Spekulative „Blasen sind etwas, was Menschen den Märkten verbal anheften“

by Dirk Elsner on 21. Oktober 2013

Mr. Efficient Market Eugene Fama bekam vergangene Woche den Nobelpreis nicht für die Efficient Market Theorie erhalten, sondern dafür, wie Preise auf Märkten funktionieren. In einem Interview mit Patrick Welter sprach er dazu und zu seiner aktuellen Einschätzung der Finanzkrise.

Er äußerte darin eine Auffassung, dass es keine Blasen an den Finanzmärkten gäbe. Diese Position teile ich nicht. Ich bin sehr sicher, dass es spekulative Blasen an Finanz- und Gütermärkte gibt. Aber vielleicht ist die Begrifflichkeit gerade aus wissenschaftlicher Sicht nicht richtig. Eher kann ich mich mit dem zweiten Teil seiner Antwort anfreunden, in der er sagt:

“Blasen sind etwas, was Menschen den Märkten verbal anheften, um im Nachhinein einen Krach zu erklären. Aber Blasen sind nicht prognostizierbar. Auch wenn die Preise schon lange gestiegen sind, weiß man nicht, ob sie noch weiter steigen oder zusammenbrechen werden.”

Die Vergabe des diesjährigen Nobelpreises für Ökonomie ist auch deswegen interessant, weil der ebenfalls ausgezeichnete Robert Shiller, genau einer ist, der von der Existenz spekulativer Blasen überzeugt ist. In einem Interview mit der FAZ vor der Finanzkrise sagte er einmal:

„Eine spekulative Blase ist eine Art soziale Epidemie“

Shiller schrieb aber auch für das Project Syndicate:

“Niemand kann Blasen präzise vorhersagen. Aus meiner Sicht sind Blasen gesellschaftliche Epidemien, die sich durch eine Art interpersoneller Ansteckung ausbreiten”

Aus seiner Sicht sind “Blasen gesellschaftliche Epidemien, die sich durch eine Art interpersoneller Ansteckung ausbreiten. Eine Blase bildet sich, wenn die Ansteckungsrate für Ideen, die eine Blasenbildung unterstützen, steigt. Doch hängen diese Ansteckungsraten von Denkmustern ab, die schwer zu beurteilen sind.”

In einem weiteren Text setzt sich Shiller explizit mit Fama auseinander. Er schreibt in “Blasen ohne Ende”:

“Eugene Fama ist davon überzeugt. Laut Fama, dem wichtigsten Verfechter der „Hypothese der effizienten Märkte“, existieren Blasen nicht. In einem Interview 2010 mit John Cassidy für den New Yorker sagte er:„ Ich weiß noch nicht einmal, was „Blase“ bedeutet. Diese Wörter sind in aller Munde. Ich glaube, sie bedeuten gar nichts.“

In der zweiten Ausgabe meines Buches Irrationaler Überschwang habe ich versucht, eine bessere Definition für eine Blase zu finden. „Eine spekulative Blase,“ schrieb ich damals, „ist eine Situation, in welcher sich die Nachricht von Preiserhöhungen durch psychologische Ansteckung von einer Person zu anderen ausbreitet, in einem Prozess, bei dem die Geschichten überhöht werden und so den Preisanstieg zu rechtfertigen scheinen.“ Das wiederum zieht „immer mehr Investoren an, die, trotz der Zweifel über den wahren Wert der Investition, einerseits aus Neid auf den Erfolg der anderen, andererseits aufgrund des Kitzel des  Spiels nicht wiederstehen können.“

Shiller setzt sich weiter intensiv mit Begrifflichkeit auseinander. Er kommt zu dem Schluss, dass der Begriff Blase unglücklich ist, weil er Assoziation einer größer werdenden Seifenblase hervorrufe, die plötzlich und unwiederbringlich zerplatzt. Er schlägt die Bezeichnung “Spekulationsepidemie” vor.

Die Bezeichnung “Spekulationsepidemie” gefällt mir auch deswegen, weil sie “Spekulation” an sich nicht negativ besetzt. Sie wird erst dann gefährlich, so Shiller “wenn eine neue Geschichte über die Wirtschaft auftaucht und wenn es genügend narrative Stärke besitzt, um eine neue Ansteckung der Investoren zu entfachen.”

Weitere Lektüre zu Fama vs. Shiller

NYT-Economix: The Inefficient Market Hypothesis

FAZ: Leidenschaft und Ratio für Finanzmärkte

Never Mind the Markets: Der doppelte Fama

Spon: Münchhausen-Check: Zwei Meinungen, ein Nobelpreis

NYT-Krugman: The Nobel

ZEIT: Nobelpreisträger Shiller – Ein Ökonom und Gentleman

Stefan Wehmeier Oktober 21, 2013 um 14:16 Uhr

Nein. Die ganze Spekulation beruht allein auf der parasitären – der wesentlichen Tauschfunktion widersprechenden – Wertaufbewahrungsfunktion des herkömmlichen Geldes (Zinsgeld), das gänzlich unreflektiert dem Goldgeld der Antike nachgeäfft wurde:

http://opium-des-volkes.blogspot.de/2012/10/geld.html

Dass eine Menschheit, die bereits Raumfahrt betreibt (und in “God´s own country” schon wieder einstellen musste), etwas im Grunde so Einfaches wie das Geld bis heute nicht verstanden hat, beruht auf einer künstlichen Programmierung des kollektiv Unbewussten:

http://opium-des-volkes.blogspot.de/2013/10/glaube-aberglaube-unglaube.html

Michael Stöcker Oktober 21, 2013 um 05:13 Uhr

Sehr geehrter Herr Elsner,

der Begriff Spekulationsepedemie gefällt mir außerordentlich gut. Ich befürchte nur, dass wir es nicht mit einer Grippeepedemie zu tun haben, sondern es sich bei der aktuellen Krise um ein Ereignis handelt, das sich – ähnlich der Weltwirtschaftskrise von 1929 – hinter der “Fama Morgana“ der EMH abspielt.

Die Hilflosigkeit der Mainstream Ökonomen und ihre diametrale Widersprüchlichkeit hinsichtlich der Ursachenanalyse (hier weniger) und Lösungsstrategien (hier umso mehr) können einen (und sicherlich auch Frau Merkel) nur noch zur Verzweiflung bringen. Und was viel schlimmer ist: Wir verspielen gerade die freiheitliche und friedliche Zukunft Europas, weil wir nicht in der Lage sind, aus den alten Schützengräben der Wirtschaftsdebatte herauszutreten und unsere bisherigen Gewissheiten in Frage zu stellen. Die EMH-Vertreter beklagen die staatlichen Eingriffe, die Keynesianer ihr Fehlen (Krugman, Flassbeck und Co.). Es ist zum verzweifeln.

Diese Krise ist anders als die kleineren vergangenen Krisen der letzten 25 Jahre. Wir machen die Schuldigen aber nur bei den kreditinduzierten Boom-Bust-Zyklen aus. Da ist viel Wahres dran (Spanien, USA, Griechenland…), erklärt aber nicht diese Krise.

Wir kommen deshalb nicht zu den richtigen Lösungsstrategien, weil wir mit den Handwerkskästen der Mainstream-Ökonomen nicht die richtigen Analysewerkezuge in der Hand haben. Es gibt bis heute keine in sich schlüssige Geldtheorie. Ich bin inzwischen zur Überzeugung gekommen, dass die meisten Ökonomen noch nicht einmal begriffen haben, welche Funktion das Geld in einer arbeitsteiligen Wirtschaft hat. Die meisten versuchen doch immer noch die Robinsonade für die Analyse und Erklärung von Makrophänomenen umzubiegen. Dies ist ja auch oftmals hilfreich, aber nicht in einer hochkomplexen Kreditgeldwirtschaft. Warum? In der Robinsonade gibt es kein Geld. Und wenn, dann ist es gedanklich stehen geblieben beim Goldstandard oder der irrigen Vorstellung, dass Sparer etwas einlegen müssen, damit Investitionen stattfinden können. Diese irrige Vorstellung hatte allerdings auch die deutsche Bundesbank bis noch vor wenigen Jahren. Inzwischen hat sie sich korrigiert und stellt den Geldschöpfungsprozess (und damit indirekt auch den Investitionsinitiierungsprozess, der der Ersparnisbildung vorausgehen MUSS und eben nicht aus der Ersparnisbildung folgt!) in ihrem Schülerheft für die Sekundarstufe II richtig dar. Aber welcher gestandene Ökonom schaut noch nach 20 oder 30 Jahren in dieses “Heftchen“?

Hinzu kommt, dass die meisten von uns einer simplifizierenden Quantitätstheorie anhängen. Mehr Basisgeld (M0) führt also immer zu mehr Buchgeld (M1 – M3). Warum dies falsch ist, habe ich gestern im Herdentrieb der Zeit dargelegt: http://blog.zeit.de/herdentrieb/2013/10/07/der-deutsche-konjunkturmotor-stottert-zeit-die-pro-zyklische-finanzpolitik-zu-beenden_6605/comment-page-35#comments Kommentar # 274.

Ich sehe die Ursache dieser Krise (die mir ähnlich zu sein scheint wie 1929) in einem systemimmanenten Defekt unserer Kreditgeldwirtschaft, der als schleichendes Gift seine eruptive Zerstörungskraft über viele Jahre ansammelt und daher immer wieder zu schweren Krisen führen MUSS. Dieser Defekt wird von uns aber nicht erkannt und Fama argumentiert dann dergestalt, dass Blasen dazugehören und der Markt für die nötige Korrektur sorgt. Ja, da hat er Recht; aber eben nur bei kleineren Blasen, die durch herdentriebhafte Irrationalität ausgelöst wurden. Bei dieser Krise kommt zur Irrationalität aber noch ein weiterer systemimmanenter Defekt hinzu. Der Markt sorgt im Rahmen der Marktgesetze zwar auch hier für ein neues Gleichgewicht, erzeugt dabei aber viel Leid und Elend. Dies müsste nicht sein, wenn wir ein paar kleine ordnungspolitische Regelmechanismen einbauen, die Krisen zwar grundsätzlich nicht verhindern können, aber in dieser Schärfe (es steht uns noch Schlimmeres bevor, wenn wir nicht schnell handeln) nicht mehr sein müssten. Welche das sind sowie eine Analyse der Krise aus meiner Sicht habe ich vor einer Woche ins Netz gestellt und zur Diskussion im Herdentrieb freigegeben. Sie finden sie unter: http://zinsfehler.wordpress.com/

In großer Sorge um Europa
Michael Stöcker

Comments on this entry are closed.

{ 5 trackbacks }

Previous post:

Next post: