Die Debatte um die 165 Millionen US$ Bonuszahlungen an 73 Top-Leute von AIG bewegt die Welt, wie man z.B. in dieser Presseschau und vielen Onlineforen nachlesen kann. Der Zorn über diese Zahlung besteht selbst dann zu Recht, wenn die Zahlung rechtens ist. Derweil hat sich der AIG-Chef Edward Liddy entschuldigt, die Boni als “geschmacklos” bezeichnet und an die Empfänger appelliert, die Hälfte des Betrages zurückzuzahlen.
Ob Liddy selbst Vorwürfe zu machen sind, muss sich noch zeigen. Immerhin kann er darauf verweisen, dass das Unternehmen sich bereits Anfang 2008 vertraglich zur Gewährung den “Treueprämien” verpflichtet hat. Da war Liddy, der im September von Goldman Sachs zu AIG wechselte, noch nicht im Amt. Unter Beschuss gerät unterdessen auch der US-Finanzminister, weil er bzw. sein Ministerium noch vor der Auszahlung informiert gewesen sein soll und die Zahlung möglicherweise hätte verhindern können.
Umstritten ist, die Zahlungen aus populistischen Gründen zurück zu verlangen. Untersuchen darf man aber sicher, ob die Empfänger ihren Beitrag zur Erfüllung des Vertrags geleistet haben. So ist verwunderlich, dass die z.T. als Treueprämie titulierten Boni auch an 11 Personen gegangen sind, die längst nicht mehr im Unternehmen sind.
Bemerkenswerter an der Geschichte ist aber jeweils die Begründung mit der die Boni gerechtfertigt werden. Liddy führte wieder einmal das Argument an, es sei sonst schwer talentierte Mitarbeiter zu finden. Top-Mitarbeitern wird gern eine gute Bezahlung zugestanden. Dass aber eine Top-Bezahlung gleichzusetzen ist mit einer Top-Qualität der Mitarbeiter, gehört zu den modernen Mythen der Führungselite. Denn längst scheint gesichert, dass gerade die “Topleute” mit exzessiver Bezahlung zumindest eine Teilschuld am größten Wirtschaftsdesaster seit 60 Jahren haben.
Man darf, nein man muss vor allem die Frage nach den Motivationsmechanismen in der vermeintlichen Champions-League der Top-Jobs stellen, wenn Manager und Mitarbeiter wie Söldner nur dorthin gehen, wo die monetären Anreize am höchsten sind. Das Erschreckende daran ist, dass damit der komplette Opportunismus bei Top-Leuten unterstellt wird. Gibt es keine finanziellen Anreize, dann setzen sie sich auch nicht für ihr Unternehmen ein. So war vor einigen Wochen in der FTD zu lesen, dass die Innovationskraft eines Finanzstandorts wie London nun einmal von den verlockenden Erfolgsprämien abhängt. Nur am Rande sei bemerkt, dass London auch der Finanzplatz ist, der unter der Finanzkrise am meisten leidet.
Diese und ähnliche Aussagen aus den Reihen der Bonusbefürworter, werfen daher die Frage auf , ob und wie man auf andere Art und Weise seine Manager und Mitarbeiter motivieren kann. Ein Leser, der selbst ebenfalls ein Unternehmen geführt hat, schrieb mir dazu vor einigen Wochen:
„Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass meine Mitarbeiter nie durch hohe Geldzuwendungen gehalten wurden, sondern immer durch Integrität in die Unternehmensziele. Wenn die Integration fehlt und überdies weder Respekt noch Achtung gegenüber allen Geschäftspartnern und Kollegen und Kunden fehlt, zeigt sich hier meines Erachtens eine ganz fundamentale Charakterschwäche.”
Diese Aussagen unterstreiche ich. Tatsächlich muss man sich fragen, warum insbesondere den Finanzinstituten, die in den letzten Jahren Millionenbudgets für die Motivation und Coachings ihrer Führungskräfte ausgegeben haben, nur finanzielle Anreize als Motivationsfaktor einfallen. Gratis wiederhole ich diesen Tipp: Sollte ein Mitarbeiter sich für so wertvoll halten und damit drohen, das Unternehmen zu verlassen, dann sollte er am besten sofort auf die Straße gesetzt werden. Dieser Tipp richtet sich ebenfalls an Aufsichtsräte, die über die Bonushöhe ihrer Vorstände entscheiden. Lassen Sie den CEO gehen. Wenn Sie denken, das ginge nicht, weil der Mann ein Star sei und über einen blendenden Ruf verfügt, dann lesen sie diesen Artikel hier und lassen Sie ihn gar nicht mehr zurück an seinen Schreibtisch.
Interessant an der AIG-Debatte ist übrigens, dass sie sich nur auf die USA zu beziehen scheint. Dabei weist der Blog Credit Writedowns auch darauf hin, dass 450 Angestellte in London, dort wo die komplexen Derivatekontrakte abgeschlossen wurden, auch Zahlungen erhalten haben. Die meisten von Ihnen zwischen 1.000 und 50.000 US$ und sieben Top-Manager über 3 Millionen US$.
Weitere Beiträge zu der Bonusstory
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NZZ: AIG-Chef verteidigt Zahlung von Boni
FTD: Senator empfiehlt AIG-Chefs Selbstmord
Time: Treasury Learned of AIG Bonuses Earlier Than Claimed
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