Eignen sich Bankaktien als Langfristinvestment? Fallbeispiel USA Teil 2

by Karl-Heinz Thielmann on 23. Mai 2013

JPMorgan Chase

JPMorgan Chase entstand in der heutigen Form durch mehrere Akquisitionen und Großfusionen. Kern des Geschäfts ist die 1824 gegründete Chemical Bank, der sich durch die Savings- and Loans Krise die Möglichkeit eröffnete, zu den führenden Banken der der USA aufzusteigen. 1991 stieg sie durch den Kauf der angeschlagenen Manufacturers Hanover zu den größten Finanzinstituten auf. 1996 wurde das Traditionsinstitut Chase Manhatten Bank und dessen bekannterer Markenname übernommen. Im Jahr 2000 wurde noch zusätzlich die Investmentbank JP Morgan übernommen und integriert und der Finanzkonzern in der derzeitigen Struktur geschaffen.

Durch weitere große Zukäufe (Bank One 2004, Bear Stearns und Washington Mutual 2008) stieg JPMorgan Chase inzwischen gemessen an der Bilanzsumme zum größten Bankinstitut in den USA und zum zweitgrößten weltweit auf.

Schaut man sich die Performance in den vergangen 20 Jahren an, so stellt man fest, dass die Entwicklung langfristig relativ eng mit dem S&P 500 Index verknüpft war, die kurz- und mittelfristigen Schwankungen aber sehr viel höher waren als beim Index. Insofern hat JP Morgan Chase zwar besser abgeschnitten als die Vorgängerinstitute oder die meisten Konkurrenten, andererseits auch kein herausragendes Ergebnis erwirtschaftet. Für einen langfristigen Anleger hätten sich gegenüber einem Indexinvestment keine Vorteile ergeben.

Wells Fargo

Wells Fargo wurde 1852 von zwei Managern des schon damals beutenden Finanzkonzerns American Express gegründet, um von San Francisco aus die Erschließung des Westens der USA mit Express-Transport und Finanzdienstleistungen zu begleiten. 1905 wurde das Transportgeschäft abgetrennt und das Geschäft auf Bankaktivitäten im Westen der USA fokussiert.

1973 wurde die Entscheidung getroffen, sich vor allem auf das Geschäft mit mittelgroßen Firmenkunden sowie Privatkunden zu fokussieren, während das wettbewerbsintensive Geschäft um Großkunden anderen Banken überlassen wurde. Die klare Ausrichtung auf ein spezifisches Kundensegment und damit verbunden auch die damit verbundene Zurückhaltung bei Geschäftsfeldern wie Investment Banking prägen Wells Fargo bis heute.

Darüber hinaus wurde großer Wert auf den Aufbau eines leistungsfähigen IT-Systems gelegt, ein Faktor, der sich als bedeutsamer Wettbewerbsvorteil erweisen sollte. 1998 fusionierte Wells Fargo mit Norwest, einer Regionalbank aus dem Mittleren Westen. Hierbei handelte es sich um eine frühere Problembank, die allerdings von dem ehemaligen Citigroup-Manager Rick Kovacevich innerhalb weniger Jahre radikal umgebaut und auf Kundenorientierung und Effizienz getrimmt worden war. Im Jahr 2008 wurde die in der Finanzkrise in Probleme geratene Bank Wachovia geschluckt, zu diesem Zeitpunkt gemessen an der Bilanzsumme die viertgrößte Bankenholding in den USA.

Inzwischen ist Wells Fargo gemessen an der Marktkapitalisierung die größte Bank der USA, auch wenn die Bilanzsumme kleiner ist als bei den anderen Wettbewerbern. Zu den Aktionären zählt auch Warren Buffett, der zum Jahresende 2012 8,7% der Anteile hielt.

Die Wertentwicklung von Wells Fargo erfolgte vor der Finanzkrise relativ stabil aufwärts sowohl absolut wie auch in Bezug auf den Gesamtmarkt. Während der Finanzkrise kam es zu teilweise relativ heftigen Ausschlägen, insgesamt tendierte die Aktie jedoch seitwärts und konnte sich erst seit 2012 wieder in positiver Hinsicht etwas absetzen.

Lässt die Performance in der ersten Krise Rückschlüsse auf die Entwicklung während der zweiten Krise zu?

Vergleicht man die Wertentwicklung während der vorangegangenen Krise bis 1993 mit der Performance während und nach der Finanzkrise ab 2007, so stellt man fest, dass sich Wells Fargo in allen Phasen über einen längeren Zeitraum gesehen besser entwickelt hat als Konkurrenten und Gesamtmarkt.

Die großen Verlierer der letzten Finanzkrise Citigroup und Bank of America, haben sich während der vorhergegangenen Krise zwar im Vergleich zum Gesamtmarkt nicht gut geschlagen, konnten aber im Vergleich mit anderen Banken durchaus als relative Gewinner gelten.

Bei JPMorgan Chase folgte auf eine schlechte Performance in der ersten Krise eine im Vergleich zum Gesamtmarkt durchschnittliche Entwicklung während der zweiten Krise. Hiermit kann das Institut im Vergleich zum insgesamt schwachen Finanzsektor als relativer Gewinner gelten.

Insofern erweist sich das Ergebnis des Swiss Finance Institutes, dass Verliererbanken auch solche bleiben, als etwas zu undifferenziert. Das Beispiel JPMorgan Chase zeigt, dass Banken durchaus lernen können, auch wenn es anscheinend nicht ausreichte, so gut wie Wells Fargo zu werden. Auch das Beispiel der ehemaligen Problembank Norwest, die ja dann in Wells Fargo aufgegangen ist, zeigt, dass Banken durchaus auf den richtigen Pfad gebracht werden können, wenn das Management drastische Restrukturierungsmaßnahmen nicht scheut.

An JPMorgan Chase kann auch sehr gut gezeigt werden, dass Investment Banking nicht ursächlich für das Scheitern einer Bank in der letzten Krise war, wie vielfach behauptet wird. Zwar ist auffällig, wie wenig Investment Banking bei Wells Fargo ausmacht und wie stark es für die Probleme z. B. bei Citigroup mitverantwortlich war. Anderseits ist JPMorgan Chase trotz eines hohen Investment Banking Anteils noch relativ gut durch die Krise gekommen. Auch hier gilt: Investment Banking ist nicht per se schlecht. Allerdings ist es ein Geschäft, was nur wenige Institutionen weltweit beherrschen. Viel größer als die Anzahl von erfolgreichen Investmentbanken ist die Anzahl der Geschäftsbanken, die sich mit einer Expansion in diesem komplexen Geschäftsfeld fürchterlich die Finger verbrannt haben. JPMorgan Chase ist insofern eine Ausnahme, weil hier das Investment Banking auf der Tradition von JP Morgan basierte, die vor der Übernahme durch Chase bereits lange Zeit in diesem Segment weltweit führend waren.

Waren aus der direkten Entwicklung vor der Krise Rückschlüsse auf die Performance während und nach der Krise möglich?

Für Anleger stellt das Risikomanagement einer Bank eine Blackbox dar, er kann von außen nicht die Qualität der dort getroffenen Entscheidungen beurteilen. Gibt es dann aber andere Indizien, die ihm in „normalen Zeiten“ Rückschlüsse auf eine mögliche Entwicklung während einer Krise ermöglichen?

Vergleicht man die Gewinnentwicklung der vier Banken vor und nach der Finanzkrise, so sieht man, dass die absolute Ertragsentwicklung und die Veränderung des Gewinns je Aktie sehr stark divergieren. Dies ist zum einen mit Kapitalmaßnahmen im Rahmen der der Finanzkrise zu erklären, aber auch mit den Akquisitionen, die mit neuen Aktien bezahlt wurden.

In den vier Jahren vor der Krise 2003-2006 sind bei den US-Banken in der Gewinnentwicklung je Aktie keine signifikante Unterschiede zu erkennen. Alle Institute konnten den Gewinn je Aktie mit einer Rate zwischen 18% und 35% moderat steigern. Die späteren großen Verlierer Bank of America und Citigroup lagen im Mittelfeld. Die Gewinnentwicklung vor der Krise gab also keine Indikation für die spätere Entwicklung.

Die Kapitalverwässerung durch Akquisitionen war bei JPMorgan Chase und Bank of America im Gegensatz zu den anderen Banken hoch. Citigroup reduzierte hingegen sogar die Anzahl der Aktien. Auch aus der Akquisitionstätigkeit selbst waren keine Rückschlüsse möglich. Alle Banken sind durch Zukäufe gewachsen, Wells Fargo hat teilweise teuer gekauft, JPMorgan Chase relativ aggressiv, ohne das dies bei beiden Banken zu größeren Schäden geführt hat, da sie ihre Zukäufe relativ gut integrieren konnten. Bei Bank of America waren die Zukäufe der entscheidende Grund für den Absturz.

Ob es zu Integrationsproblemen kommt, war in guten Zeiten von außen aber auch nicht erkennbar. Insofern konnten auch aus der Akquisitionsaktivität und damit einhergehenden Kapitalmaßnahmen keine Rückschlüsse für die spätere Entwicklung gezogen werden.
Die Wertentwicklung der Aktien während der „noch normalen“ Zeiten gibt ebenfalls keine Indikation auf die zukünftige Performance: Im Zeitraum zwischen 2003 und 2006 konnte Wells Fargo mit 70% am schwächsten zulegen, JPMorgan Chase um 138%. Die späteren Hauptverlierer Citigroup (+85%) und Bank of America (+79%) lagen im Mittelfeld. Es kann letztlich nur festgehalten werden, dass die defensivere Ausrichtung von Wells Fargo vor der Krise vom Markt nicht honoriert wurde.

Fazit:

Bankaktien müssen keine schlechten Langfristinvestments sein. Von den 4 vorgestellten Titeln hat sich in den vergangen 20 Jahren aber nur ein Unternehmen – Wells Fargo – klar besser entwickelt als der Gesamtmarkt. Dieses war auch die einzige Bank, die sich in der vorangegangenen Krise deutlich besser geschlagen hat als Wettbewerber und Gesamtmarkt. Auch die zwischenzeitlichen Kurseinbrüche waren – mit Ausnahme einer kurzen Panikphase während der Finanzkrise 2008 – im Rahmen der Gesamtmarktentwicklung. Hier gibt es eine starke Konsistenz in der Entwicklung.
Allerdings ist Wells Fargo die große Ausnahme geblieben. Die anderen Banken konnten auf Dauer nicht überzeugen.

Ein Institut lag mit der Performance im Rahmen der Marktentwicklung, allerdings bei deutlich höheren Schwankungen. Die Vorgängerbanken waren von der vorherigen Krise besonders stark betroffen. Insofern kann man schon davon ausgehen, dass hier etwas gelernt wurde, wenn auch vielleicht nicht genug. Auf jeden Fall zeigt dass Beispiel, dass sich eine sehr negative Performance nicht fortsetzten muss. Die starken Kursschwankungen demonstrieren aber auch das nach wie vor hohe Kursrisiko.

Die Negativbeispiele für die vergangene Krise hatten auch während der vorherigen eine unterdurchschnittliche Performance und starke zwischenzeitliche Kurseinbrüche zu verkraften. Insofern gibt es hier eine Konsistenz in der negativen Wertentwicklung. Aktien dieser Unternehmen sind allenfalls als Trading geeignet, aber keinesfalls als Langfristinvestment.

Dies ist insofern kein gutes Zeichen für den Gesamtsektor, weil diese Analyse auf die vier Großbanken als Überlebende der Krise bis 1993 und der darauf folgenden Konsolidierungswelle konzentriert war. Die vielen in den vergangenen 25 Jahren gescheiterten Banken wurden nicht berücksichtigt. Deswegen gab es einen stark positiven „Survivors Bias“ in der Vorauswahl. Wenn das Ergebnis trotzdem so schlecht ist, spricht dies nicht für Anlagen in Bankaktien.

Insbesondere machen die Negativbeispiele deutlich, dass wenn mit Anlagen in Bankaktien etwas schief geht, die Verluste dann sehr hoch werden können. Insofern kann man schlussfolgern, dass Chancen und Risiken bei Investments in Banken asymmetrisch verteilt sind: Wenigen guten oder sehr guten Banken stehen viele gegenüber, die weniger erfolgreich sind und bei ihrem Scheitern sehr viel Kapital vernichten können. Da die operative Entwicklung von Banken während „normaler“ Zeiten hingegen keine Indikation für die langfristigen Aussichten gibt, ist die frühzeitige Identifikation von Gewinnern und Verlierern sehr schwierig.

Als Fazit kann deshalb gezogen werden, dass sich Bankaktien nur im Ausnahmefall als Langfristinvestment eignen. Ein relativ defensives und klar fokussiertes Geschäftsmodell sowie eine positive Performance während vorangegangener Krisen erscheinen als gewisse Indikatoren für zukünftige Entwicklungen, sind aber auch keine Garantie, dass Managementfehler auch in Zukunft vermieden werden. Unternehmensergebnisse aus guten Zeiten hingegen haben keine Aussagekraft, können sehr irreführend sein und erschweren die analytische Einstufung von Bankaktien massiv.

Große Vorsicht bleibt bei Banken angebracht, die eine schlechte Krisenhistorie haben, selbst wenn sie sich nach einer Krise scheinbar wieder bessern. Langfristinvestoren sollten von solchen Papieren grundsätzlich die Finger lassen, es sei den, die Krisenresistenz wird erneut erfolgreich getestet.

Eine weitere Konsequenz für den Anleger ist, dass ein Branchenansatz für langfristige Investments in Bankaktien grundsätzlich als fragwürdig erscheint. Sektorfonds für Banken oder Indexfonds mit hohen Bankanteilen sollten vermieden werden, da man sich hiermit zu viele potenzielle Krisenverlierer mit einkauft. Nur selektive Anlagen in Einzeltiteln von führenden Unternehmen der Branchen sind bedenkenswert.

Dieser Beitrag ist die Fortsetzung einer vor zwei Tagen auf Blick Log veröffentlichten Analyse der Situation der US-Banken während er ersten Krise in den 80er und 90er Jahren sowie einer Betrachtung von Bank of America sowie JPM Chase.

Anmerkung: diese Analyse ist ausdrücklich keine finanzanalytische Betrachtung der Wertpapiere der betrachteten Banken zum gegenwärtigen Zeitpunkt und stellt keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf von Finanzinstrumenten dar. Dieser Artikel erschien in leicht abgewandelter Form ebenfalls in „Mit ruhiger Hand“ Nummer 13 vom 6. Mai 2013.

Ralf Mai 24, 2013 um 06:59 Uhr

Während eines Fluges nach Singapur bin ich über den Artikel “Banks get too big for investors“[1] mit dem spannend-provokanten Eingangsstatement „Never mind that our largest banks are too big to be allowed to fail – they show every sign of being too big for investors“ gestolpert. Das ist sicher eine relevante Dimension – kann ein Investor überhaupt das Risiko noch einschätzen? Ich denke nein.

Siehe: „Article to big too invest“
http://www.banktank.info/index.php/bank/risiko
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[1] Saft, James; Banks get too big for investors; International Herald Tribune;18.7.2012

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