man auch mit einer Wand reden könnte.

Wohin sich die Banken hinentwickeln sollte vermag ich aber auch nicht zu sagen. Es kommt ja auf das Aufgabengebiet an. Im Kern gibt ja auch nix neues, sondern nur neue Gewänder.

Beispiel Crowdsourcing.
– Finde ich eine tolle Sache. Sehr simpel. Einsätze überschaubar.
– Aber Stille Beteiligungen sind nunmal nix neues.
– Der Marktzugang ist einfacher geworden (Ein paar Klicks nur)
– Der „Middleman“ der die Fee kassiert ist nun nicht mehr irgendeine dubiöse Klinkenputzerfirma, sondern eine Crowdsourcing-Firma
– Die Tickets sind kleiner (Teilbarkeit)
– Informationen sind besser aufbereitet (z.B. Businesspläne, Video-Präsi, usw.)
– Es erscheint alles transparenter (z.B. das Bookbuilding)

Kurzum der Distributionskanal wurde den Bedürfnissen von Retailkunden konsequent angepasst (State-of-the-art DAU-gerechtes Software-Design; Intransparenz weglassen wenn es eh nix bringt; Genügend und nur relevante Informationen liefern).

Das blöde an Software ist, dass es nicht unbedingt ein Jobmotor für den klassischen Anlageberater ist (Den alten „Middleman“). Aber der hat eh schlechte Karten, wenn er einem informierten Publikum gegenübertritt, und somit keinen „Beratungsmehrwert“ liefern kann (Und nur als „Verkäufer“ wahrgenommen wird).
Ich glaube nicht, dass man mit tollen software-basierten Banking 2.0 Ideen Begeisterungstürmen bei der Belegschaft von Banken auslöst, deren Job substituiert wird. Change Management, Widerstände, Viel Spass!

Wenn ein technologischer und organisatorischer Wandel (was irgendwie immer einhergeht) forciert werden soll, dann sollte ein Konzern einfach enie komplett neue Tochterfirma gründen, ganz weg von dem Geschäft, was es mal kannibalisieren wird. Das hört sich einfacher als man es schreibt.

Beispiel Anreize im Retailbanking. Aktuell ist es toll, wenn ein Filialmitarbeiter ganz viele Abschlüsse macht, weil dann er selbst, seine Filiale mehr Boni bekommt. Es wäre sehr teuer ein neue Filialnetz mit einem Branding hochzuziehen, wo bspw. Honorarberatung gemacht wird (und somit zwei Filialnetze zu betreiben). Was macht man da? Manche Banken bieten, dann bspw. Private Wealth Services an. Das Problem daran ist, dass der Kunden dann vor der Wahl steht:
(a) Ich bezahle an Bank X, um beraten zu werden, oder
(b) Ich bezahlen nix an Bank X für Beratung.
Hmm. Einmal will die Bank X Geld von mir, und mal nicht. Hmmm… Das wird sich nicht jeden erschließen (trotz besseren Wissens), warum er den (a) machen sollte. Es ist doch noch immer die Bank X.

Das Problem der Bank X ist, dass sie ein „Zwischending“ probiert hat, was nicht wirklich funktionieren kann. Es funktioniert nur mit einer komplett neuen Brand außerhalb des alten Geschäfts, ohne offensichtliche Assoziation mit der alten Vertriebsart. Nur bezahlbar ist diese Strategie für Bank X nicht.

Innovationen sind immer über etwas Neues oder zumindestens andersartiges. Diese außerhalb einer eingefahrenden/funktionierenden Organsation zu implementieren ist meistens viel zu mühsam.

Achja Regulierung. Ja auch diese verursachen, dass sich Organisationen wandeln müssen. Nur ist hier dann einfach höchste Prioriät mit dem Todschlagargument „wir müssen das machen“ angesagt. Platz für andere Organisationswandel der ebenso mühsam, zeitaufwändig und kostenwirksam ist, wird dann hinten angestellt. Welcher Organisationswandel klappt denn, wo ein Externer befielt, was zu tun sei… Erkenntnisse zum Wandel sollte immer aus dem Inneren einer Organisation kommen…

Dirk Elsner Oktober 6, 2012 um 12:23 Uhr

Das Beispiel Crowdsourcing ist gut Nigecus
Aber auch das läuft in die Regulierung rein bei Finanzierungen über 100.000 Euro, für die es auf jeden Fall einen Bedarf gibt.
Die BaFin hat ja vorsorglich schon mal für das Crowdfunding einen regulatorischen Parcours aufgebaut
http://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Fachartikel/fa_bj_2012_09_crowdfunding.html

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