Mal wieder sorgt eine Pleite in Deutschland für Schlagzeilen. Das ist im Grunde nichts Ungewöhnliches. Im letzten Jahr gab es geschätzte 30.500 Firmenpleiten. Gestern hat es nun die Praktiker AG aus Kirkel erwischt. Sie hat Insolvenz angemeldet beim Amtsgericht in Hamburg.
Was dieser Fall einmal mehr in das Licht der Öffentlichkeit rückt sind zwei Auffälligkeiten, die eigentlich alle größeren Insolvenzfälle begleiten. Die Reaktion des Managements und die Reaktion des Experten, die mal wieder aus der Ferne und anhand eines Werbeslogans ganz genau die Ursache für die Pleite kennen.
Das Management machte den Niedergang bekannt mit einer “verschwurbelten” (Süddeutsche) Ad-hoc-Mitteilung am Mittwochabend, in der gleich mal die Schuld für die Insolvenz auf Dritte geschoben wird:
“Die Verhandlungen über zunächst Erfolg versprechende weitere Sanierungsfinanzierungen sind am Abend des 10. Juli 2013 gescheitert, weil einzelne Gläubigergruppen diesen nicht zugestimmt haben. Die alternative Finanzierungslösung war auch notwendig geworden, nachdem die Veräußerung der Anteile an der luxemburgischen Tochtergesellschaft Bâtiself S.A. kurz zuvor wegen Gremienvorbehalten auf Seiten des Käufers nicht abgeschlossen und somit die erwarteten Erlöse aus dem Verkauf nicht realisiert werden konnten. Diese Erlöse waren im Finanzierungskonzept aus dem Jahr 2012 fest eingeplant.”
Klar, kann man nicht erwarten, dass der Vorstand hier eigene Versäumnisse einräumt. Klassische Selbstüberschätzung ist insbesondere in den Chefetagen weit verbreitet. Da findet man immer jemanden, den man verantwortlich machen kann. Im Detail prüfen kann das ohnehin niemand.
Putzig ist aber wieder einmal die Reaktion der “Experten”, die natürlich sofort reflexartig aus der Ferne die Diagnose für die Pleite stellen. Die Rabattaktionen sind schuld, so etwa Stefan Kaiser auf Spiegel Online. Und so wird man es heute hundertfach lesen und weiter hören können. Für mich ist das wieder einmal eine typische Ad-hoc-Erklärung, die alle plausibel finden, die deswegen aber nicht stimmen braucht. Hier wird gleich wieder eine Legende nach dem Muster aufgebaut, wie “Die Lehman-Pleite hat die Finanzkrise ausgelöst.” Natürlich, der Slogan "20 Prozent auf alles – außer Tiernahrung", ist legendär und hat häufig für Kopfschütteln bei Fachleuten gesorgt. Aber mit Sicherheit wird diese Rabattstrategie nicht die Ursache für die Pleite gewesen sein.
Als ich von Hamburg nach Bielefeld umzog, waren wir ein einziges Mal in einem Praktiker Baumarkt. Möglich, dass es damals auch die Rabatte gab. Ich erinnere mich genau, dass wir nichts gekauft haben. Die Preise wirkten nur optisch attraktiv. Wir fanden entweder nicht die gewünschten Produkte oder hatten den Eindruck, die Qualität stimmte nicht. Außerdem wirkte das Ambiente unprofessionell und wuselig.
Unternehmenserfolge und Misserfolge folgen keinen einfachen linearen Mustern, sondern haben verschiedenste Ursachen. Ich habe das 2009 einmal sehr ausführlich dargestellt in dem Beitrag “Krisenmanagement: Mögliche Ursachen von Unternehmenskrisen”. Nach den damals erwähnten Untersuchungen liegt der Schwerpunkt in Managementfehlern. Dahinter verbergen sich u.a. folgende Versäumnisse:
- 79% fehlendes oder mangelhaftes Controlling
- 76% Finanzierungslücken
- 72% unangepasste Strategie und Vermarktungskonzept (Marketing)
- 64% unzureichendes Debitorenmanagement/Mahnwesen
- 57% autoritäres, rigides Führungsverhalten
- 44% mangelhafte Transparenz, Organisation und Kommunikation
Vielleicht schaut man ja bei Praktiker noch einmal genauer hin und erfährt in den nächsten Tagen und Wochen mehr. In jedem Fall sollten wir den schnellen Erklärungen misstrauen.
Ich bin gespannt, wie nun weitergeht. Taucht bei Praktiker nun auch ein Investor auf, der den Mitarbeitern eine Gehaltskürzung abschwatzt und wie bei Karstadt eine Wiederauferstehung verspricht?
Weitere Meldungen zur Insolvenz von Praktiker
n-tv: Fatale Rabattschlacht – Praktiker stellt Insolvenzantrag:
FAZ: Baumarktkette insolvent Spott für Praktiker
Tagesspiegel: Insolvenz der Baumarktkette Warum Praktiker vor der Pleite steht
Wie heißt es so schön: Wer sparen will/muss, muss teuer kaufen. Wenn ein Baumarkt nur mit „billig billig…“ wirbt, dann wird es wohl auch billig sein, sprich Schrott.
Am Ende sieht es einfach so aus, dass die Praktiker Sparte in den letzten Jahren einfach mehr Umsatzerlöse verloren hat als irgendein Manager die Fixkosten und Lieferkonditionen hätten senken können. Und jetzt wird die Bude wegen Erfolglosigkeit geschlossen. Aus die Maus.
Die Unfähigkeit des Praktiker-managements hat sich hier in Dortmund bei den Standorten gezeigt. Es gab einmal 3 Praktiker in Dortmund, eine heruntergekommene, enge Bude außerhalb (wurde mal von Wirich übernommen) und zwei weitere, zentrale und neu gebaute mit großen Parkplätzen: Vor einigen Jahren hat man die auf einen Standort reduziert – geblieben ist die Bruchbude in Dorstfeld!
Natürlich war bei Praktiker die Rabattstrategie entscheidend. Als ich noch bei meinem alten Getränkehändler war, habe ich das regelmäßig geparkt.
Und ich konnte immer völlig problemlos parken, wenn bei Praktiker „normal“ war und hatte immer Probleme, wenn bei Praktiker 20% war. Ich kenne keinen Laden, bei dem der Abstand zwischen Normalzustand und Aktion auch nur annähernd so groß war wie bei Praktiker.
Dass man in einem solch engen Markt wie dem Handel kein Geld verdienen kann, wenn die Leute nur zu den 20% Aktionen kommen, ist nur logisch.
Da nützt kein Controlling der Welt was. Wenn die Leute nicht kommen, weil deine Normalpreise zu hoch sind und die Angebotspreise zu niedrig, dann ist halt essig …
Mit Max Bahr hat man das einzig Richtige gemacht: Die guten Standorte umgebaut. Und den Rest lässt er jetzt pleite gehen. Mist für die Mitarbeiter, aber nun ja, Praktiker war eh nicht mehr zu retten …
Und @Marc: Die Erklärung mit dem Frühling ist kurzfristig schon richtig. Praktiker hatte im letzten Geschäftsbericht eine Eigenkapitalquote von 0,4%. Da kann der Ausfall von 10 oder 15% Umsatz im Gartenbereich dein endgültiger Aus bedeuten. Langfristig liegt das natürlich an anderen Sachen, aber nun ja. Wer geht bei der Fehleranalyse 10 Jahre in die Vergangenheit?
Hmm, das kann ich nicht glauben, das die Rabattaktionen schuld sein sollen. Wenn die Marge so gering ist, wie vermutet, dann würden Rabattaktionen einen ja unter den Einstandspreis führen und das kann niemand lange durchhalten.
Wenn ich mich richtig erinnere sind Gewinn, Skonto und Rabatte in der Preiskalkulation eingepreist. Der beobachtete Effekt bei den Rabattaktionen kommt wohl eher daher, das die Kalkulation zu großzügig war und man dann keine marktgerechten Preise hatte (kann man bei bei mehreren dicht zusammenliegenden Baumärkten schön beobachten).
Mir ist das, wie geschrieben, zu einfach mit der Rabattstrategie-only-Ursache. Das Management müsste spätestens nach einem Jahr die Wirkungen dieser Strategie gemerkt haben. Es hat nicht oder zu spät darauf reagiert, etwa mit Anpassungen der Kostenstrukturen oder Einstellung der Strategie.
Nach 7 (?) Jahren ist der Kurswechsel allerdings nicht so ganz einfach. Offensichtlich wollte man über eine Markenänderungsstrategie (Praktiker zu Max Bahr) sich wieder auf ein Normalniveau hiefen.
@Dirk:
Um mal deine Punkte zu nehmen:
„79% fehlendes oder mangelhaftes Controlling
76% Finanzierungslücken
72% unangepasste Strategie und Vermarktungskonzept (Marketing)
64% unzureichendes Debitorenmanagement/Mahnwesen
57% autoritäres, rigides Führungsverhalten
44% mangelhafte Transparenz, Organisation und Kommunikation
“
Mangelhaftes Controlling? Dass die kein Geld verdienen, wussten die …
Finanzierungslücken? Klar, das war am Ende der Grund für die Pleite und vorher der Grund für weitere Rabattaktionen. Denn da war zwischendurch mal einer da, der damit aufhören wollte (bringt uns um). Aber nach einem Jahr merkte der, dass er nicht mehr genug Umsatz macht und kein Geld für eine qualitative Aufrüstung da ist. Also: Wieder Rabatte, Hauptsache Liquidität ist wieder da.
Bei unangepasstes Marketing: Klar, das ist es. Rabatt kann nicht alle sein. Bringt einen um, weil keine Marge mehr da ist.
Mangelhaftes Mahnwesen? Bei einem Laden, in dem am Ende bar an der Kasse gezahlt wird, auszuschließen.
Führungsverhalten? Keine Ahnung, kann man wohl kaum beurteilen. Allerdings: Aldi und Lidl sind keineswegs Musterbeispiele in Personalführung, denen geht es trotzdem gut.
Mangelnde Transparenz? siehe Punkt zuvor.
Praktiker war IMHO seit mindestens 5 Jahre doomed. Weil einfach nicht mehr ausreichend Geld da war, um den Hebel umzulegen. Also kaum noch was investieren und den Laden weiterlaufen lassen. Mit leicht negativer Marge macht man das bei einem so großen Laden noch ein paar Jahre (wenn man zwischendurch mal Schulden schneidet, etc.). Aber den Hebel umzulegen, war eben nicht mehr möglich. Früher vielleicht, in dem man die schlechtesten Standorte konsequent schließt und in die guten investiert. Und mit der Rabattnummer aufhört und lieber auf vernünftige Preise und zwar immer setzt.
Auch schön fand ich die Aussagen hinsichtlich des schlechten Wetters im ersten Halbjahr. Das hat den Untergang lediglich beschleunigt, aber nicht ausgelöst. Schuld waren eher hausgemachte Probleme. Die Übernahme von Max Bahr 2006 war sicher sinnvoll, nur fiel dann die Entscheidung „Discount oder Klassischer Baumarkt“ nicht. Stattdessen wurde beides parallel gefahren, was sich ressourcentechnisch nicht durchhalten lies. Der Umbau in Richtung Max Bahr ging dann zu spät und zu langsam von statten. Zusammen mit den aufgehäuften Schulden war dann eben irgendwann Schluss. Doch so wies aussieht kann Max Bahr weiterleben und lediglich Praktiker wird (als Marke) verschwinden. So ist das eben mit der Marktwirtschaft…
Ich hoffe nur, dass wegen Wahljahr und so niemand in Berlin oder sonstwo auf die Idee kommt Praktiker durch Finanzspritzen am Leben zu erhalten. Solche Ad-hoc-Rettungen haben noch die funktioniert (siehe Holzmann) und die kleinen Mittelständler fühlen sich dann noch mehr verar***t.
„Wir fanden entweder nicht die gewünschten Produkte oder hatten den Eindruck, die Qualität stimmte nicht. Außerdem wirkte das Ambiente unprofessionell und wuselig.“
Das unterschreibe ich sofort, die Verfügbarkeit von kompetenten Ansprechpartnern können Sie noch dazu packen. Oder auch nur das jemand vorbeikommt, weil Sie irgendetwas nicht selber zuschneiden dürfen. Und es kommt – niemand.
Comments on this entry are closed.
{ 2 trackbacks }