Double Whammy Teil 2 – Wie Inflation und Steuern selbst aus hohen nominalen Renditen irreal niedrige Erträge machen

by Karl-Heinz Thielmann on 18. Mai 2015

Fortsetzung des Beitrags vom 15. Mai

 

Fallbeispiel 2: Eine Kapitalanlage von 10.000 € bringt eine nominale Rendite von 5% p.a. Die Besteuerung findet ausschließlich während der jährlichen Ausschüttungen statt.

Laufende Erträge von Wertpapieren wie Dividenden oder Zinsen werden derzeit direkt zum Zeitpunkt der Ausschüttung mit der Abgeltungsteuer belastet. Dies vermindert ihren Zinseszinseffekt, da der Anleger nur noch den Ausschüttungsbetrag abzüglich Steuerzahlung jährlich reinvestieren kann. Bei 5% Zinsen und 25% Abgeltungsteuer sind dies also nur 3,75%. Der Solidaritätszuschlag vermindert diesen Satz auf 3,68%. Eine Kirchensteuer von 9% ermäßigt ihn auf ca. 3,60%.

Im Fallbeispiel bedeutet dies, dass der nominale Endwert nach Steuer, aber ohne Berücksichtigung der Inflation bei 10 Jahren Laufzeit 14.354,97 € bei 25% Abgeltungsteuer bzw. 14.243,21 € bei 27,995% Abgeltungsteuer beträgt. Inflationsbereinigt sind dies 11.807,06 € bzw. 11.637,74 €.

Der reale Wertzuwachs einer 10jährigen Kapitalanlage mit nominal 5% Rendite beträgt bei einer Inflationsrate von 2% und Steuern also – je nach Zuschlägen – zwischen 1,53% und 1,68%. Zum Vergleich: Bei reiner Endbesteuerung lagen die Vergleichswerte bei 1,73% und 1,86%. Der vorgezogene Zeitpunkt der Besteuerung kostet den Anleger damit noch einmal ca. 20 Basispunkte im Jahr.

 

Die effektive Belastung der Erträge einer Kapitalanlage durch Abgeltungsbesteuerung und Inflation liegt bei laufender Besteuerung nach 10 Jahren Laufzeit, einer Nominalrendite von 5% sowie 2% jährlicher Geldentwertung zwischen 66,5% und 69,4%.

 

Bei einer Inflationsrate von 3,5 % p.a. schrumpft die reale jährliche Rendite sogar auf -0,03% bis 0,12%. Steuern und Inflation entziehen dem Anleger praktisch den kompletten Ertrag, es ist gerade einmal Kapitalerhalt möglich.

 

Die effektive Belastung der Erträge einer Kapitalanlage durch Abgeltungsbesteuerung und Inflation liegt bei laufender Besteuerung nach 10 Jahren Laufzeit, einer Nominalrendite von 5% sowie 3,5% jährlicher Geldentwertung zwischen 97,6% und 100,5%.

Bei einer Laufzeit von 25 Jahren und 2% Inflation p.a. kommt man auf folgende Endwerte: 15.147,97 € (+1,68% p.a.) bei 25% Abgeltungsteuer sowie 14.610,71 € (+1,53% p.a.) bei 27,995% Steuersatz. Dies sind deutlich schlechtere Werte als bei Endbesteuerung. Hier macht sich insbesondere negativ bemerkbar, dass die laufenden Kapitalerträge nur nach Zinsabzug reinvestiert werden können. Der Zinseszinseffekt wird deutlich abgemildert, was im Endeffekt in einer jährlichen Renditedifferenz von über 40 Basispunkten resultiert. Die effektive Belastung durch Steuern und Inflation ist bei 25 Jahren Laufzeit und laufender Besteuerung zwischen 8,6% und 9,4% höher als bei Endbesteuerung.

 

Die effektive Belastung der Erträge einer Kapitalanlage durch Abgeltungsbesteuerung und Inflation liegt bei laufender Besteuerung nach 25 Jahren Laufzeit; einer Nominalrendite von 5% sowie 2% jährlicher Geldentwertung zwischen 66,5% und 69,9%.

 

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei durchschnittlich 3,5% Inflation p.a.: Hier schmelzen die jährlichen Renditen auf 0,12% bei 25% Abgeltungsteuer sowie -0,03% bei 27,995% Abgeltungsteuer; es beleibt so gut wie nichts übrig, die laufende Belastung ist dementsprechend nahe 100%. Im Vergleich mit der Endbesteuerung ist die Belastung ist um 8,4% höher bei 25% Abgeltungsteuer sowie um 9,3% bei 27,995% Abgeltungsteuer.

 

Die effektive Belastung der Erträge einer Kapitalanlage durch Abgeltungsbesteuerung und Inflation liegt bei laufender Besteuerung nach 25 Jahren Laufzeit; einer Nominalrendite von 5% sowie 3,5% jährlicher Geldentwertung zwischen 97,6% und 100,5%.

 

Als weiteres Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass sich somit neben der Inflationsrate der Zeitpunkt der Besteuerung (laufend oder am Ende) als zentral für die Bestimmung des realen Endwertes erweist. Die Begrenzung des Zinseszinseffektes bei laufender Besteuerung ist ein realer Renditekiller. Bei einer Nominalrendite von 5% und 2% Geldentwertung p.a. werden ca. 2/3 durch Steuern und Inflation aufgefressen; bei 3,5% Geldentwertung p.a. praktisch der gesamte Wertzuwachs.

 

Fallbeispiel 3: Anlage von 10.000 € in einer Anleihe hoher Bonität.

Zinsen bei Anleihen werden grundsätzlich laufend besteuert. Dies hat – zumindest wenn der Kurs in etwa dem Nominalwert entspricht – den Effekt, dass jeweils bereits versteuerte Erträge reinvestiert werden. Sofern sich der Zinssatz für Reinvestitionen nicht ändert, ist die Nachsteuerrendite hier unabhängig von der Laufzeit.

Die Renditen für deutsche Bundesanleihen betragen derzeit für 10 Jahre Laufzeit ca. 0,63% p.a. und für 30 Jahre 1,23% p.a. Mit Unternehmensanleihen guter Bonität (Rating mindestens A-) und einem Anlagezeitraum von 10 Jahren kann man derzeit ca. 1,4% jährliche Nominalrendite erzielen. Jedem Anleger ist intuitiv klar, dass hiermit nicht eine Inflationsrate von 2% p.a. ausgeglichen werden kann. Doch wie groß ist der Vermögensschaden, wenn man heute Anleihen kauft und bis zur Endfälligkeit hält, falls sich die Geldentwertungsrate wieder „normalisiert“, d. h. 2% jährlich beträgt?

Bei der 10-jährigen Bundesanleihe; einer Inflation von 2% p.a. und 0,35% Zinsen ergibt sich bei Tilgung ein Endwert von 8.565,11 € (bei 25% Abschlag) bzw. 8.849,04 € (bei 27,995% Abschlag), also ein Verlust von 14,3% bzw. 14,5%. Die annualisierte Rendite ist -1,54% p.a. bzw. -1,56% p.a.

Bei der 30-jährigen Bundesanleihe, einer Inflation von 2% p.a. und 1,23% Zinsen ergibt sich bei Tilgung ein realer Endwert von 7.184,93 € bzw. 7.106,66 €; also ein Kaufkraftverlust von 28,2% bzw. ca. 28,9%. Die annualisierte reale Rendite ist -1,1% bzw. -1,13%.

Bei der 10-jährigen Unternehmensanleihe; einer Inflation von 2% p.a. und 1,4% Zinsen ergibt sich bei Tilgung ein realer Endwert von 9.070,35 € (bei 25% Abschlag) bzw. 9.032,78 € (bei 27,995% Abschlag). Dies entspricht einem Kaufkraftverlust von ca. 9,3% bzw. 9,7%. Die annualisierte Rendite ist -0,99% p.a. bzw. -1,01%.

Um mit einer Anleihe bei 2% Inflation Werterhalt (= eine reale Rendite von 0%) zu erreichen, wäre bei 25% Abschlagssteuer zumindest eine Nominalverzinsung von 2,72% p.a. erforderlich. Bei 27,995% erhöht sich diese Mindestanforderung an den Zins auf 2,83% p.a.

 

Die effektive Belastung der Erträge einer Kapitalanlage durch Abgeltungsbesteuerung und Inflation führt bei Anleihen – die laufend besteuert werden – unabhängig von der Laufzeit dazu, dass mindestens eine Nominalrendite von 2,72% (bzw. 2,83% unter Einbeziehung der Kirchensteuer) notwendig ist, um bei 2% jährlicher Geldentwertung einen Erhalt der Kaufkraft zu ermöglichen.

 

Selbst wenn man annehmen würde, dass die Inflationsrate dauerhaft auf ein niedriges Niveau sinkt, wie beispielsweise 0,5% p.a., würden die Anleihen aus diesem Fallbeispiel höchstens sehr geringe reale Erträge produzieren. Bei der 10-jährigen Bundesanleihe würde bis zur Endfälligkeit ein realer Verlust von 29,82 € (- 0,03% p.a.) bei 25% Abschlag bzw.48,53 € (- 0,05% p.a.) bei 27,995% Abschlag realisiert. Bei der 30-jährigen Anleihe würde sich ein realer Gewinn von +0,42% p.a.( bei 25% Abschlag) bzw.  +0,38% p.a. (bei 27,995% Abschlag) ergeben. Bei der Unternehmensanleihe gäbe es mit einem Kaufkraft-Plus von 0,54% p.a. bei 25% Abschlag bzw. 0,5% p.a. bei 27,995% Abschlag.

Wenn langlaufende Bundesanleihen selbst bei einer unwahrscheinlich niedrigen Inflation von 0,5% p.a. kaum Kaufkrafterhalt erwarten lassen, so kann man die aktuelle Situation am Rentenmarkt mit Fug und Recht als absurd bezeichnen.

Bei diesen Berechnungen ist allerdings Folgendes zu beachten:

  • Gegenwärtig notieren viele Anleihen über ihrem Nominalwert und haben Ausschüttungen, die über dem Marktzins liegen. Dies hat steuerlich zur Folge, dass die Ausschüttungen mit dem entsprechenden Satz auf den ausgewiesenen Zins versteuert werden, der Steuerzahler also erstmal zu viel Steuern zahlt. Dafür bekommt er bei Rückzahlung der Anleihe eine Steuergutschrift, weil er einen Kursverlust realisiert. Diese kann er wiederum nur mit Erträgen in der Zukunft verrechnen. Das Ganze hat den Effekt, dass Steuerzahlungen auf Kapitalerträge zeitlich vorgezogen werden. Dies ist für den Anleger in Hinblick auf die Belastung durch Geldentwertung nachteilig, da die Verlustverrechnung inflationsbereinigt später weniger wert ist.
  • Andererseits ist ebenfalls denkbar, dass sich die Kapitalmarktzinsen wieder erhöhen und Wiederanlagen zu höheren Renditen möglich sind. Dies könnte insbesondere den Anleihen mit hohen Ausschüttungen etwas helfen. Insgesamt ist dieser Effekt aber relativ gering und dürfte nur zu einer minimalen Erhöhung der realen Rendite führen.

 

Fallbeispiel 4: Anlage von 10.000 € in Aktien

8% jährlich war in den vergangenen Jahrzehnten die nominale Rendite, die gemessen am DAX durchschnittlich über einen Börsenzyklus am deutschen Aktienmarkt verdient werden konnte. Diese Größe soll deshalb auch im Folgenden als Orientierungswert für die nominale Rendite dienen, die ein Anleger über den Börsenzyklus z. B. mit einem Indexfonds erzielen kann.

Ein Anleger in Aktien bzw. in einem Aktienfonds muss normalerweise die Dividenden laufend versteuern, während die Kapitalerträge durch realisierte Kursgewinne erst am Schluss besteuert werden. Da das Verhältnis von Ausschüttungen zu realisierten Gewinnen nicht von vornherein klar ist, werden im Folgenden die realen Renditen bei 100% laufender Besteuerung sowie bei 100% Endbesteuerung ermittelt. Hierdurch ergibt sich eine Bandbreite, innerhalb derer ein Anleger realistischerweise seine reale Rendite vermuten kann, wenn er mit einem Aktienfonds nominal durchschnittlich 8% p.a. erzielt.

 

4a) Laufzeit 10 Jahre; Inflation 2% p.a.

Bei 10 Jahren Laufzeit, einer Inflation von 2% p.a und einer Nominalrendite von 8% errechnet sich bei laufender Besteuerung von 25% ein realer Endbetrag von 14.632,53 € (+3,88% p.a.). Bei 27,995% Abgeltungsteuer ergeben sich analog 14.305,11 € (+3,65% p.a.).

Unter den gleichen Annahmen ergibt sich bei vollständiger Endbesteuerung ein realer Schlusswert von 15.272,67 € (+4,33%). Bei 27,995% Abgeltungsteuer ergeben sich 14.989,06 € (+4,13% p.a.).

Ein Anleger, der in Aktien investiert und durchschnittlich 8% p.a. nominale Rendite erzielt, kann bei 2% Inflation je nach Zuschlägen und Zeitpunkt der Steuerbelastung eine reale Rendite zwischen 3,65% und 4,33% erwarten.

 

Die effektive Belastung der Erträge einer Kapitalanlage durch Abgeltungsteuer und Inflation liegt bei einer Mischung aus laufender Besteuerung und Endbesteuerung nach 10 Jahren Laufzeit, einer Nominalrendite von 8% p.a. sowie 2% jährlicher Geldentwertung zwischen 45,9% und 54,4%.

 

4b) Laufzeit 10 Jahre; Inflation 3,5% p.a.

Bei 10 Jahren Laufzeit, einer Inflation von 3,5% p.a und einer Nominalrendite von 8% errechnet sich bei laufender Besteuerung von 25% ein realer Endbetrag von 12.540,99 € (+2,29% p.a.). Bei 27,995% Abgeltungsteuer ergeben sich analog 12.260,37 € (+2,06% p.a.).

Unter den gleichen Annahmen ergibt sich bei vollständiger Endbesteuerung ein realer Schlusswert von 13.089,63 € (+2,73%). Bei 27,995% Abgeltungsteuer ist das Resultat 12.846,56 € (+2,54% p.a.).

Ein Anleger, der in einen Aktienfonds mit durchschnittlich 8% p.a. nominaler Rendite investiert; kann nach 10 Jahren bei 3,5% jährlicher Inflation je nach Zuschlägen und Zeitpunkt der Steuerbelastung eine reale Rendite zwischen 2,06% und 2,73% erwarten.

 

Die effektive Belastung der Erträge einer Kapitalanlage durch Abgeltungsteuer und Inflation liegt bei einer Mischung aus laufender Besteuerung und Endbesteuerung nach 10 Jahren Laufzeit, einer Nominalrendite von 8% p.a sowie 3,5% jährlicher Geldentwertung zwischen 65,9% und 74,3%.

 

4c) Laufzeit 25 Jahre; Inflation 2% p.a.

Bei 25 Jahren Laufzeit und einer Inflation von 2% p.a und einer Nominalrendite von 8% errechnet sich bei laufender Besteuerung von 25% ein realer Endbetrag von 25.899,93 € (+3,88% p.a.). Bei 27,995% Abgeltungsteuer ergeben sich analog 24.475,31 € (+3,65% p.a.).

Unter den gleichen Annahmen ergibt sich bei vollständiger Endbesteuerung ein realer Schlusswert von 32.504,76 € (+4,83%). Bei 27,995% Abgeltungsteuer ergeben sich 31.447,69 € (+4,69% p.a.).

 

Die effektive Belastung der Erträge einer Kapitalanlage durch Abgeltungsteuer und Inflation liegt bei einer Mischung aus laufender Besteuerung und Endbesteuerung nach 25 Jahren Laufzeit, einer Nominalrendite von 8% p.a. sowie 2% jährlicher Geldentwertung zwischen 39,7% und 54,4%.

 

Ein Anleger, der in Aktien mit durchschnittlich 8% p.a. nominaler Rendite investiert; kann nach 25 Jahren bei 2% Inflation je nach Zuschlägen und Zeitpunkt der Steuerbelastung eine reale Rendite zwischen 3,7% und 4,8% erwarten.

4d) Laufzeit 25 Jahre; Inflation 3,5% p.a.

Bei 25 Jahren Laufzeit und einer Inflation von 3,5% p.a und einer Nominalrendite von 8% errechnet sich bei laufender Besteuerung von 25% ein realer Endbetrag von 17.612,84 € (+2,29% p.a.). Bei 27,995% Abgeltungsteuer ergeben sich analog 16.644,05 € (+2,06% p.a.).

Unter den gleichen Annahmen ergibt sich bei vollständiger Endbesteuerung ein realer Schlusswert von 22.104,36 € (+3,32%). Bei 27,995% Abgeltungsteuer ergeben sich 21.385,51 € (+3,09% p.a.).

Ein Anleger, der in einen Aktienfonds mit durchschnittlich 8% p.a. nominaler Rendite investiert; kann nach 25 Jahren bei 3,5% jährlicher Inflation je nach Zuschlägen und Zeitpunkt der Steuerbelastung eine reale Rendite zwischen 2,06% und 3,32% erwarten.

 

Die effektive Belastung der Erträge einer Kapitalanlage durch Abgeltungsteuer und Inflation liegt bei einer Mischung aus laufender Besteuerung und Endbesteuerung nach 25 Jahren Laufzeit, einer Nominalrendite von 8% p.a. sowie 3,5% jährlicher Geldentwertung zwischen 59,7% und 74,3%.

 

Zwischenfazit:

Letztlich bieten Aktien dem Anleger die einzige Chance, um überhaupt mit Wertpapieren nennenswerte reale Vermögenszuwächse zu erzielen. Dies gilt insbesondere, wenn es zu einem unerwarteten Anstieg der Inflation kommen sollte. Da ein Aktienfonds keine Laufzeitbegrenzung hat und Umschichtungen im Fonds von der Abgeltungsteuer ausgenommen sind, kann zudem der Zinseszinseffekt umso länger wirken, je später er verkauft wird. Auch dies vermindert die negative Wirkung der Besteuerung noch etwas.

 

Der Beitrag wird in zwei Tagen fortgesetzt

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