Gestern und heute werden in Italien die beiden Kammern des Parlaments (630 Abgeordnete und 315 Senatoren) gewählt. Die Wahl wird einmal mehr zu einer europäischen Schicksalswahl hochgejazzt, weil sich viele vor einer Rückkehr Silvio Berlusconis an die Staatsspitze fürchten. Da werden erneut Szenarien einer Staatsschuldenkrise gezeichnet.
Der Wahlausgang soll nach Medienberichten völlig offen sein. Spiegel Online befürchtet, dass es unter Umständen nicht für eine stabile Mehrheit reichen wird. In Hintergrundgesprächen, so Eric Bonse auf Lost in Europe, weisen Politiker und Bürokraten darauf hin, dass die Eurokrise zurück komme, wenn Berlusconi in Italien zu stark wird, wenn Rajoy in Spanien schwächelt und wenn Zypern nicht endlich seine “Reformblockade” aufgibt.
Mal abgesehen davon, dass die Eurokrise überhaupt nicht zu Ende ist, sondern nur die Gläubigerkrise, beginnt mit dieser Panikmache wieder prophylaktisch das übliche Böse-Buben-Spiel, um vom eigenen Versagen der technokratischen Klasse in Brüssel und den anderen Hauptstädten abzulenken. Ich halte es für extrem gefährlich, das was “richtig” oder “falsch” ist allein am Primat der Finanzmärkte auszurichten.
Ich lasse hier jetzt aber die Ausführungen zur üblichen Panikmache, denn ich habe eigentlich nur eine Einleitung für den Blick auf die Märkte gesucht, die sich mit der Wahlvorhersage befassen. Und die lassen per Stand gestern keine Rückkehr Berlusconis an die Regierungsspitze erwarten.
Mit 6% wurde gestern die Chance (oder das Risiko) auf Intrade gehandelt, dass Berlusconi Ministerpräsident wird. Der Markt ist zwar nicht besonders liquide, dennoch erlaubt er Rückschlüsse auf die Einschätzung.
Geht es nach den Marktteilnehmern auf Intrade, dann hat Pier Luigi Bersani eine 81% Chance, die nächste Regierung anzuführen. Bersani führt die sozialdemokratisch orientierten Partei Partito Democratico (PD) an.
Allerdings ist das politische Spiel in Italien für diejenigen, die das nicht regelmäßig beobachten, kompliziert und unübersichtlich. Die Parteienlandschaft wirkt fragmentiert. Auf Wahlfieber.at werden die Vorhersagen für die einzelnen Parteien gehandelt. Danach könnte Berlusconis Partei, die l Popolo della Libertà, zweitstärkste Kraft werden. Folgende Stimmverteilung wird danach prognostiziert*
Partei | %-Anteil |
PDL | 18,80 |
PD | 28,07 |
LN | 5,05 |
M5S | 18,31 |
SEL | 4,10 |
SC | 8,11 |
Andere | 17,56 |
Nachtrag 18:30 Uhr
Mittlerweile sind die Wahllokale geschlossen. Die FAZ schreibt: „Das Mitte-Links-Bündnis unter Pier Luigi Bersani ist laut Prognosen mit bis zu 35 Prozent der Stimmen als stärkste Kraft aus der italienischen Parlamentswahl hervorgegangen. Im Senat ringen Bersanis Allianz und Silvio Berlusconis Mitte-Rechts-Bündnis um den Sieg.“ Der Hauch einer Chance für Berlusconi hat sich leider vergrößert. Aktuell wird er auf Intrade 12,5% Chance darauf gehandelt, Ministerpräsident zu werden. Die Börsen sind aber sicherheitshalber auf Talfahrt gegangen, weil es bereits ärgerlich wäre, wenn er überhaupt an der Regierung beteiligt wäre.
* Da der Markt auf Wahlfieber nicht besonders liquide erscheint, addieren sich auf der Webseite die %-Angaben nicht auf 100. Ich habe daher die dortigen Angaben auf 100 normiert.
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