Nichts los in Davos oder die Ökonomie der Untergangspropheten

by Dirk Elsner on 2. Februar 2009

Ich bin sehr enttäuscht vom World Economic Forum in Davos. Bisher gestern Abend sind keine ermutigenden Schlagzeilen aus der Schweiz hängen geblieben. Dabei hätte ich genau diese Aufbruchsstimmung von dort erwartet. Damit ist nicht gesagt, dass am Rande und in einigen weniger beachteten Veranstaltungen doch noch vernünftige Vorschläge diskutiert worden sind, medienwirksam sind sie indes bisher nicht geworden. Und leider müssen gute Ideen in diesen Zeiten erst medienwirksam werden, damit sie wahrgenommen werden und eine Chance auf öffentliche Diskussion und Umsetzung haben.

Ein Kommentator der NZZ trifft den Punkt:

“Der ausgeprägte Herdentrieb der Akteure ist in den letzten Monaten immer wieder – und mit Recht – als eine wesentliche Ursache der Finanzkrise genannt worden. Wenn alle glauben, die Preise würden sich nur nach oben bewegen, und sich entsprechend verhalten, entstehen jene Blasen, von denen einige nun unter Getöse geplatzt sind. Dass dabei aus Sicht des einzelnen Managers das Schwimmen mit dem Strom durchaus rational sein kann, ist an dieser Stelle mehrfach dargelegt worden.”

“Umso erschreckender ist es, am WEF in Davos beobachten zu müssen, dass sich an diesem Herdentrieb praktisch nichts geändert hat. Wie von einem geheimen Kommando «180 Grad kehrt, marsch!» gelenkt, bewegen sich erneut alle im Gleichschritt, nur diesmal in eine andere Richtung. Statt naiver Euphorie ist jetzt abgrundtiefer Pessimismus angesagt. Die Redner überbieten sich gegenseitig mit einer geradezu intellektuellen Lust an der Schwarzmalerei, und die Zuhörer scheinen es ziemlich unkritisch fast mit Resignation hinzunehmen: «Das ist die neue Realität, auf die wir uns einzustellen haben.» Da kommt einem unwillkürlich der von Walt Disney inszenierte kollektive Selbstmord der Lemminge in den Sinn.”

Enttäuschte wie ich können sich aber immerhin mit Josef Joffe trösten, der für Zeit Online aus Davos schrieb:

“Die Oldtimer von Davos haben schon vor Jahren eine absolut richtige Zukunftstheorie entwickelt: den  „Two-Year Inverted Leading Indicator“  – den „Zwei-Jahre Umgekehrten Frühindikator“. Auf deutsch: Die Institutionen oder Leute, die hier als Helden gefeiert werden, sind zwei Jahre später Staub und Asche. Zwei Jahre bevor die „Asiatischen Tiger“ lahm geschlagen wurden, waren sie die ökonomische Zukunft der Welt. Dann gingen die Dotcom-Giganten 2001 in Flammen auf. Es folgte der Triumphzug der Finanz-Akrobaten, der Hedgefonds und Private Equity Fonds. Heute liegen sie am Boden und müssen ihre Gulfstream-5 Flugzeuge verkaufen. Deshalb die Große Frage: Wer wurde auf diesem Weltwirtschaftsforum als Herrscher des Universum gefeiert? Die Antwort dieses Autors nach einer kurzen Umfrage: die Propheten des „Es wird alles noch viel schlimmer werden“ unter den Ökonomen.”

Wenig tröstend auch, dass ich mit meiner Einschätzung vom vergangenen Freitag nicht allein lag, dass die Untergangspropheten die Schlagzeilen dominierten. Ähnlich sah das auch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, die in ihrer Printausgabe titelte: “Davos feiert die Propheten des Desasters”. Allen voran nennen Zeit und FAS Nouriel Roubini. Er ist der dunkle Prophet, der immer schon alles gewusst haben will.

Und ich will das gar nicht bestreiten. Sicher hat Roubini auch nachprüfbar diverse richtige Vorhersagen getroffen, wenn auch nicht zeitlich korrekt. Zu seinem vorläufigen Schutz ist anzufügen, dass kaum einem Ökonomen sowohl inhaltlich richtig als auch zeitlich korrekt die richtige Vorhersage gelingt und schon gar nicht dauerhaft.

Die Ökonomie des Nouriel Roubini

Doch Roubini ist mittlerweile ein Sonderfall geworden. Es hat es nämlich geschafft, sich und seine Firma durch seine Prognosen optimal zu vermarkten. Nach Informationen der FAS v. 1.2.09 kostet ein Auftritt von Roubini mittlerweile 50.000 US$. Dies ist ein stolzer Preis, um sich die Stimmung versauen zu lassen und etwas zu hören, was man schon weiß.

Persönlich würde ich für Roubini keinen Cent bezahlen, denn sein Kalkül muss doch klar werden. Er hat es geschafft, sich mit seinen düsteren Prognosen medienwirksam zu platzieren. Seine düsteren Aussichten bringen Aufmerksamkeit und ihm und seiner Firma viel gutes Geschäft. Ihn würde es nicht einmal stören, wenn die düsteren Prophezeiungen nicht eintreten. Er verdient sein Geld heute und  könnte sich in der Zukunft darauf berufen, dass seine Warnungen erhört wurden und Politiker und Unternehmen mit den richtigen  Maßnahmen reagiert haben.

Owen Lamont, früher Professor an der Yale Universität, erklärt die Extremprognosen damit, dass Prognostiker starke Anreize für extreme Vorhersagen haben. Nur extreme Vorhersagen fallen in diesen Zeiten auf und sorgen für entsprechende Aufmerksamkeit für den jeweiligen Analysten. Mit der Aufmerksamkeit steigt die Kundenbasis und damit erhöhen sich die Einnahmen für sein Geschäft. Dabei scheint es keine Rolle zu spielen, ob die Prognosen zutreffen oder nicht. Kontrolliert wird ohnehin selten. Häufig erfolgt die Berichterstattung sogar asymmetrisch. Hat ein Analyst mit einer extremen Prognose ins Schwarze getroffen, dann kann er zum Guru aufsteigen. Trifft er nicht, dann wird dies meist ignoriert, es sei denn, er hat den Guru-Status erreicht.

Wenn das Armageddon tatsächlich eintritt, dann wird Roubini als Orakel gelten und ebenfalls Guru-Status erreichen, wie einst Henry Kaufmann. Dann werden noch mehr Journalisten und Manager an seinen Lippen hängen. Roubini verdient dann noch mehr Geld mit Aussagen, die für niemanden einen Wert haben.  Roubini handelt damit übrigens komplett ökonomisch und geschickt. Neben ihm gibt es eine große Zahl weiterer Untergangspropheten, die es allerdings nicht geschafft haben, sich so in Szene zu setzen.

Zum Schluss. Selbstverständlich kann auf Prognosen (auch auf düstere) nicht verzichtet werden. Aber Wissenschaftler und Medien tragen eine Mitverantwortung für einen kritischen Umgang mit diesen Prognosen. Hier bestehen indes Zweifel. Aktuell verfestigt sich der Eindruck, dass das “bizarre Wettrennen” (Süddeutsche) um die negativste Konjunkturprognose weitergeht.

Ausgewählte Videos vom World Economic Forum sind hier zu finden

Meldungen zum Weltwirtschaftsforum

HB: Die Elite spielt den Blues

HB: Die neue Bescheidenheit

SZ: Ratlos in Davos – Die Elite in der Krise

HB: Neue Geschäftsmodelle Risikomanagement: Ringen mit den Risiken

Spon: Wirtschaftselite in Davos: Gipfel der Hilflosigkeit

NZZ: «Fette Katzen» in der Identitätskrise

FTD: Weltwirtschaftsforum: Angst vor einer verlorenen Dekade

Zeit: Alles eine Frage der Psychologie

Welt: Die Jagd nach weltweitem Wachstum ist vorbei

WSJ: Signs of the Future Of Finance Emerge

SZ: Turbulentes Davoser Weltwirtschaftsforum beendet

FTD: Politiker die Stars von Davos 2009

FTD: Davos 09 – Nouriel Roubini über gefragte Orakel

HB: Kanzlerin bastelt neue Weltwirtschaftsordnung

ARD: „Doktor Doom“ sieht weiter schwarz

Time: The Parties Go on at Davos

Zeit: Das Ende von „Davos Man“

FAZ-Blog: Tschüss, Davos

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