Krugman brennt die Sicherung durch

by dels on 13. März 2009

Ich habe den Eindruck Paul Krugman ist der Nobelpreis im vergangenen Jahr schlecht bekommen. Mit großer Sorge verfolgt Nobelpreisträger Paul Krugman in der New York Times den geringen Erfolg von Barack Obamas Stimulus-Plan auf die US-Wirtschaft. „Viele meinten damals, dass dieser Plan zu gigantisch sei, andere, und dazu zähle ich mich selbst, meinten, er sei noch zu vorsichtig. Die jüngsten Daten legen nun nahe, dass Obamas Pläne hinter den Erwartungen zurückbleiben.“

Aber das ist noch nicht alles. Der US-Blog Credit Writedowns machte darauf aufmerksam, dass amerikanische Ökonomen Obama ein F geben für seine Wirtschaftspolitik. Die schlechteste Schulnote F wird zwar nicht in dem entsprechenden Artikel des Wall Street Journals erwähnt, gleichwohl lanciert das Börsenblatt die Meldung von der Unzufriedenheit der Ökonomen.

So steige z. B. die Arbeitslosenquote in den USA weiter an. Zudem habe der US-Präsident in einem Interview mit der Zeitung keinen Hinweis darauf gegeben, dass seine Regierung bereit sei, noch mehr zu tun. Sie weise Forderungen nach der Verstaatlichungen aller Banken zurück, lasse aber weit reichende Pläne zur Neustrukturierung des Bankensektors vermissen: „Offenbar will sich das Weiße Haus weiter durch das Finanzchaos durchwursteln.“

Mir bleibt da glatt die Spucke weg. Obama hat in gerade mal vier Wochen das größte Konjunkturprogramm aller Zeiten auf die Beine gestellt. Ich vermute immer noch, dass sich keine der Kritiker die Mühe gemacht hat, die 1.400 Seiten zu studieren. Und gerade Ökonomen müssen wissen, dass es so etwas wie eine Wirkungsverzögerung gibt. Es ist doch vollkommen unrealistisch anzunehmen, dass eine solches Programm seine Wirkung mit Unterzeichnung entfaltet. So können nur Ökonomen denken, die in klassischen Welten verharren.

Sorry, ich habe dafür kein Verständnis. Im Gegenteil. Ich bin sogar der Auffassung, die Ökonomen haben durch ihre unklaren und widersprüchlichen Vorschläge nicht gerade zur Lösung der Krise beigetragen. Für die Forderung nach immer höheren Konjunkturprogrammen ohne jede inhaltliche Differenzierung und Ausgestaltung bräuchte es nicht der Makroökonomen. Da viele von ihnen wissen, dass die aktuelle Krise auch eine marktpsychologische ist, hätte es gut getan mit intelligenten Beiträgen die Unsicherheit zu nehmen. Aber lieber forcieren sie die Angst, wie das der dunkle Prophet Nouriel Roubini recht erfolgreich macht, oder reden klug durcheinander, wie kürzlich auf einer Konferenz New Yorker Columbia University.

Und vielleicht hätte das Wall Street Journal den Artikel lieber zurückziehen sollen, denn selbst die Obama skeptisch gegenüber stehende Wall Street hat gestern zaghaft positive Konjunkturdaten gefeiert. Besser als erwartet ausgefallene Einzelhandelsdaten beruhigte die Händler. Im Handelsblatt war zu lesen: „Die Kauflaune der US-Verbraucher hat sich trotz der immer tieferen Rezession im Februar überraschend wenig eingetrübt. Die Einzelhändler erlösten im Februar 0,1 Prozent weniger als im Vormonat. Analysten hatten dagegen mit einem stärkeren Rückgang um 0,5 Prozent gerechnet.“ Und vielleicht haben die Analysten mittlerweile auch Geithners Bankenrettungsplan verstanden, dessen einziger Nachteil ist, dass es sich nicht in 30 Sekunden vermitteln lässt. Immerhin haben sich die Aktien vieler Banken deutlich erholt.

Sicher war das noch nicht die Trendwende. Und mag sein, dass ich Obama noch zu viel Kredit gebe. Aber andere Kompetenzträger haben bisher rein gar nichts getan, um sich einen Kredit an Glaubwürdigkeit und Verantwortung zu erarbeiten.

Knut März 13, 2009 um 19:52 Uhr

Hallo zusammen,

also ich versteh jetzt nicht warum Krugman der böse Bube ist (und erst recht nicht, dass er mit „Anglosaxons“ in einen Topf geworfen wird). Ich versuch ihn hier mal ein bisschen zu verteidigen:

1.) Krugman ein Anglosaxon = marktradikaler Ökonom?

Krugman fordert ein stärkeres Konjunkturpaket (expansivere Fiskalpolitik), die direkt auf den Theorien von Keynes aufbaut. Er glaubt also nicht, wie einige andere, einzig und allein an die Selbstheilungskräfte des Marktes, oder dass sich nur einige Preise anpassen müssen (Im Gegenteil er hat immer wieder darauf hingewiesen, dass Preise „sticky“ sein können und man nicht einfach wichtige Erkenntnisse der Ökonomie vergessen sollte)

http://krugman.blogs.nytimes.com/2009/03/01/equilibrium-decadence-wonkish/#more-1479

2.) Warum fordert Krugman ein noch größeres US-Paket? Ist es nicht eh schon zu groß?

Vielleicht (und sicherlich wird es eine Reihe von Verschwendung von Steuergeldern geben), aber er befürchtet das wir WELTWEIT in eine Situation geraten könnten, ähnlich derjenigen in der sich die Japaner seit geraumer Zeit befinden: Deflation, geringes Wirtschaftswachstum und Zentralbankzinsen nahe Null.

http://krugman.blogs.nytimes.com/2009/03/09/japan-reconsidered/

Da die Zinsen sich bei Null oder nahe Null Prozent befinden, sind die klassischen Mittel der Zentralbank ausgeschöpft, d. h. es gibt eigentlich nur noch die Fiskalpolitik, um gegen die Situation anzukämpfen (Liquiditätsfalle).

3.) Jetzt könnte man einwenden, dass Japan in den letzten Jahren doch keine so schlechte Performanz hingelegt hat.

Die Graphik in dem unten aufgeführten Link zeigt uns allerdings, dass ein 1/3 der japanischen Erholung (GDP-Wachstum ca. 9% zwischen 2003-2007) auf eine Exportüberschuss in dieser Zeit zurückzuführen ist (NX ca. 3%) – also auf eine höhere weltweite Nachfrage nach japanischen Produkten.

http://krugman.blogs.nytimes.com/2009/02/18/the-eschatology-of-lost-decades/

Wenn wir jetzt weltweit in eine Liquiditätsfalle rutschen, m. a. W. die Nachfrage weltweit einbricht – na ja dann kann uns auch keine erhöhte weltweite Nachfrage retten, oder?

4.) Krugman vs. Steinbrück (bzw. die Deutschen)

Krugman hat sich damals darüber aufgeregt, dass sich Steinbrück scheinbar gegen ein abgestimmtes Verhalten innerhalb der EU gewehrt hat.
Steinbrück verwies damals u. a. darauf, dass Deutschland zum einen sein Hausaufgaben gemacht hat (im Gegensatz zu einigen anderen EU-Staaten ohne Haushaltskonsolidierung), und zum anderen sich auch in einer anderen Situation befand (kein Hausmarktboom, wie in Spanien, Irland, oder UK – immer noch ein starkes verarbeitendes Gewerbe, relativ kleiner Finanzsektor, usw.).

Super Youtube-Video:
http://www.youtube.com/watch?v=NMENQcp2wGk&feature=PlayList&p=EB829EC68D488A15&index=0&playnext=1%5D

Mittlerweile ist das Konjunkturpaket 2 beschlossen und Deutschland leistet seinen Betrag, um gegen die größte Rezession seit dem WWII zu kämpfen.

5.) Außerdem denke ich schon, dass er, aber auch andere mit dem 1400 Seiten auseinandergesetzt haben (Wenn auch nicht mit jedem kleinen Projekt).

http://krugman.blogs.nytimes.com/2009/02/17/1400-page-documents/
6.) Ich hab damals auf dem Greg Mankiw Blog einen Beitrag von David Backus (26.12) gefunden, der meiner Meinung nach genau ins Schwarze trifft. Als erstes zählt er kurz einige Kritikpunkte auf, die man bei einem Konjunkturpaket im Hinterkopf haben sollte:
I.) Hard to do – ineffektive, langsame Ver(sch)wendung der neuen Mittel
II.) bad timing – Paket wirkt erst voll Ende 2009. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich die Konjunktur u. U. auf dem Weg der Besserung – Standard Argument
III.) Small Multiplier – selbst Krugman verwendet nur einen von 1,1
IV.) It’s the financial system, stupid
Aber dann kommt ein wunderbares Fazit, dem ich nur zustimmen kann:
“(…) I guess I’d say the following: Go ahead, spend a few hundred billion over the next two years; it may help, especially if the economy performs worse than we expect. But spend it on things that have clear social value. At the same time, try to make some progress on the long-term spending issues built into our current retirement and health-care systems. (..) And make sure you keep your eyes on the financial system: if the banks don’t recover, none of us will. Good luck!“
http://gregmankiw.blogspot.com/2008/12/backus-on-spending-stimulus.html
In die gleiche Richtung schießt auch Robert Solow, wenn er in einem Handelblatt-Interview (29. Dez.) meint, dass wir uns in einer Situation befinden, in der die Gefahr, zu schwach zu reagieren, höher ist als die, zu stark zu reagieren.
http://www.handelsblatt.com/politik/nachrichten/solow-wir-haben-aus-1929-gelernt;2116813

Puh, das war lang …

Gruß Knut

Coien März 13, 2009 um 20:09 Uhr

Danke für die ausgezeichnete und kluge Rückmeldung.
Mein Beitrag war natürlich etwas polemisch gemeint. Natürlich kann man nicht alle Ökonomen in einen Topf werfen.

st März 13, 2009 um 08:48 Uhr

Vielleicht passt thematisch noch dieser Beitrag als Ergänzung:

http://www.mmnews.de/index.php/200902252355/MM-News/Deutschland-erklart-der-Eurozone-den-Krieg.html

enigma März 13, 2009 um 05:57 Uhr

Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, jedoch könnte es sein, daß es am besten ist, wenn es ganz unideologisch ist.

Ich habe keine Ahnung (das kann auch mein Fehler sein), warum ein Krugman diesen Stellenwert bekommt, den die (versuchsweise) meinungsbildenden Zeitungen ihm zuschreiben. Vielleicht deswegen. Die Ösis haben ja mal eine Konferenz der Zeitungsredakteure gemacht und festgestellt, daß sich niemand darum kümmert, daß Krise angesagt ist. Vielleicht kümmern sich die Ami – Konsumenten auch nicht darum.

Nur: meine doofe Meinung ist, daß ein Krugman mittlerweile dazu da ist, um alle anderen Staaten (außer der USA) dazu zu bringen, genau so zu funktionieren, wie es im Interesse der USA – Wirtschaft ist! Und das liegt nicht daran, weil ich denke, daß da irgendeine Verschwörung läuft, sondern weil den Amis mittlerweile der Arsch auf Grundeis läuft.

Warum ist das so? Krugman bauchpinselt die Briten und hält die Deutschen für doof (die Franzis mußten ja wieder in die NATO eintreten und haben offensichtlich gelernt, sich unterzuordnen). Der einzige Grund, warum auf die Deutschen so eingeprügelt wird ist, daß – wie in vor EURO – Zeiten – Deutschland verdammt harte Bonitätsstandards vorgibt, und alle anderen sich daran halten müssen. Der Club – Med kotzt mittlerweile darüber ab, die Briten müssen ihr heiliges Pfund gegenüber dem EURO!!! abwerten!, die Polen wissen nicht mehr, welche Moralitäten sie Deutschland sonst noch vorwerfen können um an Geld zu kommen, Timoschenko schreibt in einem Artikel über den Stellenwert von Frankreich hauptsächlich über Deutschland, der Balkan hat nur noch eine Chance wenn Deutschland bei Krediten ein OK! gibt und Lateinamerika ist sowieso davon überzeugt, daß Deutschland in der Welt den Ton angibt!

Das Schlimme ist: ein Krugman kann das garnicht verstehen, weil er – wie alle Anglosaxons auch – ein Marktwirtschaftstheoretiker ist. Für diejenigen müßten sich nur ein paar Preise verändern und schon wäre die Welt wieder in Ordnung! (Nein, ich rede jetzt nicht über Prof. Sinn!) Und da sind wir wieder bei Keynes. Der hat ja wenigstens versucht den Ökonomen einzubleuen, daß die gesamtwirtschaftliche Nachfrage für die Gewinnerwartungen der Unternehmen, deren Geschäftspolitik, deren Einstellungspolitik und deren Marketingpolitik eine wichtige Rolle spielt! Witzigerweise versucht es nun ein Obama (der verdammt noch mal was anderes zu tun gehabt hätte, als sich um diese ererbte Scheiße zu kümmern!) diese gesamtwirtschaftliche Frage auf die Reihe zu bekommen. Das ist nicht sein Ding und überhaupt nicht seine Aufgabe. (Na gut, die Situation ist so und er muß sich darum kümmern.) Das kann man bedauern.

Aber was bei Amis immer funktioniert ist, daß sie um sich eine Show machen, die für andere immer nur die fade Statistenrolle übrig hat. Die würden ums Verrecken nicht zugeben, daß ihre Show nur dazu da ist, um ihnen selbst ihren eigenen Lebensstil (nein, da heißt es dann „pursuit of happiness“ – USA – Verfassung) auf Kosten anderer zu garantieren.

Und so sind wir wieder bei Krugman. Der arme Kerl weiß doch wirklich nicht, was er noch schreiben soll, um alle, die auf Teufel komm raus Schulden machen sollten, auf Reihe zu bringen. Die blöden Deutschen, die ihre Kohl-Einigung bitter bezahlen mußten (weil statt Rohwedder die Breuel den Job durchziehen mußte, den nicht deutschen Euro – Investoren die Investitionsschnäppchen hinzuschmeißen) haben mittlerweile den Job, alles zu tun, damit die (ökonomisch unfähigen) EURO – Kinderchen alles bekommen was sie wollen. Ich habe ja keine Ahnung, ob Krugman in seinem Leben was Sinvolles – etwas was nicht auf der Markttheorie beruht – geschrieben hat, aber ich nehme mal an, daß die deutsche Manie, auf die Bonität der Geschäftspartner zu achten (eine Sache, die auf Wolfgang Stützel zurückgeht) heutzutage den Auftraggebern von Baby Krugman sehr auf die Nerven geht. Seien wir doch mal ehrlich: die Franzosen wollten von dem Diktat der DM durch den EURO wegkommen und stellen inzwischen fest, daß die Zwänge (auch wenn die Vermutungen, Deutschland würde sich an der Vereinigung die Zähne ausbeißen deswegen gescheitert sind, weil der Soli allen gezeigt hat, daß in Deutschland trotz allen internen Ärgers die Solidarität noch funktioniert) immer noch da sind.

Und jetzt wird´s ärgerlich. Wenn Deutschland der Garant für die Stabilität des EURO (gegen alle anderen Euro – Länder) ist, dann kann man sich vorstellen, was die Amis versuchen, um JEDEN, der auch nur im entferntesten versucht den Status des US – Dollars zu schwächen, sich einfallen lassen (da müssen selbst die „Verbündeten“ dran glauben!). Dann muß auch mal ein Krugman ran! Das Blöde ist, daß die Amis nicht wissen, daß die Deutschen keine Ehrfurcht vor Nobelpreisträgern haben, schon gar nicht vor Ökonomen!

Coien März 13, 2009 um 08:11 Uhr

Hallo Enigma
Beeindruckender Kommentar.
Der lässt sich ja in einem eigenen Artikel darstellen.
Muss ich aber auf das Wochenende verschieben.
Vielen Dank
dels

Comments on this entry are closed.

Previous post:

Next post: