Beim Nachdieseln des Beitrags “Macht Prokon seine Investoren zu Muppets?” habe ich noch darüber nachgedacht, dass “Die Freunde Prokons” (genau heißen sie Freunde von PROKON) eigentlich eine ziemlich geschickte Einrichtung sind, die sich spieltheoretisch gut erklären lässt. Daran hat bereits letzte Woche Sebastian Wolf in der Berliner Zeitung in dem Beitrag: Anleger im Gefangenendilemma gedacht.
Das spieltheoretische Denkmodell des Gefangenendilemmas (hier im Video erklärt von Julian Nida-Rümelin und auf der Internetseite: Professor Rieck´s Spieltheorie-Seite) lehrt uns, dass “Kooperation”, also die gemeinsame Einhaltung von Regeln, die überlegene Strategie ist, wenn es um den gemeinsamen Nutzen geht. Das Dilemma ergibt sich, wenn Partner A weiß, dass Partner B sich an die Regeln hält, für Partner A ein noch größerer Vorteil darin liegt, wenn er selbst unfair handelt. Das Gefangenendilemma zeigt aber auch, dass alle einen Nachteil haben, wenn ähnlich wie bei den Stauschummlern, alle gegen die Regeln verstoßen.
Und ich glaube, dass Modell lässt sich gut übertragen auf Fälle wie Prokon und übrigens auch auf Bankruns bzw. Finanzkrisen. Wenn erste Kapitalgeber einem Kapitalnehmer nicht mehr trauen, dann würden sie so schnell wie möglich, ihr Kapital aus dem Unternehmen abziehen. Der einzelne Fall ist für den Kapitalnehmer dabei nicht so tragisch, vor allem wenn er geheim bleibt. Häufen sich die Kapitalkündigungen, dann kann aber schnell ein sich selbst verstärkender Herdentrieb einsetzen, der einem Bankrun (siehe Kasten) nicht unähnlich ist.
Warum ist grundsätzlich jede Bank bei massiven Einlagenabzügen in ihrer Existenz gefährdet? Die Einlagen werden den Banken von den Sparern in der Regel nur für kurze Zeit zur Verfügung gestellt. Die Institute nutzen diese Einlagen zur Finanzierung längerfristiger Investitionen durch Kreditvergabe. Die damit verbundene Fristen-, Risiko- und Größentransformation auf dem Kapitalmarkt ist volkswirtschaftlich effizient und somit durchaus erwünscht. Werden allerdings die Einlagen in einem von dem Kreditinstitut unerwartet hohem Umfang gekündigt, kann die Bank nicht zum gleichen Gegenwert und ohne Verluste Kredite und Anleihen liquidieren. Die Einlagen werden dann so lange ausgezahlt, bis keine Liquidität mehr vorhanden ist. Erwartet ein Sparer, dass sein Institut zahlungsunfähig werden könnte, so sollte er seine Einlage besser früher als später kündigen. Das Gerücht einer Zahlungsunfähigkeit der Bank kann deshalb schon ausreichen, um einen Bank Run der Anleger auszulösen, selbst wenn das Kreditinstitut im Kern gesund ist. Quelle: Arbeitspapier Bank-Run-Experimente mit dem Diamond-Dybvig-Modell”) |
Während aber Bankruns z.B. durch staatliche Garantien oder durch eine Zentralbank als „Lender of last resort“ (siehe dazu Stefan Prigge, Zentralbank, Aktienkurssturz und Systemkrise, Hamburg 1997) verhindert werden können, kann ein Einzelunternehmen nicht auf solche Institutionen zurück greifen. In der Wirtschaftspraxis neigen daher mit dem Rücken zur Wand stehende Schuldner dazu, mit der “Insolvenz zu spielen”, wie das Prokon macht. Das kann insbesondere dann gelingen, wenn die Gläubiger möglichst im gleichen Rang sind und der Schaden einer Insolvenz höher ist, als die Fortführung des Unternehmens.
Vermutlich hat Prokon genau deswegen einen Anreiz gehabt, den Umfang der Kapitalabflüsse transparent zu machen. Durch diese Transparenz entsteht nämlich eine Drohung, dass niemand mehr seine vollen Mittel zurück erhält.
Die Anleger befinden sich plötzlich in einem Gefangenendilemma. Vertraut jeder Spieler darauf, dass die Mitspieler ihre Einlagen weiter halten, dann kommt ein Gleichgewicht zustande. Erwarten allerdings die Spieler, dass zu viele andere kündigen, landet man in einem Run, der zwar ebenfalls zu einem Gleichgewicht führt, aber ineffizient ist (vgl. Arbeitspapier Bank-Run-Experimente mit dem Diamond-Dybvig-Modell”). Verhalten sich alle opportunistisch, dann steigt die Chance auf eine Insolvenz. Kooperieren dagegen die Investoren, dann können sie in der Gesamtheit vermutlich mehr Geld retten, als die Summe der Einzelauszahlungen an Anleger, die gekündigt haben. “Die Freunde Prokons” sollen nun genau diese Kooperationsbereitschaft signalisieren.
Das Dilemma ist allerdings, dass „Prokons Kumpels“ nicht unbedingt einen Run auf die Einlagen verhindern. Denn wer sagt denn, dass die “gespielte” Kooperationsbereitschaft echt ist? Wenn genügend Investoren zur Kooperation bereit sind, dann lohnt es sich wieder für einzelne Anleger, sich „unkooperativ“ zu verhalten. Vielleicht setzten deswegen die “Freunde Prokons” auf einen gewissen sozialen Druck, den z.B. die Verwendung der Bezeichnung “Freunde” suggeriert. Gegenüber Freunden verhält man sich nicht opportunistisch, sondern hält seine Versprechen ein.
Ein wichtiger Baustein fehlt freilich, um die Kooperationsbereitschaft durch die “Prokoner” zu gewährleisten: Die Transparenz darüber, dass das fortgeführte Unternehmen tatsächlich mehr Wert ist, als die zerschlagenen Teile. Das oben skizzierte Gefangenendilemma basiert ja auf der These, dass tatsächlich bei kooperativen Zusammenhalten ein Mehr an Werten erhalten bleibt, als die Summe der Einzelzahlungen wenn alle ihre Gelder abziehen und das Unternehmen in die Insolvenz gehen. Ob das Unternehmen tatsächlich diesen Mehrwert bieten kann, ist ja offensichtlich derzeit fraglich. Ein Geschäftsmodell muss sich irgendwann tragen, sprich die Ansprüche der Kapitalgeber müssen bedient werden. Daneben gibt es ganz offensichtlich keine geprüfte Bilanz. Laut Deutscher Wellte wirft das Unternehmen auf seiner Webseite zwarmit Zahlen nur so um sich, doch keine einzige soll bislang von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer testiert worden sein. Zwar sind testierte Bilanzen kein Allheilmittel, wie wir es zuletzt durch die Bankenkrise gelernt haben. Aber eine testierte Bilanz ist immer noch besser als eine mit verweigertem Testat.
Nachtrag vom 22.01
Nun ist es offiziell. Über Prokon ist das Insolvenzverfahren veröffentlicht worden. Die Veröffentlichung des Amtsgericht Itzehoe laut www.insolvenzbekanntmachungen.de lautet:
„In dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen PROKON Regenerative Energien GmbH, Kirchhoffstraße 3, 25524 Itzehoe, ist heute, 22.01.2014, 14.00 Uhr, Rechtsanwalt Dr. Dietmar Penzlin, Alstertor 9, 20095 Hamburg zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und ein Zustimmungsvorbehalt angeordnet worden (§§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 22 InsO). Maßnahmen der Zwangsvollstreckung einschließlich der Vollziehung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung gegen den Schuldner werden untersagt, soweit nicht unbewegliche Gegenstände betroffen sind; bereits begonnene Maßnahmen werden einstweilen eingestellt (§ 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO).
Amtsgericht Itzehoe, den 22.01.2014″
Ich würde sagen es handelt sich um das
– kooperative Accumulation Game, plus
– nicht-kooperativen Get-Me-Out Game
Die Spieler:
Angenommen, der Spieler A bemerkt: „Hoppla das Ding X kann ja nie genug operativen Cash erzeugen, um meinen Kupon zu zahlen“ (oder irgendein anderes relevante Problem). Der Spieler B hat davon keine Ahnung und will nur happy sein.
Akkumulation Game:
– Der Spieler A ist in der Minderheit
– Der Spieler B hat das Problem noch nicht erkannt
– Der Spieler A und B wollen trotzdem Ding X haben
(z.B. ein toller Kupon, es ist gerade „hip“, etc.))
– Das Ding X kann nur existieren wenn Spieler A und B es kaufen
– Spieler A und B kaufen Ding X (akkumulieren)
– Alle sind happy, beide gewinnen (Spieler A hält die Klappe)
Nun hat Spieler A folgendes Problem: Er ist wegen dem Akkumulation-Game bereits investiert (z.B. GS von Prokon, Einlage bei einer Bank, irgendeine heiße Aktie, oder Tulpenzwiebeln aus Amsterdam,…)
Get-Me-Out-Game:
– Spieler A disinvestiert ohne große Wirbel zu verursachen (z.B. kündigt nach und seine GS-Scheine, keine Wiederanlage bei Fälligkeit, kleine harmlose Verkauforder, etc.)
– Spieler A hält immer noch seine Klappe
– Spieler A gewinnt (z.B. bekommt Par zurück, verkauft zu guten Preis, kein Risk Exposure mehr)
– Spieler B verliert, weil mit dem o.g. Problem alleine dasteht (Das „Problem“ kann auch darin bestehen nicht zu erkennen ob es vorher ein No-Information Akkumulation Game war).
Im Grunde funktioniert jede Blase/Crash mit der Kombination beider Spiele. Egal ob ein Schneeballsystem, eine simple Unternehmensinsolvenz (Platzierung und Kreditrisiko), Banken Run (toller Kupon aber nicht liquide), „Preistrends“ in liquiden Kapitalmärkten (Problem = Nicht zu wissen dass es vorher ein Akkumulation Game war), etc.
In diesem Fall würde ich mal wieder den Spruch „Gier frisst Hirn“ anführen wollen.
Auch wenn 6 oder 8 Prozent an Zinsen geboten werden, legt man nie sein ganzes Geld in ein Investment!
1,4 Milliarden Euro haben 75.300 Anleger bei Prokon investiert. Das sind im Schnitt 18.590 EUR pro Anleger. Bei diesem Betrag kann mir keiner sagen, das dort jemand sein Geld gestreut hat.
Bei meinem Dividendendepot streue ich am Ende auf 50 unterschiedliche Firmen – das ist der Plan! Da müsste ich fast 1 Mio Euro besitzen, um 18.500 EUR pro Geldanlage zu investieren!
Nein, Mitleid habe ich keines mit den Anlegern von Prokon.
Schade nur, das sie daraus auch nicht lernen werden.
Denn jetzt wird es heißen: Nur noch Sparbuch – das ist sicher!
Und das ist aber wieder 5 Schritte zurück – statt nur 1 Schritt zurück und sich mal Dividendenaktien an zu schauen…
Beste Grüße
D-S
„Während aber Bankruns z.B. durch staatliche Garantien oder durch eine Zentralbank als „Lender of last resort“ (siehe dazu Stefan Prigge, Zentralbank, Aktienkurssturz und Systemkrise, Hamburg 1997) verhindert werden können, “
Kaum ernsthaft. Keine staatliche Garantie und keine Zentralbank kann es verhindern. Wenn die Leute ihr Geld haben wollen, sperrt jede Bank zu.
Sehe ich andersw. 2008 hat dies ja offensichtlich in Deutschland geklappt, als Merkel und Steinbrück ihre berühmte Garantie für Einlagen aussprachen. Letztlich lässt sich das nicht abschließend beurteilen. Jedenfalls sollen diese Institutionen eine hohe Sicherheit für die Einleger gewährleisten. Eine 100% Garantie gibt es ohnehin nicht bzw. nie.
@FDominicus
Jein.
anstatt
„Während Bankenruns … verhindert werden können“
wäre es korrekter zu sagen
„Durch … die Wahrscheinlichkeit eines Bankenruns zu senken…“
Die erwähnte Mechanismen haben einen mildernden Effekt, aber sollten nicht zu einer On/Off Aussage verleiten. Zum Beispiel bei staatlichen Garantien muss der Staat die Zusage so hoch ansetzen, dass diese für einen größtmöglichen Anteil in der Bevölkerung relevant ist, aber auch von einer Regierung finanziell zu wuppen ist.
Beispiel Einlagensicherung:
(a) Ein Politiker stellt sich vor die Presse und sagt: „10,000 Euro pro Nase sind sicher“. Wenn aber die Hälfte der Bevölkerung z.B. 30,000 Euro auf der Bank haben, dann ist Effekt nicht so doll als wenn der Politiker von 100,000 Euro gesprochen hätte.
(b) Ein Politiker stellt sich vor die Presse und sagt: „1 Mio Euro pro Nase sind sicher“. Natürlich wissen die Leute nicht genau wieviel Geld alle ihre Nachbarn so genau haben. Hmm 1Mio mal 80Mio ergibt 80,000 Mrd, in der Morgenzeitung stand, dass der Bundeshalt irgendetwas mit 500Mrd sind…??!?!? Das geht doch garnicht…
Merkels 100 Mille:
– die Leute haben es abgekauft
– für die meisten Leute war die Zusage groß genug, aber nicht übertrieben
– und die meisten Leute haben es abgekauft dass die BRD das wuppen kann
Die Griechen (u.a.):
– Die Zusage war viel zu klein, und
– es hat auch niemand geglaubt die Regierung könnte es bezahlen.
Es ist schon so dass ein gut designtes staatliches Einlagensicherungssystem gegen Bankenruns gut abwehren kann.
Die Einlagensicherung hat glaube ich ihren Ursprung in den USA mit der Great Depression (1929). Als Reaktion darauf wurde die FDIC gegründet. Hat seitdem auch gut funktioniert.
Beispiel Zentralbank:
Ich will garnicht wissen wie oft die Bundesbank in ihrer Geschichte schon strauchelnde Banken am Verhandlungstisch saniert (oder in eine andere Bank verkauft) hat, ohne dass dies groß in der Öffentlichkeit aufgeblasen wurde.
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