Morgen geht das 44. Weltwirtschaftsforum in Davos los. Na und

by Dirk Elsner on 21. Januar 2014

Morgen startet das wie jedes Jahr im Januar in Davos das 44. Weltwirtschaftsforum. Es ist das Spitzentreffen der “Funktionselite” von der Nicholas Nassim Taleb sagt, dass noch nie so viel Macht ohne Verantwortung bestand. Ich habe 2009 und 2010 mal etwas intensiver die Diskussionen dort verfolgt. 2009 herrschte dort die “Ökonomie der Untergangspropheten”, 2010 war es die die “Stunde der Mahner”. 

Wirklich substantiell Neues erfährt man vom “Häppchengipfel” der “Wirtschaftselite” nicht. Davos ist stets eine Bestandsaufnahme des Status Quo, selten kommt von dort eine Vision, die anschließend umgesetzt wird. “Dieser Geist versetzt keine Berge”, bilanzierte im vergangenen Jahr Markus Spillmann für die Neue Zürcher Zeitung. Er schreibt: “Selten wird umgesetzt, was auf den diversen Podien diskutiert wird.” Das bestätigt auch Nariman Behravesh, Chef-Ökonom des US-amerikanischen Wirtschaftsforschungsinstituts IHS, in einem Gespräch mit der Wirtschaftswoche: „Das Dilemma an Davos ist: Da werden hohe, umfassende Ziele für gesellschaftliche Veränderungen gesetzt, die schwierig umzusetzen sind. In diesem Jahr lautet das Motto ‚The Reshaping of the World‘. Sicherlich kommt man hier zu klugen Vorschlägen, aber das war es dann. Wie wollen sie die umsetzen?“ Gestern bilanzierte Jürgen Dunsch nüchtern seine Erfahrungen nach 16 Jahren Davos auf faz.net: „Genug des Rummels in den Bergen, des Gegensatzes zwischen vollmundiger Weltverbesserungsrhetorik und simplen Geschäftsanbahnungen, genug auch der Selbstdarsteller unter den Vertretern aus Wirtschaft und Politik sowie der mehrfach irrigen Prognosen.

Das Weltwirtschaftsforums und die Bedeutung der von dort ausgehenden Signale stehen in einem umgekehrten Verhältnis zu der Medienaufmerksamkeit. Natürlich wird hinter den Kulissen viel mehr eingefädelt, als wir erahnen. Networking auf höchstem Niveau ist das Motto der Gäste. Ansonsten ist Davos vor allem dafür gut, dass die Teilnehmer zuverlässige Indikatoren dafür sind, welche Trends bald keine Rolle mehr spielen. Ich hatte dazu bereits 2011 diverse Zitate von Chronisten zusammen gestellt in “Davoser Weltwirtschaftsforum bestätigt Trends oder beendet sie”.

Auch wenn das hier etwas kritisch klingt, dem Veranstalter ist kein Vorwurf zu machen. WEF-Präsident Klaus Schwab und sein hoch engagiertes Team konfrontieren die Teilnehmer und die Weltöffentlichkeit durchaus mit kritischen Themen, wie in diesem Jahr die wachsende soziale Ungleichheit.  Im aktuellen Risikobericht des Weltwirtschaftsforums („World Economic Forum: Global Risks 2014“) wird laut der Zeitung Die Presse betont, “dass „erhebliche Einkommensunterschiede als das Risiko“ eingeschätzt wird, „das sich im Lauf der nächsten zehn Jahre am wahrscheinlichsten manifestieren wird“. Dazu gehören die hohe Arbeitslosigkeit und vor allem auch das Problem der „verlorenen Generation“ – also jener Jugendlichen, die heute ohne Job dastehen.” Siehe auch

Leider hält die Sensibilisierung der Teilnehmer nicht lang, wenn sie sich überhaupt für die Themen interessieren. Ein Grund dafür kann die darin liegen, dass die Komplexität der Welt die Macht der Entscheidungsträger erodiert. Das vermutet zumindest Sebastian Buckup, Programmdirektor des Weltwirtschaftsforums, in dem Beitrag “Am Zauberberg soll die Krise beerdigt werden”. Er schreibt darin u.a.:

“Ob mangelnder Wille oder begrenzte Handlungsfähigkeit, das Vertrauen in unsere Führungseliten ist in alarmierender Weise erodiert. Laut Francis Fukuyama kann dies schnell zu einem Teufelskreis führen: immer komplexere Kontrollmechanismen schränken die Handlungsfähigkeit politischer Entscheidungsträger ein und mindern so weiter das Vertrauen in politische Lösungen.”

Während 2013 die Teilnehmer noch die verbreitete Zuversicht irritierte, wird man nun in diesem Jahr das Ende der Krise ausrufen und sich gegenseitig darin bestätigen, alle Probleme im Griff zu haben. Wenn das wirklich die Botschaft in einer Woche aus Davos sein sollte, dann sollten wir uns ernsthafte Gedanken machen.

Das genaue Programm vom WEF findet man hier. Den jeweils aktuellen Livecast findet man auf dieser Seite oder hier:

Joachim Michel Januar 27, 2014 um 10:15 Uhr

Die „inoffizielle Konkurrenzveranstaltung“ zu Davos ist das Global Economic Symposium http://www.global-economic-symposium.org/ , welches vom Institut für Weltwirtschaft (Kiel) initiiert wurde und dieses Jahr in Malaysia stattfinden wir.
Im Gegensatz zu Davos bleibt das GES an den Problemen dran und veröffentlicht das ganze Jahr über Problemlösungsvorschläge „Solutions“, siehe hierzu zum Beispiel den GES Blog http://blog.global-economic-symposium.org/

Karl-Heinz Thielmann Januar 21, 2014 um 08:52 Uhr

Das Wirtschaftsbuch des vergangenen Jahres war für mich „The Triumph of Emptiness“ von Mats Alvesson, Professor für Organisation an der schwedischen Universität von Lund. (Einleitung kann man downloaden unter folgendem Link: http://fdslive.oup.com/www.oup.com/academic/pdf/13/9780199660940.pdf)

In ihm geht es darum, dass in den modernen Gesellschaften eine zunehmende Tendenz zu Gütern und Dienstleistungen besteht, die 1) entweder zur Differenzierung des sozialen Status dienen; oder 2) relativ banale Dinge bzw. Sachverhalte mit künstlich überhöhter Bedeutung versehen; oder die 3) durch Betonung einer aufwendigen „Verpackung“ (oder Inszenierung) über substanzschwache Inhalte hinwegtäuschen. Der Gebrauchswert wird zunehmend unwichtiger, stattdessen besteht der immaterielle Nutzen für den Kunden in der sozialen Positionierung.

Das Weltwirtschaftsforum ist für mich die ultimative Verkörperung der These von Alvesson. In ihm verkörpert sich alles perfekt: Dient zur Differenzierung des sozialen Status; versieht Banales mit künstlich überhöhter Bedeutung; sowie ist eine aufwendige Inszenierung.

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