Buchrezension: „Praxis der Gesamtbanksteuerung“ von Dr. Peter Bartetzky

by Dirk Elsner on 20. Dezember 2012

Heute freue mich, einmal das Buch eines Kollegen aus einer unser Partnergesellschaften hier vorstellen zu können. So etwas kommt ja nicht jeden Tag, nicht einmal jedes Jahr vor. Vor allem passt das Buch ausgezeichnet zu den Themen dieses Blogs, geht aber noch ein paar Level tiefer.

In der aktuellen Diskussion über die Bankenbranche und ihren adäquaten Kapitalbedarf und den damit verbundenen regulatorischen Anforderungen legt Peter Bartetzky, geschäftsführender Partner der TriSolutions GmbH, ein 230 Seiten umfassendes Buch vor, das einen ganzheitlichen und dennoch kompakten Einblick in den aktuellen Entwicklungsstand der Gesamtbanksteuerung bietet:

Praxis der Gesamtbanksteuerung: Methoden – Lösungen – Anforderungen der Aufsicht

Im Vordergrund steht dabei die integrative Betrachtung der einzelnen Aspekte der Gesamtbanksteuerung stehen. Das Buch gliedert sich in zwei Teile: Der erste Teil beinhaltet das Themengebiet der Gesamtbanksteuerung von der eigentlichen Definition und den Zielen bis hin zu den prozessualen Auswirkungen innerhalb der Bank. Im zweiten Teil werden wesentliche Teilgebiete der Gesamtbanksteuerung durch Gastautoren vertiefend dargestellt.

Der erste Teil startet im ersten Kapitel mit der Definition und den Zielen der Gesamtbanksteuerung. Welche Entwicklung ist seit den 1990er-Jahren zu beobachten und welches Verständnis über die Gesamtbanksteuerung hat sich bis heute etabliert? In der Folge werden die Probleme bei der Strategiefindung und die Abgrenzung zur Risikostrategie beschrieben und die Zieldefinition diskutiert. Der Autor beschreibt im folgenden Kapitel die Fortschritte der Banken bei der Ermittlung des Risikodeckungspotenzials vor dem Hintergrund der immer strengeren aufsichtsrechtlichen Anforderungen und gibt einen Einblick, welche Fortschritte die Banken in den letzten Jahren hinsichtlich der Bestimmung der Risikotragfähigkeit gemacht haben.

Das dritte Kapitel beschäftigt sich intensiv mit der Systematisierung und Definition der bankbetrieblichen Risiken als Notwendigkeit, möglichst alle Risikoarten zu erkennen und zu definieren, um sie im Rahmen des Risikocontrollings mit dem notwendigen ökonomischen Eigenkapital zu hinterlegen, d.h. damit eine erfolgreiche Gesamtbanksteuerung zu implementieren. Weiter wird die sachgerechte Quantifizierung der Risiken erläutert, diese umfasst im ersten Schritt die Erfassung der nominellen Risikoposition (u.a. Zinsbindungs- und Liquiditätsablaufbilanz), anschließend die Bewertung durch die Markt- und Barwertbestimmung und darauf aufbauend die primär quantitativen Methoden zur Risikomessung (Value at Risk bzw. alternative Risikomaße). Zur Bestimmung des notwendigen Risikodeckungspotenzials wird die Risikoaggregation mit ihren Voraussetzungen und Problemen erläutert. Die Stresstests (als qualitative Methode) runden die Erläuterungen in diesem Kapitel ab.

Nachdem die Risiken quantifiziert wurden, wird im fünften Kapitel auf die Ertragsquantifizierung eingegangen. Hier stellt die Marktzinsmethode (d.h. die Trennung zwischen Konditions- und Strukturbeitrag) die konzeptionelle Basis für die Ertragsquantifizierung dar. Im Kontext werden anschließend die Bestimmung der liquiditätsrisikoneutralen Einstandssätze, die Ermittlung des Fristentransformationsbeitrags und die Ermittlung der Ergebnisse der Marktbereiche (Deckungsbeitragsrechnung) beschrieben. Die risikoadjustierten Performancemaße (Eigenkapitalrentabilität, RORAC, RAROC) dienen als Bindeglied zwischen der Risiko- und der Ertragsquantifizierung. Im sechsten und letzten Kapitel des ersten Teils befasst sich der Autor mit der Ausgestaltung der Prozesse in der Gesamtbanksteuerung. Der Autor geht dabei sowohl auf die aufsichtlichen Anforderungen (national: KWG, MaRisk, international: ICAAP – Internal Capital Adequacy Process) als auch auf die Bankbestrebungen ein, die richtigen ökonomischen Steuerungsimpulse durch die Bestimmung der Eigenkapitalverzinsung, Eigenkapitalallokation und Planungsprozesse zu setzen. Abgerundet wird dieses Kapitel mit den organisatorischen Anforderungen und Handlungsfeldern zur Implementierung einer zeitgemäßen Gesamtbanksteuerung.

Im zweiten Teil werden von den Gastautoren wesentliche Teilgebiete der Gesamtbanksteuerung diskutiert bzw. vertieft. Im ersten Beitrag „Risikosteuerung im Rahmen der ökonomischen Kapitalsteuerung“ von Carsten S. Wehn und Ulrich von Zanthier weisen die Autoren auf die steigende Bedeutung der Verwendung ökonomischer Kapitalsteuerungsmodelle hin, da diese ein wichtiges strategisches Instrument darstellen, um bankbetriebliche Ziele zu erreichen. Spätestens seit der jüngsten Finanzkrise mit dem Effekt der Verknappung des Eigenkapitals bei Banken, entwickelt sich dieses zu einer zentralen Steuerungsgröße, die aktiv bewirtschaftet werden muss. Der Beitrag zeigt im Verlauf die Relevanz des Risikomaßes innerhalb des Steuerungsprozesses und nennt Zielgrößen der ökonomischen Kapitalsteuerung für die unterschiedlichen Interessengruppen (Anteilseigner, Gläubiger, Rating Agenturen) Ergänzend wird auf spezifische methodische Fragestellungen eingegangen (z.B. Konfidenzniveau, Risikoaggregation) und sowohl die Verfahren zur Risikobeitragsrechnung als Instrument zur risikoseitigen Optimierung des Gesamtbankportfolios beschrieben als auch auf die weiter steigende Bedeutung eines effektiven und effizienten Umgangs mit dem ökonomischen Kapital hingewiesen.

Im zweiten Beitrag „Gesamtbanksteuerung im Fokus der Aufsicht“ beschreibt Tobias Volk aus Sicht der nationalen Aufsicht die immer stärkere Fokussierung auf die Gesamtbanksteuerung. Neben den MaRisk Änderungen aus den Jahren 2009 und 2010 spiegelt sich dieser Blickpunkt auf zentrale, quantitative Steuerungsmechanismen insbesondere im Leitfaden „Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte“ wider. Weiter verweist der Artikel auf die sich ändernde Sichtweise von einer reinen Risikobetrachtung hin zu einer kombinierten Ertrags- und Risikosteuerung (Gesamtbanksteuerung) sowie der Anforderung an die Institute ihre Erfolgsquellen voneinander abgrenzen und quantifizieren zu können. Als weiterer Meilenstein gilt die Betonung der Risikokultur in den MaRisk 2012 und die stärkere Zuwendung zur Überprüfung ganzer Geschäftsmodelle.

Im letzten Beitrag „– Zeit für einen Paradigmenwechsel in der Risikosteuerung“ von Marcus J. Chromik und Willi Schwarz wird die bisherige Praxis der Risikosteuerung angesichts des Versagens von Risikomodellen in der Finanzkrise kritisch hinterfragt. Können die von einer Gesamtbanksteuerung geweckten Erwartungen überhaupt erfüllt werden? Ist eine zukunftsorientierte Steuerung mit den heutigen Modellen, die auf Vergangenheitswerten beruhen, sinnvoll? Vor dem Hintergrund einer angestrebten „Automatisierung“ von Prozessen im Risikomanagement mahnen die Autoren vielmehr die „manuelle“ Entscheidungsfähigkeit an, in denen Erfahrung, Weitsicht und Umsicht, die sogenannte Risikointelligenz des Managements, im Mittelpunkt stehen sollten. In dieser neuen Perspektive ist die quantitative Risikoanalyse lediglich ein Baustein innerhalb des vollständigen Bildes er Risikosituation. Die Risikoanalyse wird umfassender als das Denken in globalen Szenarios und Wirkungszusammenhängen verstanden.

In einer Zeit, in der die weltweite Bankenkrise schon zum Alltag geworden ist und die Banken keine überzeugenden Geschäftsmodelle präsentieren können und eine verstärkt qualitative Bankenaufsicht zu beobachten ist, fehlte mir bis dato eine kompakte und vollständige Abhandlung des Themas „Gesamtbanksteuerung“. Diese Lücke hat der Autor durch gut geschlossen und damit das richtige Buch zur richtigen Zeit vorgelegt. Die Beiträge der Gastautoren im zweiten Teil sind eine gelungene, vertiefende Ergänzung zum ersten Teil des Buches und verleihen dieser Veröffentlichung eine thematische Vielschichtigkeit, um das Thema „Gesamtbanksteuerung“ abzurunden.

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