Kreditderivate sind das Thema der Stunde oder besser des Monats. Um sie geht es, wenn von toxischen Assets gesprochen wird, die an eine Bad Bank weitergereicht werden sollen. Mehrfach hat der Blick Log über einzelne dieser Finanzinstrumente geschrieben. Vor einigen Tagen habe ich eine interessantes und lesbares Arbeitspapier von Heinz Cremers und Jens Walzner aus dem Jahre 2007 gefunden und möchte daraus einige Ausschnitte präsentieren, um etwas Hintergrund zu vermitteln. Dafür habe ich die Auszüge geringfügig redaktionell angepasst (z.B. Fußnoten entfernt). Quellenangabe und weitere Literaturhinweise am Ende des Beitrags.
Definition Kreditderivate
Finanzderivate, mit denen es möglich ist Kreditrisiken vom Grundgeschäft zu trennen und separat zu handeln, werden … als Kreditderivate bezeichnet. Im Allgemeinen bedeutet dies, dass Kreditderivate es einer Partei (Sicherungsnehmer bzw. Protection Buyer) ermöglichen, das Kreditrisiko aus dem Referenzaktivum gegen Zahlung einer Prämie auf eine andere Partei (Sicherungsgeber bzw. Protection Seller) zu übertragen. Zu beachten ist dabei, dass die zugrunde liegende Forderung aus dem Referenzgeschäft in seiner ursprünglichen Form erhalten bleibt und lediglich eine Art „Versicherung“ für das Kreditrisiko abgeschlossen wird.
Klassifizierung der wichtigsten Kreditderivate
Die Systematisierung von Kreditderivaten ist in der einschlägigen Literatur aufgrund der variantenreichen Ausgestaltung sowie der teilweise schwierigen Abgrenzung zu anderen Produkten, wie der Kreditverbriefung, nicht einheitlich geregelt. Eine bedeutende Klassifikation unterschiedlicher Kreditderivate stellt die Differenzierung nach der Art des abgesicherten Kreditrisikos – also nach Default Risk und Spread-Widening Risk – dar. Jedoch lassen sich insbesondere exotische und hybride Derivate nicht konkret einer Risikoart zuordnen, da diese „Elemente beider Risikoarten in sich vereinen“ können. Die nachfolgende Abbildung soll einen Überblick über eine mögliche Klassifikation von Kreditderivaten geben. Die in der Graphik dargestellten Pfeile sollen einerseits den Einfluss der Kreditderivate im engeren Sinne und andererseits den der klassischen Kreditverbriefungen auf die Bildung der hybriden Produkte symbolisieren.
Einzelbegriffe
Kreditrisiko: Das Kreditrisiko entsteht dem Gläubiger einer Forderung aus der Unsicherheit über die Zahlungsfähigkeit oder –willigkeit seines Schuldners. Es beschreibt die Gefahr, dass die Forderung nicht, nur teilweise oder verspätet zurückbezahlt wird. Als Forderungen gelten u.a. Zins- und Tilgungsleistungen aus Krediten und Anleihen, aber auch Forderungen aus dem positiven Marktwert eines derivativen Geschäfts. Im Hinblick auf die potentielle Verlustursache lässt sich das Kreditrisiko in die Teilkomponenten „(Adressen-/ Kontrahenten-) Ausfallrisiko (Default Risk)“ und „Bonitätsänderungsrisiko (Spread-Widening Risk)“ differenzieren. Unter dem Ausfallrisiko versteht man die Gefahr eines konkreten Ausfalls – beispielsweise durch Insolvenz – des Kreditnehmers.7 Demgegenüber wird der Wertverlust einer Position, welcher durch eine Erhöhung der Wahrscheinlichkeit oder des Ausmaßes eines möglichen Ausfalls bedingt wird, als Bonitätsänderungsrisiko bezeichnet.
Credit Spread. Unter dem Credit Spread versteht man die Renditedifferenz einer Kapitalmarktanleihe zu einer risikolosen Referenzanleihe (i.d.R. eine Staatsanleihe) unter ansonsten gleichen Bedingungen. Aufgrund dessen kann dieser auch als eine Risikomarge, welche den Bonitätsunterschied zwischen der tatsächlichen risikobehafteten und einer fiktiven risikolosen Geldanlage ausdrückt, interpretiert werden. Daraus folgt, dass die Veränderungen des Credit Spreads negativ mit den Veränderungen der Bonität des Schuldners korrelieren.
Finanzderivate sind Finanzinstrumente, deren Wert von einem Referenzaktivum abgeleitet ist und welche separat handelbar sind. Sie können als Termin-, Options- oder Swapgeschäfte auftreten. Als Referenzaktivum dienen sowohl originäre Finanzinstrumente, wie beispielsweise Aktien, Anleihen, Indizes, Währungen oder Zinssätze, als auch andere Finanzderivate. Dabei bieten sie einem Investor die Möglichkeit bereits mit einem relativ geringen Betrag in ein Referenzaktivum zu investieren. Daneben können sie so ausgestaltet sein, dass Wertminderungen des Referenzaktivums zu einer Wertsteigerung des Derivats führen (und vice versa), wodurch der Wertverlust des einen Titels durch die Wertsteigerung des anderen Titels in einem Portfolio bestehend aus Referenzwert und Derivat ausgeglichen werden kann (Hedging). Allerdings kann auch der gegenteilige Effekt – also eine überproportionale Beteiligung an Kursgewinnen bzw. –verlusten – erzielt werden. Diese beiden Eigenschaften fördern den Einsatz von Finanzderivaten sowohl als Tradinginstrumente als auch als Hedginginstrumente. Zusätzlich können sie auch als Arbitrageinstrumente eingesetzt werden. Es ist jedoch insbesondere die Hedgingeigenschaft, die Derivate für die Risikosteuerung interessant macht.
Eine speziell für das Risikomanagement wichtige Unterscheidung von Finanzderivaten ist die Klassifikation nach Risiken, die mit dem Derivat gehedged werden können. Derartige Risiken sind Währungskurs-, Zins-, Aktienkurs- bzw. generell Preis- sowie Kreditrisiken. Finanzderivate, mit denen es möglich ist Kreditrisiken vom Grundgeschäft zu trennen und separat zu handeln, werden demzufolge als Kreditderivate bezeichnet. Im Allgemeinen bedeutet dies, dass Kreditderivate es einer Partei (Sicherungsnehmer bzw. Protection Buyer) ermöglichen, das Kreditrisiko aus dem Referenzaktivum gegen Zahlung einer Prämie auf eine andere Partei (Sicherungsgeber bzw. Protection Seller) zu übertragen. Zu beachten ist dabei, dass die zugrunde liegende Forderung aus dem Referenzgeschäft in seiner ursprünglichen Form erhalten bleibt und lediglich eine Art „Versicherung“ für das Kreditrisiko abgeschlossen wird.
Wesentliche Vertragsbestandteile von Kreditderivaten
Der Handel von Kreditderivaten erfolgt außerbörslich auf den over-the-counter-Märkten (sog. OTC-Märkte), um eine auf die individuellen „Bedürfnisse der Vertragspartner zugeschnittene Vertragsgestaltung“ zu erzielen. Darüber hinaus existiert insbesondere für CDS seit 1998 eine Standarddokumentation der International Swaps and Derivatives Association (ISDA), die kontinuierlich weiterentwickelt wird und durch welche eine Standardisierung der wesentlichen Vertragsbestandteile sowie eine erhöhte Transparenz geschaffen werden soll. Aus deutscher Sicht ist jedoch kritisch anzumerken, dass die gesamte Standarddokumentation lediglich in englischer Sprache verfasst ist.
Risiko- und Referenzaktivum. Zu den wesentlichen Vertragsbestandteilen eines Kreditderivates gehört die Festlegung des Referenzaktivums. Von dem Begriff des „Referenzaktivums“ ist der des „Risikoaktivums“ abzugrenzen. Unter einem Risikoaktivum versteht man das risikobehaftete Underlying, das durch das Geschäft abgesichert werden soll, während das Referenzaktivum als Maßstab für den Eintritt eines definierten Kreditereignisses dient und damit die Inanspruchnahme der „Versicherungsleistung“ auslöst. Als Referenzaktiva können zum Beispiel Ratings, Aktienkurse, Portfolios, Indizes oder auch das Risikoaktivum selbst herangezogen werden. Um das Kreditrisiko aus dem Grundgeschäft für den Sicherungsnehmer so gut wie möglich abzusichern, sollte die Korrelation zwischen dem Referenzaktivum und dem Ausfallverhalten des Risikoaktivums gegen eins konvergieren. Dementsprechend bietet das Risikoaktivum als Referenzaktivum den höchstmöglichen Schutz für den Sicherungsnehmer. Obwohl in der Praxis Riskoaktivum und Referenzaktivum meistens voneinander abweichen, werden die Begriffe aufgrund ihrer starken Korrelation in der Literatur meistens synonym verwendet.
Kreditereignis: Die Vereinbarung des Kreditereignisses (Credit Event) spielt bei der Vertragsgestaltung eine bedeutende Rolle. Während bei anderen Derivaten Veränderungen des Gegenwerts durch Preisbewegungen widergespiegelt werden, ist die Auszahlung bei Kreditderivaten an ein bestimmtes Ereignis – das Credit Event – geknüpft. Daher sollte dieses sehr präzise formuliert sein. Als Credit Event kann das „Eintreten eines oder mehrerer […] Ereignisse“ definiert werden. Allen Credit Events ist gemein, dass sie von der Bonität des Risikoaktivums abhängen. Beispiele für derartige Ereignisse gemäß ISDA 2003 sind:
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Insolvenz (Bankruptcy) bzw. Moratorium
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Zahlungsversäumnis (Failure to Pay), meist nach Ablauf einer Toleranzfrist (Grace Period)
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(Substantiell unvorteilhafte) Schuldenrestrukturierung (Restructuring)
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Kreditereignis bei anderen Verpflichtungen führt zum Recht zur vorzeitigen Fälligstellung des zugrunde liegenden Referenzaktivums (Obligation Default)
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Kreditereignis bei anderen Verpflichtungen führt definitiv zum vorzeitigen Fälligwerden des zugrunde liegende Referenzaktivums (Obligation Acceleration)
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Bewusste Nichterfüllung bzw. Verweigerung von Zahlungsverpflichtungen (Repudiation)
Daneben sind auch andere Ereignisse, wie die Verschlechterung des Credit Spreads (spreadabhängige Kreditderivate) oder Ratingherabstufungen (ratingabhängige Kreditderivate), gängig. Oft wird das Kreditereignis vereinfachend als Ausfall oder Default bezeichnet.
Ausgleichsleistung. Bei Eintritt des Credit Events ist der Sicherungsgeber zu einer (vorher vereinbarten) Ausgleichsleistung gegenüber dem Sicherungsnehmer verpflichtet. Eine derartige Ausgleichsleistung kann – je nach Vertragsgestaltung – entweder physisch (Physical Settlement) oder entgeltlich (Cash Settlement) erfolgen. Physisch bedeutet, dass der Sicherungsgeber dazu verpflichtet ist das Underlying vom Sicherungsnehmer zu einem ursprünglich fixierten Preis (i.d.R. dem Nominalbetrag) abzukaufen. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich bei der abgesicherten Risikoposition um einen transferierbaren Vermögenswert handelt. Beim Cash Settlement wird dagegen entweder die Differenz zwischen dem Nominalbetrag des Underlyings und dessen Wert nach Eintritt des Credit Events oder – aufgrund von Schwierigkeiten bei der physischen Lieferung bzw. bei der Bestimmung der Rückzahlungsquote beim Cash Settlement insbesondere zur Absicherung von Krediten eingesetzt – ein fester Prozentsatz des Nominalbetrags bzw. ein fixer Geldbetrag an den Sicherungsnehmer gezahlt (sog. Binary Settlement). Kreditderivate, die mit einem Binary Settlement ausgestattet sind, werden auch als „digital“ bezeichnet.
Prämie. Da das Kreditrisiko durch den Einsatz eines Kreditderivats auf den Sicherungsgeber übergeht, erhält dieser vor Eintritt des Credit Events für die Laufzeit des Kreditderivats eine Prämie (Spread) vom Sicherungsnehmer. Diese Prämie wird i.d.R. entweder in Basispunkten (bps) auf den Nominalbetrag des Referenzaktivums in periodischen Abständen über die Laufzeit des Derivats oder als Einmalzahlung zu Beginn der Vertragslaufzeit gezahlt. Die Frequenz der periodischen Prämienzahlungen (i.d.R. viertel- oder halbjährlich), die anzuwendende Day-Count-Konvention (z.B.: act/360, act/act) sowie eine Regelung zur Behandlung von Feiertagen (i.d.R. modified following) werden ebenfalls festgelegt.
Laufzeit und Nominalbetrag. Durch die Vereinbarung des Startzeitpunktes sowie der Laufzeit des Derivats und des Nominalbetrags, der mit dem Geschäft abgesichert werden soll, hat der Sicherungsnehmer die Möglichkeit zu bestimmen, wie viel Prozent des Gesamtkreditrisikos aus dem Grundgeschäft er für welchen Zeitraum selbst tragen bzw. absichern möchte. Die Laufzeit des Kontraktes endet dabei entweder zu dem vertraglich fixierten Zeitpunkt (für den Fall, dass kein Credit Event eingetreten ist) oder mit Eintritt des Credit Events, der die Zahlung der Ausgleichsleistung auslöst.
Zum Markt für Kreditderivate
Handelsorte. Eine Vorreiterrolle beim Handel mit Kreditderivaten hat weiterhin der Londoner Markt inne. So werden rund 40% des globalen Kreditderivatehandels über London abgewickelt. Während London dicht gefolgt von New York ist, entfällt auf den Rest von Europa ein Marktanteil von 10%.
Marktteilnehmer. Wie in den Vorjahren stellen Banken weiterhin die bedeutendsten Marktteilnehmer dar. Hedge Funds, welche in der BBA-Studie 2002 noch im Wesentlichen als Risikokäufer aufgetreten sind und erst in den Folgejahren verstärkt auch als Risikoverkäufer, haben ihr gehandeltes Marktvolumen in 2006 gegenüber 2004 fast verdoppelt. Damit stellen diese mittlerweile vor den Versicherungsunternehmen die zweitgrößte Gruppe der Marktteilnehmer dar. Traditionell treten Banken dabei als Nettorisikoverkäufer, um vorhandenes Kreditrisiko zu hedgen, und Versicherungen als Nettorisikokäufer mit der Zielsetzung neue Ertragsquellen zu generieren auf – mit anderen Worten: es findet ein Kreditrisikotransfer von Banken auf Versicherungsgesellschaften statt.
Vor diesem Hintergrund überrascht die Erkenntnis der in der BBA-Studie 2006 erstmals durchgeführten Untersuchung nach dem Grund der Kreditderivatetransaktionen von Banken, dass zwei Drittel dieser Transaktionen aus Handelszwecken abgeschlossen werden, während nur ein Drittel das Kreditbuch der Banken betrifft. Dies legt die Vermutung nahe, dass Banken den Markt für Kreditderivate zwischenzeitlich verstärkt für Eigenhandelszwecke (d.h. für Arbitrage- und Spekulationstransaktionen) nutzen, was der Theorie eines stattfindenden Kreditrisikotransfers entgegen stehen würde. Den tatsächlichen Hintergrund wird allerdings nur eine weitgehende Analyse der einzelnen Transaktionen aufdecken können.
Marktanteile. Wie die nachfolgende Abbildung zeigt, hat es in dem Zeitraum von 2000 bis 2006 eine deutliche Verschiebung der Marktanteile zwischen einzelnen Kreditderivatgattungen gegeben. Besonders auffällig ist die starke Abnahme der „sonstigen Kreditderivate“ im Zeitverlauf sowie die innerhalb der letzten zwei Jahre stattgefundene Verschiebung zuungunsten von „Single-name Credit Default Swaps“ und zugunsten von „Index trades“. Während Ersteres wahrscheinlich lediglich darauf zurückzuführen ist, dass diese Position in den Jahren 2000 und 2002 aufgrund fehlender Angaben zu anderen bedeutenden Gattungen zu hoch ausgewiesen wurde, lässt sich in Letzterem eine tatsächliche Marktverschiebung beobachten. Der Marktanteil des in der Vergangenheit mit Abstand dominierenden Kreditderivats – dem CDS – hat zugunsten der Indexprodukte deutlich abgenommen. Berücksichtigt man jedoch, dass CDS die Grundlage der meisten Indexprodukte bilden, wird deutlich, dass hinter dem Rückgang kein Verlust in der Bedeutung von CDS steckt.31 Vielmehr wird deutlich, dass CDS weiterhin das mit Abstand bedeutendste Kreditderivat darstellen und daher den Fokus dieser Arbeit bilden.
Daneben kann festgehalten werden, dass – sofern sie nicht ebenfalls in Indexprodukte eingeflossen sind – sowohl Credit Linked Notes als auch Credit Spread Options im Betrachtungszeitraum an Bedeutung verloren haben, während Collateralized Debt Obligations ihren Marktanteil behaupten konnten.
Bonität der Risikoaktiva. Abschließend soll noch eine Übersicht über die Bonität der durch Indexprodukte und CDS abgesicherten Risikoaktiva gegeben werden. Der Trend geht zu einem verstärkten Handel von als non-investment grade-gerateten Risikoaktiva. Bis 2008 rechnet die BBA mit einer Zunahme derartig gerateter Underlyings auf über 35% der gehandelten Indexprodukte und CDS. Die reine Betrachtung von CDS-Kontrakten zeigt, dass der Handelsanteil von investment grade-gerateten Underlyings von 65% in 2004 auf 59% in 2006 gefallen ist. Dementsprechend machen in diesem Segment non-investment grade-geratete Risikoaktiva bereits über 40% aus.
Literatur
Mehr als ein Einmaleins kann man im Rahmen eines Blogbeitrags nicht leisten, andernfalls könnte man gleich ein Lehrbuch schreiben. Wer es tiefer mag, den bieten die Literaturhinweise tiefere Einstiegspunkte.
Heinz Cremers und Jens Walzner Risikosteuerung mit Kreditderivaten unter besonderer Berücksichtigung von Credit Default Swaps, Arbeitspapier der Frankfurt School of Finance & Management
Günter Franke und Thomas Weber: Wie werden Collateralized Debt Obligation-Transaktionen gestaltet
Stephan Ricken, Verbriefung von Krediten und Forderungen in Deutschland
Prof. Ludger Overbeck. Präsentation – Risikoadäquates Rating von Verbriefungstransaktionen
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