Der Markt für sogenannte Zertifikate wurde in den 90er-Jahren aus den Covered Warrants, also gedeckten Optionsscheinen, heraus geboren. Die Zahl der Zertifikate hat sich inzwischen auf mehr als 330.000 Stück erhöht. Das Marktvolumen wird auf rund 130 Milliarden Euro geschätzt.
Zertifikate sind beliebte Spekulationsobjekte, weil mit ihnen auch Kleinanleger Strategien an den Wertpapiermärkten realisieren können, die sonst nur den „Großen“ vorbehalten sind. Dazu konstruieren Finanzingenieure rechtlich gesehen Schuldverschreibungen, deren Auszahlungsstruktur an bestimmte Kursentwicklungen oder Ereignisse gekoppelt sind.
Bei der Risikoeinschätzung dieser Instrumente spielten bislang nur die üblichen Marktrisiken eine Rolle. Dazu gehören etwa Schwankungen in der Preisentwicklung von zugrunde liegenden Aktien, Indizes oder Zinssätzen. Weitere Risiken, wie etwa das Bonitäts-, das Liquiditätsrisiko oder operative Risiken spielten bei der Beurteilung keine Rolle.
Beispiele bei Börse.de oder www.scope.de zeigen, dass den Anlegern jede Menge Hilfsmittel für die Beurteilung von Marktrisiken an die Hand gegeben werden. Allerdings sind dies nicht alle Informationen, die für eine vernünftige Risikoeinschätzung notwendig sind.
Dies spüren jetzt die Besitzer der mehr als 200 am deutschen Markt gehandelten Lehman-Brothers-Zertifikate, wie die FAZ schreibt. Ihnen droht nämlich der Totalverlust ihres eingesetzten Geldes. Diese Zertifikate sind Inhaberschuldverschreibungen und als solche im Insolvenzfall nicht besonders geschützt.
Wie der Fall Lehman zeigt, wären zumindest Bonitätsinformationen, z. B. in Form einer Ratingklassifizierung, notwendig. Diesen Ansatz will die European Derivatives Group in ihr Rating aufnehmen. Neben der Preisstellung fließe die Handelsqualität der Produkte, die Bonität des Emittenten und die Zugänglichkeit von Informationen über die Produkte für die Anleger in die Bewertung ein. Die Produkte bekommen anhand der Kriterien eine Bewertung von null (nicht geeignet) bis fünf Sterne (sehr gut).
Allein ein solch pauschales Rating schützt in diesen Zeiten die Anleger wenig. Hilfreicher zur Beurteilung der Bonitätsrisiken wären eher Informationen über Veränderungen der Prämien von Credit Default Swaps. Dies setzt allerdings einen transparenten Markt dieser bisher Over-the-counter gehandelten Produkte voraus. Die Preisstellung erfolgt nur unter institutionellen Häusern und ist öffentlich kaum verfügbar (siehe aber hier), geschweige denn als Kennzahl für Zertifikate erhältlich.
Soll aber der Markt jetzt nicht austrocknen, dann sollten die Emittenten schnell über entsprechende Zusatzinformationen nachdenken.
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