Nobelpreisträger Fama zu effizienten Finanzmärkten, Blasen und Vorhersagen

by Dirk Elsner on 21. November 2013

Ich hatte mich in diesem Herbst bereits zwei Beiträgen mit der Effizienz der Kapitalmärkte und dem Erkennen von “spekulativen Blasen” beschäftigt.

Nach der Vergabe des Nobelpreises für Ökonomie* hat der Mitgewinner Eugene Fama der NZZ ein interessantes Interview gegeben. Darin äußert er sich u.a. zur der Effizienz der Kapitalmärkte und der Möglichkeit spekulative Blasen zu erkennen:

Frage: Wie effizient sind die Märkte denn nun?

Antwort: Meiner Ansicht nach sind sie ziemlich effizient. Es gibt nur sehr wenig empirische Evidenz dafür, dass Leute den Markt schlagen können, indem sie einzelne Aktien auswählen, also «stock picking» betreiben. Alle Theorien und Interpretationen in Hinblick auf ineffiziente Märkte werden von den bestehenden Daten widerlegt. Und ich denke, es gibt wenige Leute, die dem widersprechen würden, zumindest nicht in der akademischen Finanzwissenschaft.

Frage: … Gibt es denn nun Blasen und falsch bewertete Anlagen an den Finanzmärkten – oder nicht?

Im Grunde genommen ist es doch so – und ich glaube eher nicht, dass mir Shiller hier widersprechen würde: Der Begriff einer Blase impliziert, dass man vorab sagen kann, wann sie platzen wird. Es gibt aber keinen systematischen empirischen Beweis dafür, dass man das voraussagen kann. Deswegen mag ich es nicht, wenn man das Wort Blase benutzt. Ich habe mein Abonnement des «Economist» gekündigt, weil die auf jeder Seite dreimal das Wort Blase verwenden. Wenn Menschen sagen, es existiere eine Blase, dann reden sie dabei sehr stark über ihren Glauben und nicht über empirische Evidenz.

Dann ist es Ihrer Meinung nach unmöglich, Blasen zu identifizieren?

Ich sehe keine Möglichkeit der Beweisführung. Zahlreiche Wissenschafter, auch ich selber, haben viel Arbeit darin investiert, aber niemand war in der Lage, einen statistisch verlässlichen Weg zur Identifizierung von Blasen zu finden. Es beeindruckt mich gar nicht, dass Leute das Platzen einer Blase vorhersagen. Es gibt immer Tausende Menschen, die das Ende von irgendetwas vorhersagen, so auch von Blasen oder Preisanstiegen. Diejenigen, die dann zufällig richtig lagen, werden in den Medien zitiert, und die, die falsch lagen, vergisst man. Aber das ist keine wissenschaftliche, sondern höchstens anekdotische Evidenz.” (Unterstreichung durch mich)

Fama spricht sich in dem Interview übrigens gegen die Rettung von Banken aus. Er hat das gehasst, weil es eine Perversion des Marktes sei.

“Es werden furchtbare Anreize gesetzt – beispielsweise, weiterhin hohe Risiken einzugehen. Es wäre viel besser gewesen, die Banken vorübergehend zu verstaatlichen, ihnen die Zahlungen von Dividenden zu verbieten und sie zu zwingen, ihr Eigenkapital zu stärken; jedenfalls sehr viel umfassender, als das nach den jetzigen Vorschlägen der Fall ist. Und das alles so lange, bis sie die dem Staat entstandenen Verluste zurückgezahlt hätten. Banken brauchten sehr viel mehr Kapital, so dass sie ohne grössere Folgen pleitegehen könnten.”

Nach seiner Auffassung müssten Banken mindestens 25% Eigenkapital halten.


* Weil ich dazu immer wieder Kommentare erhalte: Ja, ich weiß der Ökonomienobelpreis heißt “Von der schwedischen Reichsbank in Erinnerung an Alfred Nobel gestifteter Preis für Wirtschaftswissenschaften”

jens November 28, 2013 um 11:55 Uhr

Hallo Herr Elsner-sorry, das ich erst jetzt antworte.
Mein Kommentar war eher als crossover zu „Glanz und Elend der der Ökonomie „gedacht. Ein Teil dieses Elends ist die Neigung von Neoklassikern, Begriffe und Phenomäne der Realwelt in einem Modellkontext zu verwenden, in dem jene jedoch sinnlos sind. Beispiel Geld in einer Walras Ökonomie. Das hat mich schon während meines Studiums ziemlich genervt. Die Liste ließe sich fortsetzen, meiner Ansicht auch mit Fama. Die EMH ist in erster Linie ein Modell-keine Aussage über die „Realität“. Und als ein neo/neuklassisches kennt sie keine Ungewißheit, sondern „nur“ Risiko. Das jedoch kann gehedgt werden, was die Banken auch taten. Eigenkapital ist aber ein Puffer gegen Ereignisse, die nicht gehedgt werden können, also eine Lösung für eine Situation fundamentaler Ungewißheit, passt also nicht in den Modellkontext. Möglicherweise hört sich das etwas akademisch an, die Folgen sind aber durchaus real.
Gruß, Jens

Karl-Heinz Thielmann November 22, 2013 um 14:32 Uhr

@ topperhopper: Natürlich kann man argumentieren, dass der Erfolg von Buffet als Investor „zufällig“ ist. Dann wäre aber auch der historisch belegte Erfolg von Leuten wie John Maynard Keynes, John Templeton, Peter Lynch, Bill Miller, Thomas Rowe Price und vielen anderen mehr, die auf fundamentalanlytisch ausgewählte Unternehmen setzten, auch rein zufällig. Und der Zufall wird immer größer, wenn alle Leute, die etwas ähnliches machen, immer nur zufällig Erfolg haben; während die Leute, die anders vorgehen, hingegen immer nur zufällig Misserfolg haben.

topperhopper Dezember 4, 2013 um 16:52 Uhr

@ KHT:
Ohne mich näher mit der Analyse der Investment-Erfolge von Keynes etc. auseinandergesetzt zu haben: Grundsätzlich würde ich sagen, dass der Zufall hierbei eine Rolle gespielt hat.

Grundsätzlich leite ich meine Sicht auf diese Dinge aus den Werken N.N. Talebs ab, die ich nur empfehlen kann. Niemand kennt eine Strategie, auf die man nur aufspringen muss, um Erfolg zu haben. Wenn es sie gäbe, hätten wir sie schon längst entdeckt. Bücher wie „10 Tipps für ein glücklicheres Leben“ oder „So werden Sie ein erfolgreicher Investor“ sind Humbug.
Es gibt im Investment höchstens Faustregeln wie „Höhere Rendite, höheres Risiko“ die auf lange Sicht Geltung haben.

Ich gebe zu, diese Sicht auf die Rolle des Zufalls in unserem Leben kann gleichgültig machen…aber das mir doch egal 🙂

VG

Jens November 21, 2013 um 11:30 Uhr

EMH und Eigenkapitalanforderungen an Banken von heftigen25%-das passt nicht zusammen. Gilt die EMH, wovon Fama immer noch ausgeht-werden sich rationale Marktteilnehmer gegen individuelle Fehleinschätzungen absichern,der Markt als Ganzes liegt ja immer richtig. Dazu brauchts nur liquide Derivatemärkte-da sind hohe Eigenkapitalanforderungen nicht nur sinnlos,sondern kontraproduktiv.
Im Übrigen ist Eigenkapital ein Puffer gegen Ungewißheit-die EMH modelliert aber eine Risikosituation.Dort ist EK ohne Funktion- das wusste man aber eigentlich schon seit Modigliani-Miller.
Gruß, Jens

Dirk Elsner November 21, 2013 um 12:57 Uhr

@Jens
Den Zusammenhang sehe ich gar nicht bzw. den zieht Fama auch nicht im Interview.
Ich halte die Forderung nach einem hohen „echten“ Eigenkapital mittlerweile für gut fundiert. Und tatsächlich sind Finanzmärkte derzeit nicht effizient, weil die implizite Absicherung großer Marktteilnehmer immer von den Gläubigern mitkalkuliert wird. Das ist in der Sprache der Ökonomen ein „externer Effekt“, der eine erhebliche Ineffizienz darstellt.

Und auch für gut funktionierende Derivatemärkte, ist eine hohe Eigenkapitalquote sehr hilfreich. Dann bräuchte es auch nicht eines solche bürokratischen Regelwerks wie EMIR. Das ist ja u.a. bekanntlich daraus entstanden, weil Gegenparteien (insbesondere AIG) kurz davor waren, ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen zu können.

Karl-Heinz Thielmann November 21, 2013 um 09:30 Uhr

@Dirk Elsner,

Moin Dirk,

ich glaube nicht nur Buffets Strategie ist überlegen, es gibt auch noch andere wie Swensen, Taleb etc., die Methoden haben, die sich als besser erwiesen haben als einfach den Markt zu kaufen (http://www.blicklog.com/2013/09/10/die-grose-risikoverwirrung-teil-9-kapitalanlage-in-einer-unsicheren-welt/).

Warum gelingt es nicht zu kopieren? Ganz einfach:

* Mangelnde Selbstdisziplin: Anleger lassen sich von Marktstimmungen anstecken und kaufen in blinder Gier oder verkaufen in Panik. Gerade bei Institutionen dürfte auch eine Rolle spielen, dass großer kurzfristiger Performancedruck besteht und sie deshalb jedem noch so idiotischen Trend an den Märkten hinterherlaufen müssen.

* Kosten: Gerade Fonds sind wahre Melkmaschinen für Kundenvermögen geworden. Wenn man alle direkten und indirekten Kosten richtig herausrechnen würde, generieren die meisten aktiven Fondsmanager meiner Ansicht nach Mehrwert für die Kunden (http://www.blicklog.com/2012/12/06/warum-sind-so-viele-investmentfonds-so-schlecht-teil-2-indirekte-kosten-und-fazit/). „Hin und her macht Taschen leer“, diese alte Börsenweisheit ist heute so aktuell wie noch nie.

Karl-Heinz Thielmann November 21, 2013 um 08:28 Uhr

Das erste Statement von Fama ist ein eindeutiger Beleg für das Elend vieler aktueller Ökonomen, die sich in ihrem Elfenbeinturm eingemauert haben. Warren Buffet liefert seit 60 Jahren den Beweis, dass man auf längere Sicht Märkte mit Stockpicking schlagen kann, und dies mit relativ einfachen Methoden. Buffet ist schon seit Jahrzehnten von der etablierten Finanzwissenschaft verhasst, weil er ihren Quark ein ums andere Mal ad absurdum führt. Im übrigen stützt auch das Research von Shiller klar die Idee, dass für den langfristigen Anlageerfolg nur die Bewertung zählt und sonst gar nichts.

Man darf nur nicht versuchen jeden Tag den Markt zu schlagen. Leider unterliegen die meisten Anleger genau diesem Wahn, was natürlich auch mit den Mechanismen der Finanzindustrie zu tun hat, die von Wertpapierumsätzen lebt und nicht von der Performance ihrer Kunden.

Fama verwechselt die Tatsache, dass Märkte Informationen schnell in Preise verarbeiten (in der Frage der Geschwindigkeit sind sie tatsächlich sehr effizient) mit der Fragestellung, ob diese Verarbeitung auch zu richtigen Ergebnissen führt.
„Quick and dirty“ ist eher eine angemessene Beschreibung für das einpreisen von Informationen in Kurse. Leute wie Buffet (und viele andere auch), die analytisches Verständnis haben, leben nicht schlecht davon, das dies so ist.

Dirk Elsner November 21, 2013 um 08:37 Uhr

Moin Karl-Heinz:
Ich glaube, diesen Satz sollte man sich aus Deinem Kommentar einrahmen:
„Fama verwechselt die Tatsache, dass Märkte Informationen schnell in Preise verarbeiten (in der Frage der Geschwindigkeit sind sie tatsächlich sehr effizient) mit der Fragestellung, ob diese Verarbeitung auch zu richtigen Ergebnissen führt.“

Finanzmärkte reagieren zwar schnell, deswegen aber nicht unbedingt „richtig“, wie auch immer man das in diesem Zusammenhang definiert. Sie können auch kollektiven Verzerrungen, wie sie Shiller, Kahneman, Tversky und viele andere beschreiben, unterliegen. Allerdings lassen sich solche Verzerrungen nicht klar erkennen bzw. vorhersagen. In dieser Frage dürften sogar Shiller und Fama übereinstimmen.

Interessant wäre aber dennoch die Frage, wenn Warren Buffetts Strategie so überlegen und klar ist, warum gelingt es so wenigen, diese zu kopieren?

topperhopper November 22, 2013 um 11:37 Uhr

„Warren Buffet liefert seit 60 Jahren den Beweis, dass man auf längere Sicht Märkte mit Stockpicking schlagen kann, und dies mit relativ einfachen Methoden.“

Was ist denn das für ein Beweis! Zig Millionen Anleger betreiben wahrscheinlich Stockpicking. Bei so einer Masse an Leuten werden einige von ihnen sicherlich ZUFÄLLIG über einen längeren Zeitraum damit Erfolg haben. Seit 60 Jahren gibt es aber wahrscheinlich auch Leute, die noch nie mit Stockpickung Erfolg hatten – die nimmt aber niemand zur Kenntnis. Warren Buffet hingegen wird als glänzender „Beweis“ präsentiert, das es funktioniert. Er ist aber kein Beweis, sondern ein Produkt des Zufalls – auch wenn er oder seine Anhänger das sicherlich nicht hören wollen.

VG

Comments on this entry are closed.

{ 4 trackbacks }

Previous post:

Next post: